OB Wahl 2023: Wäre das Ergebnis zu verhindern gewesen?
Kommentar zum Ausgang der OB Wahl 2023
Knappes Ergebnis, knapper als zu erwarten war
Am Ende war es im zweiten Wahlgang der OB-Wahl dann doch knapp. Specht 49,9 % zu Riehle 48,7 %, also nur ein Unterschied von 1,2% Prozentpunkte oder in Stimmen ausgedrückt von 860 Stimmen. Nach dem ersten Wahlgang drei Wochen zuvor schien der Vorsprung von Specht noch uneinholbar. Im ersten Wahlgang hatte Specht 45,6 % vorgelegt, vor Riehle mit 30,2%, Fojkar mit 13,8 % und Isabell Belser mit 5%. (Die anderen Kandidatinnen und Kandidaten mit niedrigeren Prozentwerten bleiben bei meiner Betrachtung unberücksichtigt). Obwohl Fojkar und Belser auf eine Kandidatur im zweiten Wahlgang verzichteten, war nicht damit zu rechnen, dass die Stimmen von Fojkar und Belser 1zu1 Riehle zu Gute kämen. Auch wenn es für Riehle nicht gereicht hat, so war es dann erstaunlich, dass der Vorsprung von Specht zu Riehle von 15,4% auf 1,2% zusammengeschmolzen ist.
Ursachenforschung – warum hat es aus Sicht von Riehle nicht ganz gereicht?
Bei diesem dann doch sehr knappen Ergebnis, müssen sich die Kontrahenten von Specht dann doch kritisch hinterfragen lassen, warum es denn nicht gereicht hat. Welche vielleicht doch entscheidenden Fehler sind gemacht worden?
Es gilt natürlich auch hier: Hinterher ist man immer schlauer. Und es ist ungewiss, dass das Wahlergebnis anders aussähe, wenn Dieses und Jenes anders gemacht worden wäre.
Inhaltsloser Wahlkampf
Zunächst ist ganz allgemein die Inhaltsleere des gesamten Wahlkampfes auffällig. Dies gilt für alle Kandidatinnen und Kandidaten und die sie unterstützenden Parteien. Insbesondere gilt dies für Specht und Riehle. Sie traten „für Mannheim“ und buhlten um die Stimmen der politischen Mitte. Man vermied klare politische Aussagen, man wollte sich in kein politisches Lager einordnen lassen. Bei Riehle drückte sich das z.B. auch in seinen Wahlplakaten mit seinen Botschaften („Innovation“, „Bildung“, etc. aus), Sie sollten ein Bild der Kompetenz vermitteln ohne eine konkrete Aussage über ein Wofür und Wogegen zu machen.
Unterschiede in der Kommunalpolitik, obwohl durchaus vorhanden, wurden kaum thematisiert. Da der Wahlkampf vor allem im ersten Wahlgang kaum einen wirklich bewegte, ist dies sicherlich einer der Gründe für die allgemein niedrige Wahlbeteiligung. Und es ist allgemein bekannt: Niedrige Wahlbeteiligungen nützen vor allem bürgerlichen konservativen Parteien. So lag z. B. die Wahlbeteiligung in Feudenheim fast dreimal so hoch wie in der Neckarstadt-West. Ausnahmen bestätigen aber die Regel. Im neuen Stadtteil Franklin mit einer doch betuchteren neuen Mittelschicht lag die Wahlbeteiligung auch nicht viel höher als in der Neckarstadt-West. Anscheinend ist die Bindung bei diesen neuen Angekommenen an Mannheim und die Mannheimer Stadtgesellschaft sehr gering. Aber allgemein ist zu vermuten, dass eine höhere Wahlbeteiligung zu einem besseren Ergebnis für Riehle geführt hätte.
Mehr Inhalte – erst im zweiten Wahlgang
Erst im zweiten Wahlgang wurde etwas mehr um Inhalte gestritten. Vor allem Initiativen wie der Wahlaufruf der Kulturinitiative „Bunte Vielfalt“ haben hierzu ihren Beitrag geleistet. Auch der Artikel im Kommunalinfo „OB Wahl Mannheim aus linker Sicht – Die Vereinte Rechte ist noch nicht am Ziel“ möge hierfür einen Beitrag geleistet haben. Aber die notwendige Polarisierung und Diskussion kam halt reichlich spät.
Verlust des roten Mannheimer Nordens
Der bisherige rote Mannheimer Norden, die klassischen Arbeiterstadtteile, fiel auch im zweiten Wahlgang mehrheitlich an Specht. Hier kommen Specht noch andere Trends entgegen. Da ist zum einen der bundesweite Trend (Stichwort Heizungsgesetz, Energiepreise, allgemeine Teuerungsrate, soziale Verunsicherung), der gerade in traditionellen Arbeitervierteln gegen die SPD gerichtet ist.
