Podiumsdiskussion in Heidelberg zur Zukunft von selbstverwalteten Wohnprojekten
Am 28. November fand die Podiumsdiskussion „Die Zukunft von selbstverwalteten Wohnprojekten in Heidelberg“ veranstaltet vom Hausprojekt paraSol im Collegium Academicum in Heidelberg statt. Mitglieder aus verschiedenen Fraktionen des Gemeinderats der Stadt Heidelberg und interessierte Bürgerinnen und Bürger waren eingeladen, Fragen und Impulse einzubringen. Die Aula des Collegium Academicum im Süden Heidelbergs war gut gefüllt mit sehr interessiertem und gut informiertem Publikum. Unter den Gästen waren auch einige Lokalpolitikerinnen und Lokalpolitiker. Auf dem Podium sprachen Vertreterinnen und Vertreter der Heidelberger Wohnprojekte, Lukas Hesche für das Collegium Academicum, für HageButze Christine Mücksch, sowie für das Hausprojekt paraSol Sebastian Erhard. Ebenso war Dorothee Hildebrandt für das Bündnis Wohnwende geladen, sowie Altstadtrat Bernd Zieger und Stadtrat Leander van Detten, die in Kooperation mit hd_vernetzt einen Antrag zur Unterstützung von Wohnprojekten auf den Weg gebracht haben. Den Verein Frauen helfen Frauen e.V., der im Hausprojekt paraSol seinen neuen Hauptsitz einrichten möchte, vertrat Eva.
Moderatorin Annett Heiß-Ritter vom Bündnis gegen Armut und Ausgrenzung stellte gleich zu Beginn der Veranstaltung klar, dass an diesem Abend auch darum geht, die Dringlichkeit einer viel stärkeren Förderung und Begleitung neuer Wohnprojekte herauszustellen, die heutzutage durch die veränderten Bedingungen bestehen. Nach einer Vorstellungsrunde folgten kurze Impulsvorträge. So konnte sich das Publikum einen Überblick über das Thema und die verschiedenen Wohnprojekte und Organisationsformen verschaffen. Im Anschluss kam es zu einer Diskussionsrunde, in der Fragen aus dem Publikum beantwortet und diskutiert wurden. Um die Bedeutung des Mietshäuser Syndikats bundesweit sowie für die Stadt Heidelberg hervorzuheben, erklärte Mücksch den Anwesenden den Aufbau und die Strukturen des
Verbunds.
Van Detten, Hesche und Mücksch berichteten von den Gemeinschaftserfahrungen in den Projekten und Umgangs miteinander. Gemeinschaftliches Wohnen wirke nicht nur der Vereinsamung entgegen, sondern senkt laut Mücksch auch den Quadratmeterbedarf pro Person. Für das Hausprojekt paraSol übernahm Sebastian Erhard, einer der geschäftsführenden Vorsitzenden der paraSol GmbH das Wort: „Die Erfolge der Wohnprojekte Hagebutze, Konvisionär und des Collegium Academicum mit dauerhaft günstigen Mieten unterstreichen die
Sinnhaftigkeit von Wohnprojekten. Daraus lässt sich die Notwendigkeit zur Verwirklichung weiterer selbstverwalteter Wohnprojekte in Heidelberg ableiten“.
Als Vertreter eines gemeinsamen Antrages zur Förderung von gemeinschaftlichen Wohnprojekten im Gemeinderat waren Bernd Zieger und Leander van Detten anwesend. Van Detten erklärte, wie die Förderung der Stadt aussehen könnte. 30.000 bis max. 50.000€ je nach Größe solle jedes Projekt als Starthilfe bekommen laut der Stadtverwaltung. Schwieriger gestalte sich bislang laut van Detten eine langfristige Unterstützung der Wohnprojekte oder die Gewährung von Bürgschaften. Zieger betonte die Verantwortung der Stadt, eine aktive Bodenpolitik zu betreiben und alternativen Wohnformen Grundstücke günstig zur Verfügung zu stellen.
