„Republik Haifa“ – eine Israel-Utopie
Wie geht es eigentlich der israelischen Partnerstadt von Mannheim, Haifa, nach dem 7. Oktober 2023?
Mit Haifa besteht seit 2005 ein Freundschafts- und seit 2009 ein Partnerschaftsvertrag. Auch Bremen, Mainz, Düsseldorf und Erfurt haben zwischen 1978 und 2005 solche Verträge mit Haifa geschlossen. Zwischen 3 Mannheimer Schulen, mehreren Kultureinrichtungen, dem DGB und beispielsweise dem Klinikum gab es seither, teilweise schon seit 1984 mehr oder weniger intensive Beziehungen mit entsprechenden Einrichtungen in Haifa.
Eine wichtige Rolle bei der Begründung der Städtepartnerschaft spielte eine Besonderheit der im Norden gelegenen drittgrößten Stadt Israels: In dieser Hafen- und Industriestadt bzw. in ihrer Region leben neben der überwiegend natürlich eingewanderten jüdischen Bevölkerung 10% bzw. 52% arabische Israelis, von denen 71% muslimischen Glaubens sind, der Rest arabische Christen. Ferner leben Drusen in der Stadt und Anhänger:innen der neuen Weltreligion Bahai, deren zentrales Heiligtum am Abhang des Karmelgebirges über der Stadt angesiedelt ist. (Angaben aus Wikipedia).
Das Zusammenleben der unterschiedlichen Ethnien und Religionen wird als friedlich und einvernehmlich geschildert, kleinere Konflikte nicht ausgeschlossen. Dieser Charakter einer multiethnischen Einwandererstadt deckt sich mit der Einwanderungsstadt Mannheim – eine gute Basis für eine Städtepartnerschaft. Ob und wie diese Stärke der Stadt Haifa das terroristische Massaker der Hamas am 7. Oktober überstanden hat, soll in einem zweiten Teil dieses Artikels anhand öffentlicher Quellen versucht werden zu erahnen.
Die Sackgasse
Zunächst geht es um Überlegungen, wie die sich zuspitzende Situation in Israel / Palästina und insgesamt im Nahen Osten jemals in einen dauerhaft friedlichen Zustand kommen kann, ohne dass Zehntausende weiterer Tote und immer neue Gewaltspiralen zu beklagen sind und eben doch kein Friede entsteht. Diese Überlegungen haben durchaus etwas mit Haifa zu tun.
Der in Haifa 1979 geborene israelisch-deutsche Philosoph Omri Boehm hat hierzu in seinem Buch „Israel – eine Utopie“ 2020 grundlegende Überlegungen angestellt, die er auf die Kurzformel „Republik Haifa“ bringt.
Boehm studierte in Tel Aviv und Yale University, lebte eine Zeit in München und jetzt in New York. Er hat die deutsche und israelische Staatsangehörigkeit. Er leistete seinen Wehrdienst beim Geheimdienst Shin Bet.[Für das 2022 in deutscher Übersetzung erschienene Buch Radikaler Universalismus. Jenseits von Identität. Universalismus als rettende Alternative erhielt er 2024 den Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung.
In „Israel – eine Utopie“ befasst er sich mit der Zweistaatenlösung, Jitzchak Rabins „Osloer Vermächtnis“. Sie sei „systematisch hintertrieben worden. Als 1993 das erste Osloer Abkommen unterzeichnet wurde, lebten rund 110.000 Siedler im Westjordanland und weiter 146.000 in besetzten Gebieten rund um Jerusalem. Diese Zahlen sind inzwischen auf etwa 400.000 Siedler im Westjordanland und 300.000 im Raum Jerusalem gestiegen: Größenordnungen, die sich nicht mehr rückgängig machen lassen.“ (S. 31) Auch seien die jüdischen Siedlungen auf palästinensischem Gebiet keineswegs so angelegt, dass man sie durch kleine Grenzkorrekturen geografisch dem Staat Israel zuordnen könne. Tatsächlich hat sich seit 2020 Netanjahus Siedlungspolitik noch massiv verstärkt, verbunden mit dem „Recht auf Annexion“ der Westbanks, wie es im neuen Nationalstaatsgesetz offiziell zur israelischen Staatsdoktrin erhoben wurde. Außerdem legt dies Gesetz fest, dass das Recht auf Selbstbestimmung, welches in der Unabhängigkeitserklärung 1948 potenziell auch den Palästinensern zuerkannt wurde, „einzig für das jüdische Volk“ gelte.
