Interview mit Florian Gutsche, Vorsitzender der VVN-BdA und Redner des diesjährigen Lechleitergedenkens
Die Mannheimer Kreisvereinigung der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes-Bund der Antifaschist*innen(VVN-BdA) hat den Co-Bundesvorsitzenden Florian Gutsche nach Mannheim eingeladen, um bei der Eröffnung des „VVN Erzählcafés“ am Sa. 14.9. und bei der Gedenkveranstaltung zum Arbeiterwiderstand am So. 15.9. am Georg-Lechleiter-Platz zu sprechen.
Florian Gutsche hat seine Teilnahme zugesagt.
Kommunalinfo Mannheim hat Herrn Gutsche ein paar Fragen gestellt.
KIM:
Herr Gutsche, Sie sind beim 8. Bundeskongress der VVN am 1./2. Juni 2024 in Halle/Saale erneut zum Bundesvorsitzenden gewählt worden. Welche Ziele wollen Sie in den nächsten Jahren mit der VVN-Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten erreichen, gerade wo die Rechtsentwicklung immer weiter voranschreitet?
Florian Gutsche:
Einerseits ist da das Verbot der AfD. Denn diese Partei ist eine Bedrohung für sehr viele Menschen. Die AfD spricht anderen Menschen gezielt ihre Würde ab, sie will die demokratischen Standards, die bereits hart erkämpft werden mussten, wieder abschaffen. Damit verstößt sie nicht nur gegen den 1. Artikel des Grundgesetzes, sondern sie befeuert ein gesellschaftliches Klima, in der Neonazis und Rassisten gewaltvoll gegen Menschen vorgehen, ohne dafür ernsthafte Konsequenzen fürchten zu müssen. Den Tätern wird im Gegenteil auch noch Wohlwollen entgegengebracht.
Unsere Überzeugung ist es, dass mit einem AfD-Verbot die anderen Parteien in diesem Land ihre falsche Politik beenden, die darin besteht inhaltlich die Positionen der AfD zu übernehmen und bereits heute Politik im Sinne dieser in Teilen klar faschistischen Partei zu betreiben. Denn der AfD ist es gelungen, Rassismus und Sozialchauvinismus im gesellschaftlichen und politischen Diskurs zu verankern. Die Forderungen nach einer weiteren Kürzung des Existenzminimums, dem Bürgergeld, belegen das. Zugleich ist die AfD in ihrer Programmatik und beim Personal die militaristischste Partei im Deutschen Bundestag.
Das bringt mich dann noch zu einem anderen Punkt und zwar, dass wir natürlich auch der um sich greifenden Militarisierung und dem Geschichtsrevisionismus etwas entgegensetzen müssen. Mir ist es jedenfalls bis heute vollkommen unbegreiflich, warum Soldaten in Uniform kostenlos bahnfahren dürfen und Krankenschwestern nicht.
KIM:
Steht die VVN nicht vor großen Herausforderungen? Wir denken zum einen an die Meinungsvielfalt innerhalb der Vereinigung, an die Kampagne „Verbot der AfD“ und an die Friedensthematik, so die Beendigung des Krieges in der Ukraine und im Gaza, aber auch die Verhinderung einer neuen Raketenstationierung auf deutschem Boden.
Florian Gutsche:
Natürlich steht die VVN-BdA vor großen Herausforderungen, aber wann tat sie das nicht? Zweifelsfrei hat das Mitgliederwachstum der vergangenen Jahre dazu geführt, dass die Meinungsvielfalt in der Organisation größer geworden ist, denn es sind eindeutig Personen aus gesellschaftlichen Gruppen hinzugekommen, die vorher nicht bei uns waren. Das ist schön, führt naturgemäß aber auch zu mehr Reibereien. Ich denke, wir müssen deshalb zu einer Kultur kommen, in der klar ist, dass es in vielen Fragen keine einheitliche Meinung gibt und das auch aushalten. Es hilft nichts, wenn bestimmte Dinge immer wieder aufgegriffen werden, obwohl klar ist, dass kein Konsens hergestellt werden kann.
Was für alle Mitglieder in der VVN-BdA gilt und gelten sollte, ist der Kampf gegen Neonazis, Rechte Verschwörungsideologen und die AfD, sowie der dringende Wunsch, dass die Kriege und Konflikte auf diesem Planeten ein sofortiges Ende haben. Die Menschen in Gaza haben genauso genug gelitten, wie die Geiseln der Hamas oder die Menschen in den zerbombten Städten der Ukraine und anderswo.
Leider sieht es momentan jedoch nicht so aus, als ob auf internationaler Ebene das Wort und die Diplomatie dem Schwert vorgezogen werden würde. Als VVN-BdA können wir in Deutschland jedoch unseren Beitrag leisten, indem wir dem Rüstungsprogramm der Bundesregierung eine klare Absage erteilen, welches nur auf Kosten des Sozialen und der Kultur möglich ist. Mir gefällt deshalb auch die Gewerkschaftsdemo am 12. Oktober in München, die deutlich macht, dass diese Rüstungspolitik der Bundesregierung in den Sozialabbau führt.
KIM:
Kann die VVN in all diesen zentralen Fragen Impulse für breite Bewegungen geben und wo möchte die VVN ihre Bündniskontakte dafür nutzen?
Florian Gutsche:
Ich denke wir setzen bereits Impulse. Beispielsweise waren wir maßgeblich bei den Protesten gegen den AfD Bundesparteitag in Essen involviert und sind auch eine der treibenden Kräfte bei der Kampagne zum AfD Verbot. Dort haben wir uns mit anderen Organisationen zusammengeschlossen und die Kampagne „AfD-Verbot Jetzt“ (https://afd-verbot.jetzt/de) gegründet. Außerdem ist Aufstehen gegen Rassismus zu einer sehr breiten Kampagne geworden, ohne unseren Einsatz und unser Rückgrat gäbe es diese schon lange nicht mehr.
Auch in unserem antimilitaristischen Engagement ist es nicht so, dass wir alleine sind. Wir haben uns vor zwei Jahren mit Organisationen wie der DFG-VK oder dem Bund für Soziale Verteidigung im Bündnis Stoppt das Töten zusammengeschlossen, um geeint gemeinsame Positionen für verschiedene Organisationen der Friedensbewegung zu finden und der Tendenz unterkomplexer Darstellungen internationaler Konflikte etwas entgegenzusetzen.
KIM:
In diesem Jahr hat die antifaschistische Protestbewegung eine breite Mobilisierung gezeigt, trotzdem konnte die AfD ihren parlamentarischen Einfluss ausbauen. Wie kann dieser Widerspruch zukünftig besser gelöst werden. Also Stärkung der Bewegung gegen rechts und Verbot der AfD und Zurückdrängung des Einflusses der AfD?
Das Verbot der AfD kann nur ein Baustein sein und sicherlich kein Allheilmittel. Die AfD ist nicht nur ein politische Problem sondern auch eins der Kultur. Wir müssen es zusammen mit anderen schaffen eine antifaschistische Kultur wieder nach vorne zu bringen, die kritisches Denken in befördert. Ein wichtiger Bestandteil dessen ist die Erinnerungs- und Gedenkarbeit der VVN-BdA auf lokaler Basis und deshalb freue ich mich beim Gedenken an die Lechleiter Gruppe dabei sein zu können.
Herr Gutsche wir danken für dieses Interview und wünschen Ihnen einen guten Aufenthalt in Mannheim, wo der Arbeiterwiderstand seinen festen Platz hat.