Kommentar zur Änderung des Grundgesetzes: Freifahrtschein für unbegrenzte Aufrüstung und Militarisierung

Vorneweg: Die Änderungen des Grundgesetzes durch den Bundestag und den Bundesrat halte ich äußerst problematisch. Die Art und Weise des Zustandekommens für skandalös.

Zum Inhalt des Infrastrukturpakets:

Kriegsspiele mit ferngesteuerten Panzern

Für das sogenannte Sondervermögen für Infrastruktur, für Bildung, Verkehr, Klima und Wohnungsbau bekommen Bund, Länder und Kommunen mehr Geld in einer Größenordnung von 500 Milliarden €.

Dies ist im Gegensatz zu den anderen Punkten der Punkt, der noch am ehesten positiv erscheint. Es handelt sich um absolut dringliche Investitionen, die die öffentliche Hand wegen der Schuldenbremse immer weniger tätigen kann. Das sog. Sondervermögen wird über Geldaufnahme auf dem Kreditmarkt besorgt, ist aber nun vom Grundgesetz für diesen Zweck genehmigt.

Die LINKEN im Bundestag haben bemängelt, dass nicht generell die Schuldenbremse aufgehoben worden ist. AfD, FDP und einzelne Stimmen aus der CDU haben umgekehrt neoliberal argumentiert, die Grundgesetzänderung würde gegen die reine Lehre der Schuldenbremse verstoßen bzw. zumindest aufweichen. Aus diesen Lagern kommen die Gegenstimmen. Wie gesagt aus teilweise unterschiedlichen Gründen. Ein Hauptgrund für die Ablehnung war für die LINKE wie übrigens für auch für das damals noch im Bundestag vertretende BSW, das gigantische Aufrüstungsprogramm. Doch dazu später.

Zum skandalösen Verfahren.

Der noch existierende Bundestag, der gerade just abgelöst wird durch den neuen Bundestag auf Grund der Bundestagswahlen vom 23.2.2025, hat eine Verfassungsänderung beschlossen. Die nötige 2/3 Mehrheit wäre im neuen Bundestag auf Grund neuer Mehrheitsverhältnisse schwierig gewesen. Man hätte mit der AfD oder mit der LINKEN sprechen müssen. Das wollten aber CDU/CSU, SPD und Grüne nicht. Der Autor fragt sich, ob es neben einer Brandmauer gegen die AfD nun eine „Brandmauer light“ gegen die LINKE gibt. Ist dieses Verfahren (alter Bundestag beschließt für neue Bundesregierung), das in der Form noch nie angewendet worden ist, legitim? Das Bundesverfassungsgericht hat die Klagen abgewehrt. Wenn diese Verfahren nun seinen rechtlichen Segen erhalten hat, so bleibt es politisch aber doch weiterhin skandalös. Man kann es auch als Trickserei zur Umgehung des Wählerwillens bezeichnen. Dann braucht man sich nicht zu wundern, dass das Vertrauen in Demokratie immer mehr am Bröckeln ist.

Nun zum gigantischen Aufrüstungsprogramm

Wie hoch ist es wirklich, was hat es mit der „Ein Prozent-Grenze“ auf sich? Zunächst einmal ist der Begriff „Verteidigungsausgaben“ erweitert worden. Nun sollen darüber nicht nur die Ausgaben für Verteidigung, sondern auch für Zivil- und Bevölkerungsschutz sowie für die Nachrichtendienste abgewickelt werden. Normalerweise werden die Ausgaben hierfür über den Haushalt finanziert. Sollten die Ausgaben aber oberhalb von einem Prozent des BIP (Bruttoinlandsprodukt)*  liegen, so können die Ausgaben hierfür außerhalb vom Haushalt durch sog. Sondervermögen, d.h. Kreditaufnahme auf dem Finanzmarkt, beschafft werden.