Diesem Trend des Verlusts von Stimmen in Arbeiterstadtteilen bei gleichzeitiger steigender Wahlenthaltung ist die SPD ja schon länger ausgesetzt. Dieser Trend betrifft allerdings nicht nur die SPD. Die LINKE hat die meisten Wählerinnen in diesen Stadtteilen schon lange verloren. Ja, es gab Zeiten vor 10, 12 Jahren, da war die LINKE in Stadteilen wie Schönau oder Hochstätt besonders stimmenstark. Ja, lang ist`s her.
„To woke to win?“
Stefan Reinecke von der taz stellte in einem Kommentar zu den letzten Parlamentswahlen in Spanien fest: „To woke to win“ und meinte einen allgemeinen Trend in den westlichen Ländern. Sozialdemokratische, grüne und linke Parteien verlieren immer mehr bei Wahlen während, konservative und rechte Parteien gewinnen. Er fragte sich, ob nicht die Übertreibungen einer linken Symbol- und Identitätspolitik für diese Entwicklung mitverantwortlich seien. Der Autor dieser Zeilen unterstützt ausdrücklich diese These. Auch in Mannheim stoßen woke Zurechtweisungen und Anmaßungen zunehmend auf Kritik einer breiten Bevölkerungsschicht. Auseinandersetzungen wie die um das AWO-Ballett bei der BUGA sind schädlich. Mag man über dieses Beispiel noch streiten können, denn Kunst ist ja Geschmackssache. So gibt es mittlerweile viele andere und immer mehr solche Geschichten auch bei uns in Mannheim. Beispiel gefällig? Vor kurzem sprach der baden-württembergische Sozialminister Lucha vor einem versammelten Fachpublikum in Mannheim. Sein einleitendes „Sehr verehrte Damen und Herren“ rief bei einigen Personen heftigen Widerspruch hervor. Diese Anrede beziehe die nicht-binären Personen nicht ein und diskriminiere deshalb diese Personengruppe. Solche eher akademischen Diskussionen sind ursprünglich aus dem universitären Bereich mit Fachrichtung Sozial- und Politikwissenschaft oder Soziologie entsprungen und werden mit einer Vehemenz in den öffentlichen Diskurs hineingetragen, so dass breite Gesellschaftsschichten hiervon mehr wie irritiert sind. (Diese Diskussion finde ich notwendig, muss aber an anderer Stelle geführt werden. RS).
Vermischung von Bundes-, Landes und Kommunalpolitik
Vielen Wählerinnen und Wähler sind diese Unterschiede zunehmend unbekannt. Aber auch Akteuren und Aktivisten in den jeweiligen Parteien machen diese Unterschiede immer weniger. Dieser Umstand ist mir in meiner eigenen Partei der LINKEN aufgestoßen. Man ist für Riehle, weil man für die SPD sei, oder man ist gegen Riehle, weil man gegen die SPD sei.
Eine solche Art der Politik ist nicht sehr dran an den konkreten Aufgaben und Problemen, mit der sich Gesellschaften und Menschen, rumschlagen müssen. Andersherum. Bei konkreter Analyse der gesellschaftlichen Zustände und der politischen Möglichkeiten, kann auf Bundesebene zur weitgehenden Ablehnung der Ampelkoalition führen, aber in der Mannheimer Kommunalpolitik zu einer Zusammenarbeit von Grün/Rot/Rot.
Das Rumgeeiere um eine Wahlempfehlung
Das meines Erachtens unwürdige Rumgeeiere für eine Wahlempfehlung von Torsten Riehle im zweiten Wahlgang seitens GRÜNE und LINKE/LI.PAR.Tie hat sicherlich den Ausgang der OB-Wahl mitbeeinflusst. Dass OB Kandidat Fojkar und Teile der GRÜNEN sogar mit einer Wahlempfehlung pro Specht liebäugelten, sagt schon vieles aus. Jahrzehntelange Zusammenarbeit mit der CDU im Ländle hinterlässt offensichtlich seine Spuren. Mit der dann kurzfristigen Wahlempfehlung pro Riehle ist den Grünen die größte Peinlichkeit erspart geblieben.
Nicht besser ist die das Verhalten von LINKE/LI.PAR.Tie. Nur für eingeweihte Kreisen möge der Wahlaufruf, Specht nicht zu wählen ohne eine explizite Wahlempfehlung pro Riehle nachvollziehbar sein. Zur Klarheit und Glaubwürdigkeit trägt dieses Verhalten auf jeden Fall nicht bei.
Wie weiter?
Viele können es nun erahnen. Mit einem OB Specht wird es für eine soziale und fortschrittliche Politik in Mannheim noch schwerer. Zur Haushaltsberatung der Stadt Mannheim hat Dennis Ulas festgehalten: „Die Zustimmung hierzu war von keiner breiten Mehrheit getragen, sondern lediglich der grün-rot-roten Mehrheit. Die anderen vier Fraktionen stimmten dagegen (`grün-rot-rote Klientelpolitik´, `Haushalt voller grün-rot-roter Ideologie´, `grün-rot-rotes Wunschkonzert ´usw.“). (KIM 22.12.2022).
Die Aufgaben kommunaler Politik in Mannheim sind geblieben. Eine Mehrheit für soziale und linke Politik dürfte mit dem neuen OB nicht leichter geworden sein.
Roland Schuster