Erhard ging auf die Herausforderungen in der Umsetzung des Projekts wie allgemein gestiegene Zinsen und Baukosten, Brandschutzauflagen und Anforderungen des Denkmalschutzes ein. Zusätzlich müssen als Auflage durch die Stadt laut Erhard etwa die Hälfte der Flächen durch Gewerbetreibende belegt werden. Des Weiteren ging er auf die vorab entstandenen Kosten ein, die auch durch die für künftige Projekte in Aussicht gestellte Starthilfe – wie im Falle des paraSol-Projekts – nicht hätten abgedeckt werden können.
Der Verein Frauen helfen Frauen e.V. sollte, laut Heiß-Ritter in Heidelberg, einer Stadt, in der günstiger Wohnraum und finanzierbarer Gewerberaum sehr knapp ist, unbedingt in Räumen die sehr gefragt sind, wie z.B. in der Südstadt „einen Fuß in die Tür bekommen“. Der Verein betreut zur Zeit ein Frauenhaus und zwei Beratungsstellen in Heidelberg. Frauen helfen Frauen e.V. möchte gemeinsam mit dem Frauennotruf Teil des Projekts paraSol werden Eva betonte: „Für uns ist es auch ein […] Vorteil, wenn wir Räume mitgestalten können, wenn wir barrierefreie Räume haben können und wenn wir auch Teil von einem solidarischen Hausprojekt sind. Wir erhoffen durch die Nähe von Frauennotruf und FhF auch nochmal viele Synergieeffekte“. Laut Eva steht dem Verein Frauen helfen Frauen e.V. wenig Platz für Büro und Beratungsräume zur Verfügung. Im Moment hat der Verein keine barrierefreien Räume und ist auf Spenden angewiesen. Ebenso sollte die Sichtbarkeit durch die Gesellschaft und Barrierefreiheit für benachteiligte Gruppen mitgedacht werden.
Sebastian Erhard legte dar, wie die kommunale Förderung der gemeinschaftlichen Wohnprojekte aus seiner Sicht im Optimalfall aussehen soll. Ihm zufolge werden bereits viele einschlägige Maßnahmen vom Bündnis Wohnwende gefordert: „Die Stadt sollte mit Wohnraum nicht […] ein Geschäft zu machen versuchen im Sinne von Flächenverkauf an Investoren,[…] sondern sollte Wohnraum als Teil der Daseinsvorsorge auffassen. Und dankbar sein, wenn Strukturen entstehen, die z.T. städtische, kommunale Aufgaben mitübernehmen und lösen. […] Genau das finden wir in diesen selbstverwalteten Strukturen.“ In der Diskussion wurde das Projekt „Marlene 42“ benannt, das ohne kostenintensive Dachsanierung auskommen konnte. Hier wurden Forderungen an die Stadt laut, dem Hausprojekt paraSol entgegenzukommen. Dorothee Hildebrandt vom Bündnis Wohnwende sieht den Gemeinderat politisch in der Verantwortung und erklärte: „Wohnprojekte müssen zur Normalität werden in dieser Stadt.“ Auch Lukas Hesche äußerte, dass sich die Politik mit dem Konzept des Mietshäuser Syndikats mehr auseinandersetzen und die Projektgründung erleichtert werden sollte. „Es kann nichts gemeinwohlorientiertes Entstehen ohne Förderung“, stellte ein Gast aus Mannheim fest.
Bevor Heiß-Ritter die Veranstaltung schloss erklärte sie: „Es ist ganz viel Eigeneinsatz da. Es ist ganz viel Beratung auch über diese Projektarbeit und Vernetzung da. Aber diese Bündelung, die kann letztendlich nur erfolgen, wenn in der Stadtverwaltung eine Priorisierung da ist und Personal zur Verfügung gestellt wird, die über einen langen Zeitraum bezahlt [….] Projekte wirklich […] supporten mit Informationen.“
ParaSol ist ein Hausprojekt in der Heidelberger Südstadt. Das ehemalige Mannschaftsgebäude 13 am Paradeplatz soll im Rahmen des Mietshäuser Syndikats von der Entwicklungsgesellschaft Campbell Baracks mbH erworben werden und als gemischtes Wohn- und Gewerbeobjekt in Selbstverwaltung entwickelt werden. Am 17.12.2024 um 19 Uhr findet eine Benefiz-Lesung in der Hebelhalle statt. Jagoda Marinić wird aus ihrem neuen Buch „Sanfte Radikalität“ zur Unterstützung des Heidelberger Hausprojekts paraSol lesen.
Wohnso e.V.