„Nicht umsonst haben in den vergangenen Jahren einige rechte Abgeordnete von einem politischen Plan zu sprechen begonnen, den man als ‚Apartheit‘ mit menschlichem Antlitz“ bezeichnen könnte. Ihre Idee, die inzwischen vom Zentralkomitee des Likud befürwortet wird, besteht darin, das Westjordanland zu annektieren und der Gesetzgebung Israels statt seines Militärregimes zu unterwerfen, ohne den Palästinensern jedoch ein Wahlrecht oder die Staatsbürgerschaft einzuräumen.“ Das Vorbild dafür sei Jerusalem, wo im 1967 annektierten Ostteil die Palästinenser nur noch „Bewohner“, nicht „Staatsbürger“ seien. Avigdor Liebermann, ehemaliger Verteidigungs- und Außenminister, trete offen für ethische Säuberung durch Ausbürgerung ein. Liebermann gelte heute als größte Hoffnung der israelischen Mitte um Netanjahu abzulösen. „Bezalel Smotrich, Vorsitzender der religiös-zionistischen Partei Tkuma, sagte kürzlich gegenüber Israels größter Tageszeitung Israel Ha Yom: ‚ Lasst uns den Gazastreifen von mir aus verrotten, lasst sie an Hunger, Durst und Malaria sterben‘. Eine solche Politik solle vom ‚Öffnen von Gazas Toren für eine massive Auswanderung‘ begleitet werden“ (S. 38; Zitat von März 2019).
Boehm wirft der israelischen und weltweiten Linken vor, an der längst untergegangenen Zweistaatslösung und der Idee des „Liberalen Zionismus – jüdisch und demokratisch“ festzuhalten, die inzwischen zur leeren Phrase verkommen sei, „während das Überleben des Landes von neuen Ideen abhängt“. Dem Festhalten der liberalen zionistischen Intellektuellen an der Legitimität einer „ethnisch-demografischen jüdischen Politik im 21. Jahrhundert“ fehle der Mut, „uns einen Umbau des Landes vorzustellen: vom jüdischen Staat in eine föderale binationale Republik“ (S.44) Das sei keine „Einstaatenlösung“, wie sie sich der liberale Zionismus gerne auch vorstelle: Israel als „Staat des jüdischen Volkes, nicht der seiner Bürgerinnen als solcher.“
Boehm weist darauf hin, dass die Gründerväter des Zionismus trotz größter Streitigkeiten eine differenzierte gemeinsame Vorstellung von Eretz Israel hatten: Sie gingen nicht von nationaler Souveränität des jüdischen Volkes aus sondern von dessen nationaler politischer Selbstbestimmung, von der „autonomen Verwaltung ihres eigenen Lebens und der Wiederbelebung der jüdischen Kultur und Bildung.“ Diese Auffassung teilten Theodor Herzl, Achad Ha’am, Jabotinski und Ben Gurion. Boehm führt den Bruch dieses Konsenses und die Etablierung der Idee eines ethnischen Nationalstaates auf zwei Faktoren zurück: Erstens der Holocaust, der die europäischen Juden davon überzeugte, dass jüdisches Überleben von jüdischer Souveränität abhing, mit eigenem Militärwesen. „Der zweite Faktor (…) war die Idee einer Umsiedlung der Palästinenser – das heißt einer ethnischen Säuberung -, die die britische Peel-Kommission 1936 zum ersten Mal als eine praktikable Möglichkeit ins Spiel gebracht hatte.“ Diese Idee habe sich schlagartig rasch verbreitet, „zumal sich die Lage des europäischen Judentums verschlimmerte und erste Nachrichten einer systematischen Auslöschung eintrafen. Dieses Denken verwirklichte und konkretisierte sich in den Ereignissen der Nakba.“ (S. 50f)
„Der Holocaust und die Nakba sind somit nichts anderes als die Hauptsäulen des zionistischen Denkens, wie wir es kennen gelernt haben – des Grundsatzes, dass es dem Zionismus wesentlich um die jüdische Souveränität geht und dass insofern eine jüdische demografische Überlegenheit um jeden Preis gewahrt werden muss. (…) Es ist Zeit für die Einsicht, dass dieser vermeintliche zionistische Grundsatz überhaupt kein zionistischer Grundsatz ist und dass weiteres Festhalten an ihm zur Zerstörung Israels und zur Vertreibung von Palästinensern führen wird.“ (S. 51)
In seinem letzten Kapitel malt Boehm seine Utopie der „Republik Haifa“ aus, nicht ohne zuvor auf 180 Seiten eine ausführliche Darstellung der israelischen Diskurse über die Funktionsweise des „jüdischen Staates“, und der Vorstellungen der ultranationalistischen, religiös extremen Orthodoxen und Faschisten darzubieten. Besonders interessant ist sein ausführlicher Bericht über den „Begin-Plan“ von 1977 (S. 205ff), der – man sollt es nicht glauben – im Grunde genau die Idee der binationalen Föderation auf der Grundlage der Geleichberechtigung aller Bürgerinnen und Bürger entwickelte und der sogar die Knesseth erfolgreich passierte, um dann in Vergessenheit zu geraten. Der Plan verdankte sich einer Aufforderung von US-Präsident Jimmy Carter und Ägyptens Präsident Anwar as-Sadat, „als Teil der Friedensregelung mit Ägypten auch den Palästinensern ein Angebot zu machen“. Der Vision einer „Republik Hafa“ legt Boehm eine Weiterentwicklung des Begin-Plans zugrunde.