Militarisierung ohne Obergrenze

Das heißt also, es gibt keine Obergrenze für Kreditfinanzierung für Rüstung, Waffenbeschaffung und alles was dazu gehört. Das ist der eigentliche Kern der nun beschlossenen Grundgesetzänderung. Der Militarisierung der Gesellschaft ist damit Tür und Tor geöffnet worden.

Es ist mehr als schade, dass die Länder Bremen und Mecklenburg-Vorpommern im Bundesrat der Grundgesetzänderung zugestimmt haben. In beiden Ländern ist LINKE an der Regierung beteiligt. Und das auch noch ohne Not, die 2/3-Mehrheit wäre auch ohne diese Stimmen im Bundesrat gesichert gewesen. Normalerweise enthalten sich Landesregierungen, wenn kein Konsens besteht. Aber diesen Konsens gibt es nun ja, wie Erklärungen der LINKEN Regierungsteilnehmer zu entnehmen ist. Die Entscheidung sei zwar schwer gefallen, aber die Vorteile aus dem Infrastruktur-Paket seien aber doch zu groß gewesen.

Apropos Vorteile des Infrastruktur-Pakets: Alles was nicht in diesem Paket ist, und das ist eine ganze Menge, wird es in Zukunft ganz schwer haben. Die Problematik wird in den nächsten Monaten und Jahren vom Bund, über die Länder bis zu den Kommunen und jedem einzelnen Menschen herunterbrechen. Da wird nicht mehr viel übrig bleiben. Danke an CDU/CSU, SPD und GRÜNE.

Es gibt auch noch ein paar anständige Grüne. Z.B. den ehemaligen Bundestagsabgeordneten Gerhard Schick, der jetzt der Organisation Finanzwende vorsteht.

Im Interview mit der TAZ vom 25.3.2025 wird davon ausgegangen, dass durch die Grundgesetzänderung eine Schuldenaufnahme von 1.500 Milliarden € in den nächsten 10 Jahren möglich ist. Nach Schick wird dies unweigerlich zu einer erheblichen Zinsbelastung führen und damit inflationäre Entwicklungen auslösen. Konterkarieren könne man das nur durch eine bessere Gerechtigkeits- und Verteilungspolitik. Ansonsten gehen das Vertrauen in Politik und seine Institutionen weiter zurück. „Maßnahmen wie Steuerprivilegien für Superreiche abzuschaffen oder Steuerkriminalität konsequent zu verfolgen, haben das Zeug dazu, neues Vertrauen zu schaffen.”

Sicherlich steht Schick hierfür nicht alleine. Auch die LINKE, trotz Grundgesetz-Desaster, steht hierfür. Bei den etablierten Parteien wird es schwierig. Es bleibt kein anderer Weg als aufzuklären und zu informieren, und um die Menschen und Köpfe, außerhalb aber auch aus der Mitte der Gesellschaft, zu kämpfen. Das bisherige Konzept der Brandmauer, das meistens ziemlich sinn-entleert daher kommt, und sich irgendwie und diffus gegen Rechts wendet, müsste überdacht werden. Wie wäre es denn mal mit einer Brandmauer gegen Hochrüstung und Militarisierung? Oder mit einer Brandmauer für eine gerechte Erbschafts- und Vermögenssteuer?

Roland Schuster

(*) Laut Statistischem Bundesamt beträgt im Jahre 2024  1% vom BIP 43 Mrd. €. Die Gesamtausgaben für alle Bezieher von Bürgergeld incl. Unterstützung für Unterkunft und Heizung betragen für 2024 laut Statista 37 Mrd. Diese Zahlen vermitteln einen Eindruck über die Größenordnung. Interessant an dieser Gegenüberstellung von Rüstungsausgaben und Bürgergeld ist auch, dass die Rüstungsausgaben deutlich wachsen sollen, während das Bürgergeld von der CDU/CSU zur Disposition gestellt wird. Ein Beschluss der Regierung und des Bundetags steht noch aus.