Islamismus trifft auf Rassismus: Messeranschlag mit mehreren Verletzten in Mannheim
Am Freitag, 31. Mai 2024 kam es zu einem brutalen Messerangriff auf eine Kundgebung der rechtspopulistischen, islamfeindlichen „Bürgerbewegung Pax Europa“. Mehrere Menschen wurden durch den Messerangriff teils schwer verletzt, darunter 5 Teilnehmer*innen der rechten Kundgebung und ein Polizist. Der Angreifer konnte durch den Schuss eines Polizisten gestoppt werden. Die Verletzten kamen in Krankenhäuser und mussten teils notoperiert werden. Besonders dramatisch ist die Situation des Polizisten, der sich – Stand Samstag – noch immer in Lebensgefahr befindet.
Mutmaßlich islamistische Motivation
Obwohl die Hintergründe des Anschlags laut Polizei noch unklar sind, gilt ein islamistisches Motiv als wahrscheinlich. Zu dieser Einschätzung kommt auch SWR Terrorismusexperte Holger Schmidt.
Die „Bürgerbewegung Pax Europa“ (kurz: BPE) provoziert mit ihren islamfeindlichen Veranstaltungen streng gläubige Muslime. Immer wieder gab es in der Vergangenheit Drohungen und Angriffe. Insbesondere aus der islamistischen und salafistischen Szene ist auch Gewalt zu erwarten. Daher ist eine islamistisch motivierte Gewalttat in diesem Fall das wahrscheinliche Motiv.
Beim Angreifer soll es sich nach Medienberichten um einen 25 jährigen Mann aus Heppenheim handeln, der 2013 von Afghanistan nach Deutschland kam. Bislang sei er aufgrund der Schussverletzung nicht vernehmungsfähig, teilte die Polizei am Samstag mit.
Wer ist die „Bürgerbewegung Pax Europa“ um Michael Stürzenberger?
Die BPE ist ein Verein um den bayerischen Rechtspopulisten Michael Stürzenberger mit einem einzigen Thema: Islam. Der Verein tourt seit Jahren mit islamfeindlichen Kundgebungen durch die Republik und nutzt drastische Worte und Symbolik zur Provokation.
Die BPE ist kein religionskritischer Verein. Während er dem Islam feindlich gegenüber steht, hat er für Europa die Vorstellung einer homogenen „christlich-abendländlichen“ Gesellschaft. In diesem Sinne trennen sie nicht zwischen politischem Islamismus und modernen oder liberalen Formen islamischer Religion. In populistischer Art und Weise machen sie alle Muslime für Gewalt und Terror islamistischer Gruppen verantwortlich.
Typisch für Veranstaltungen der BPE sind Provokationen gegen vermeintliche Muslime oder politische Gegner*innen, die teils auf der Straße per Lautsprecher direkt angesprochen und live ins Internet gestreamt werden.
Mit dieser Politik haben sie in der rechten Szene viel Anerkennung gefunden. Stürzenberger war unter anderem bei Pegida-Demonstrationen ein gefeierter Redner.
Reaktionen und politische Folgen
Während sich die Stadt Mannheim im Schock befindet, mobilisieren AfD und zahlreiche weitere rechte Organisationen zu Protestveranstaltungen, Motto „Remigration hätte diese Tat verhindert“ (Zitat Junge Alternative). Damit nehmen sie pauschal alle Menschen mit Migrationsgeschichte und muslimischen Glauben in die Verantwortung für diese Tat.
Für die AfD kommt der Anschlag zu einer günstigen Zeit, eine Woche vor wichtigen Wahlen. Nachdem sie mit Skandalen um ihren Spitzenkandidaten Krah zunehmend in die Defensive geriet, kann sie nun mit rassistischen Mobilisierungen wieder in die Offensive kommen und den Diskurs mitbestimmen.
Für Sonntag 2. Juni hat die AfD-Jugendorganisation Junge Alternative eine Mahnwache für „Remigration“ um 15 Uhr auf dem Marktplatz angemeldet. Für kommenden Freitag 7. Juni um 18 Uhr ruft die AfD bundesweit zur Großdemonstration in Mannheim auf. Änderungen bei Zeit und Ort und weitere Veranstaltungen sind möglich.
Rechter Rassismus vs. Islamistischer Fanatismus – welchen Umgang muss die Linke finden?
Bei der Messerattacke am 31. Mai wurden rechtspopulistische Aktivist*innen von einem mutmaßlichen Islamisten verletzt. Als Zyniker könnte man sagen: Sollen sich die Rassisten und religiösen Fanatiker doch gegenseitig bekämpfen. Doch die gesellschaftlichen Auswirkungen sind fatal und nicht zuletzt hat ein unbeteiligter Polizist die schwersten Verletzungen davon getragen. Als Linke kann man deshalb nicht schweigen.
Es muss herausgestellt werden, welche Ideologien sich in diesem Konflikt entgegen stehen. Die rechtspopulistische und rassistische Ideologie will eine homogene deutsche Gesellschaft ohne in ihrem Sinne fremde Elemente – hier die muslimische Religion. Islamistische Fanatiker wollen ebenfalls eine homogene Gesellschaft, in der sich alle den Regeln ihrer Scharia unterwerfen müssen. Beide Ideologien setzen auf Gewalt. Auch wenn die Opfer diesmal die Rechten waren, gibt es viele Fälle brutaler rechter Gewalt, wie den Mord eines Nazis am CDU Politiker Walter Lübcke oder den rassistischen Anschlag eines AfD Anhängers in Hanau mit neun Toten. Außerdem sollte man Bedenken, dass – global gesehen – die meisten Opfer islamistischer Gewalt selbst Muslime sind, die nicht der „richtigen“ Glaubensrichtung angehören. Probleme kann man nicht einfach abschieben, Probleme muss man lösen.
Der gewalttätigen Ideologie der homogenen Gesellschaft muss die Linke die Idee einer friedlichen und vielfältigen Gesellschaft entgegen stellen – eine Gesellschaft in der es akzeptiert ist, anders zu sein. Herkunft, Kultur, Religion oder Identität dürfen für niemandem zum Nachteil werden. Toleranz muss dort enden, wo Menschenrechte verletzt werden. Das ist bei islamistischer Ideologie der Fall, die anderen die Gesetze ihrer Religion aufzwingen will – genauso bei rassistischer Ideologie, die ihre Vorstellung einer homogenen deutschen Gesellschaft mit Gewalt und Deportationen durchsetzen will. (cki)
Siehe auch: Stellungnahme von Die Linke und Tierschutzpartei