Vision der Republik Haifa
„Nennen wir diese binationale Vision die Republik Haifa. Viel zu lange wurde Haifas Strahlkraft als Symbol für Israels Zukunft von Jerusalem und Tel Aviv als den beiden konkurrierenden Modellen des Landes überschattet. Jerusalem ist ein Symbol für jüdische Sehnsucht und eine heilige Stadt für die drei monotheistischen Weltreligionen, aber auch ein Götzenbild im schlechtesten Sinn des Wortes, das nationalistische und religiöse Fundamentalisten auf allen Seiten anbeten. Tel Aviv ist eine Hauptstadt der hebräischen Republik: Eine vibrierende, liberale, säkulare Strandstadt, aber auch, wie Jerusalem, ein fetischisiertes, trügerisches goldenes Kalb: Ein Bild davon, wie ein modernes, säkulares jüdische Leben vielleicht aussähe wenn die Juden nur unter sich bleiben könnten.
Haifa steht für ein anderes Modell. Und dem ersten Anschein zum Trotz ist es ein ambitionierteres und aufregenderes Modell: In Haifa, nicht in Jerusalem oder Tel Aviv kann man einen ersten Eindruck von einem wahrhaft utopischen Experiment bekommen, einen Vorgeschmack darauf, wie eine palästinensisch-jüdische Zusammenarbeit eins Tages aussehen könnte. Es sind die Krankenhäuser in Haifa, darunter einige der besten des Landes, in denen arabische und jüdische Ärzte gemeinsam die stark gemischte Bevölkerung des Nordens behandeln – arabische und jüdische Patienten liegen hier Seit an Seite. Es ist die Universität Haifa, an der sich besser als an jeder anderen Universität Israels der Aufbau einer binationalen, zweisprachigen Forschungs- und Hochschullandschaft vorstellen ließe, und es ist Haifa, wo mit Al-Midan ein arabischsprachiges israelisches Theater betrieben wird. Am wichtigsten aber sind wohl die arabischen Cafés auf der Masada-Straße (in einem jüdischen Teil der Stadt), in denen das wahre Potenzial einer kosmopolitischen anstatt jüdischen Stadt zu spüren ist, wo Nachbarn, Araber und Juden, wie selbstverständlich die Liebe, das Leben und das Gespräch miteinander teilen, wie in einer normalen Freundschaft. (…)
Noch aus einem andern Grund ist Haifa von Bedeutung. (…) Der Hafen der Stadt ist eins der wichtigsten Tore, durch die die ma’apilism nach Palästina kamen – die heimlichen jüdischen Flüchtlinge, die Europa auf überfüllten Schiffen entkamen und unter britischer Aufsicht nach Palästina geschmuggelt wurden. Gleichzeitig symbolisiert Haifa einen der traumatischsten Momente der Nakba, als die Einwohner in Scharen zum Hafen flüchteten und die Stadt auf Schiffen verließen; ein Schlüsselmoment im Zusammenbruch der Palästinensischen Gesellschaft Palästinas. (…) Die Stadt eignet sich gut, um die politische Kunst des Vergessens – das heißt des gemeinsamen Erinnerns – sowohl des Holocausts als auch der Nakba zu erkunden.“(S. 220ff)
Hat der aktuelle Krieg etwas von „Haifa“ übrig gelassen?
20.01.24. (Al Jazeera). „Weigert euch zu kämpfen“: Jüdische, arabische Aktivisten fordern Frieden im israelischen Haifa.
„Die Menschen halten Plakate und rufen Slogans, während sie an einem Protest teilnehmen, der für einen Waffenstillstand und die Freilassung der israelischen Gefangenen in Gaza am Samstag abgehalten wird. Dies ist das erste Mal, dass wir diesen Protest im Norden erleben”, sagte Stefanie Dekker von Al Jazeera am Samstag in ihrem Bericht aus Haifa. „Es ist ein Protest mit israelischen Juden und palästinensischen Israelis, und es ist wichtig, weil die beiden zusammenkommen. “Die Botschaft hier ist, den Krieg zu beenden und dass sie nur friedlich Seite an Seite mit einer politischen Lösung für die Palästinenser leben können”, sagte sie.
Omri Evron, ein Mitglied der Kommunistischen Partei Israels, der an der Organisation des Antikriegsprotestes beteiligt war, sprach mit Al Jazeera über die Botschaft, die die Demonstranten vermitteln wollten. “Die Tötung von Tausenden und Abertausenden von Palästinensern, von denen die überwiegende Mehrheit unschuldige Zivilisten sind, ist nicht nur verwerflich, sie dient nicht der Sicherheit des Volkes Israel. Es bringt uns keine Sicherheit, es sorgt nur für das nächste Massaker, den nächsten Zyklus der Gewalt”, sagte er.
Evron gab zu, dass es Schwierigkeiten gab, einen solchen Protest zu organisieren. “Es war schwierig, nicht weil es keine Juden und Araber gibt, die zusammenkommen wollen, die an eine gemeinsame Zukunft von Frieden und Gleichheit und nationaler Befreiung beider Völker in zwei Staaten glauben”, erklärte er. Es war schwierig, weil die Regierung und insbesondere die Polizei alles in ihrer Macht Stehende getan haben, um zu verhindern, dass wir zusammenkommen, um zu verhindern, dass wir eine rechtmäßige und friedliche Stimme erheben. Wir mussten beim Obersten Gerichtshof Berufung einlegen, nur damit wir zusammenkommen und demonstrieren konnten.”
07.04.24. Haifas religiöse Führer treffen sich für ein multireligiöses Zusammenleben.(https://www.israel21c.org/haifas-religious-leaders-meet-for-multi-faith-coexistence/).
„Die 16 Führer gründeten auch ein Komitee, um einen respektvollen Dialog und eine gute Nachbarschaft in der Stadt zu fördern.”
Haifas Führer des jüdischen, christlichen, muslimischen und drusischen Glaubens riefen kürzlich zur Koexistenz in der nordisraelischen Stadt auf, inmitten der Spannungen, die durch den Krieg in Gaza ausgelöst wurden. In einer schriftlichen Erklärung haben 16 Führer ein Komitee eingesetzt, das sich dafür einsetzt, den Dialog und die gute Nachbarschaft in der Stadt proaktiv zu fördern. „In dieser schwierigen und angespannten Zeit sahen wir große Bedeutung darin, zusammenzukommen, um über die Religion des anderen zu lernen und ein respektvolles Gefüge des Lebens in unserer Stadt aufrechtzuerhalten”, schrieben die Führer.“
07.01.24 (NYTimes) Krieg bringt Spannungen und Sturmgewehre in ein israelisches College
„An der Universität von Haifa sind mehr als 40 Prozent der Studenten Araber, einige mit Familie in Gaza, und viele andere wurden jetzt als Soldaten einberufen
Zum ersten Mal seit Ausbruch des Krieges haben jüdische Studenten, von denen einige die letzten Monate in Gaza gekämpft oder Freunde und Familie bei dem von der Hamas ausgeführten Angriff am 7. Oktober verloren hatten, mit arabischen Studenten Schulter an Schulter gesessen. Und einige dieser arabischen Studenten hatten in Gaza getötete Verwandte oder waren wegen ihrer Ansichten zum Krieg ins Visier genommen und in den sozialen Medien zum Schweigen gebracht worden.
Während die Kämpfe in Gaza fast 100 Meilen von der Universität entfernt sind, sind die Gedanken an den Krieg unausweichlich. Etwa 1.500 Militärreservisten besuchen die Universität von Haifa, und solange sie einberufen sind, sind die Studenten-Soldaten verpflichtet, ihre Waffen jederzeit bei sich zu halten. Infolgedessen bringen die neu bewaffneten Studenten halbautomatische Gewehre in den Unterricht.
Wir tun alles, um mit unseren Studenten in Kontakt zu bleiben und die Ängste der Menschen zu zerstreuen”, sagte Ron Robin, der Präsident der Universität. Dazu gehörten Fokusgruppen, die die Gefühle der Studierenden vor Semesterbeginn erfassen sollten; arabische und jüdische Professoren sprachen mit Studenten und untereinander über die Bedeutung von Vielfalt und Integration; und es gab viele weitere Treffen über Zoom.
„Arabische Studenten denken, wenn ich über ein totes Baby in Gaza in meiner Geschichte schreibe, werden sie meine Studien beenden”, sagte Frau Rashed. Sie glaubt nicht, dass die Universität so drakonisch sein will, fügte sie hinzu, aber sie ist vorsichtig, Posts über den Krieg in den sozialen Medien zu machen. Frau Rashed sagte, dass sie die Gräueltaten der Hamas am 7. Oktober scharf verurteilte und Israels Notwendigkeit, sich zu verteidigen, verstand. Aber sie kritisiert auch die steigende Zahl der Todesopfer in Gaza, wo nach Angaben der dortigen Gesundheitsbehörden mehr als 22.000 Menschen getötet wurden.
08.01.24. (youtube) Prof. Mouna Maroun Phd, Vizepräsidentin für Forschung und Entwicklung
„Ich habe fast mein halbes Leben an der Universität von Haifa zugebracht. Die Universität von Haifa ist mein zweite Zuhause. Manchmal frage ich mich, ob es mein erstes oder zweites Zuhause ist. Sie ist mein Arbeitsplatz. Ich kam voran, ich habe mich entwickelt. Ich habe die höchste Stufe erreicht. Aber vor allem habe ich mich nicht einfach vorangebracht, akademisch und sozial – die besten Freunde, die fand ich in den Korridoren der Universität. Es sind Simone und Irit, die beide jüdische Kolleginnen sind. Sie sind meine besten Freundinnen, wir arbeiteten in den Labs zusammen, machten unsere Abschlüsse, und entwickelten eine sehr persönliche Freundschaft. Wenn ich heute mein Labor betrachte, wenn ich unsere Labors betrachte in der Fakultät für Naturwissenschaften, und ich sehe Studenten und Studentinnen, Mili (ein jüdischer Student, Asil (ein arabischer Student), und Amit, Balkis, Evelin – Araber und Jüdinnen, dann denke ich mir: Hier, der Kreis öffnet sich und geht immer weiter und schließt sich nicht, weil sie alle die selben Freundschaften schließen werden und die selben Verbindungen. Ich entwickelte mich mit Simone und Irit. Am Ende ist die Universität Haifa nicht nur ein Hebel zu höherer Bildung, sie ist nicht nur ein Platz, der uns erlaubt, akademisch und in der Forschung voranzukommen. Sie schafft das menschliche Mosaik der israelischen Gesellschaft. Und die gleichen Verbindungen, wir, Araber und Juden, werden an der Universität und in der israelischen Gesellschaft, wie ich es nenne, wie Salz und Pfeffer. Wenn wir sie aufs Essen streuen, kannst du nicht mehr das Salz vom Pfeffer trennen, und das ist es, was den besten Geschmack macht und die großartigste Vielfalt der Geschmäcker. Und das Gleiche gilt für unsere Freundschaften zwischen Arabern und Juden.“
Thomas Trüper.
(Die aktuellen Texte aus und über Haifa in eigener Übersetzung aus dem Englischen.
Das besprochene Buch: Omri Boehm: Israel – Eine Utopie. Propyläen. 2020. 3. Auflage 2023. 256 Seiten.) Empfehlung für ein aktuelles Interview mit dem Autor, in dem er sich auch mit dem Massaker vom 7.10.23 auseinandersetzt zum Thema „Kontextualisierung“: Omri Boehm, wie ohne Hass über Israel & Palästina sprechen? | Sternstunde Philosophie | SRF Kultur 02.11.2023, https://www.youtube.com/watch?v=kd3Z3OFrBGY