IG BAU: Zu wenig Neubau in Mannheim

Mannheim: Nur 742 Wohnungen im vergangenen Jahr neu gebaut

Mannheim muss vom „Wohnungsbau-Turbo“ profitieren: Einfacher, günstiger und gut bauen

Mehr baggern – mehr bauen: Der „Wohnungsbau-Turbo“, den sich die neue Bundesregierung vorgenommen hat, muss schnell auch in Mannheim ankommen. Das fordert die IG BAU Nordbaden. Für die Bau-Gewerkschaft ist klar: „Es muss jetzt einen ‚Aufschwung Wohnen‘ geben. Und davon müssen auch Mannheim und Baden-Württemberg profitieren“, sagt der Vorsitzende der IG BAU Nordbaden, Wolfgang Kreis. Notwendig seien vor allem Sozialwohnungen und bezahlbare Wohnungen.

In Mannheim sind im vergangenen Jahr nach Angaben der Gewerkschaft 742 Wohnungen neu gebaut worden – 119 davon in Ein- und Zweifamilienhäusern. Insgesamt lagen die veranschlagten Bauwerkskosten für alle Wohngebäude, die 2024 in Mannheim neu entstanden sind, bei rund 83,1 Millionen Euro, so die IG BAU. Die Gewerkschaft beruft sich dabei auf Zahlen des Statistischen Bundesamtes (Destatis). „Jede Wohnung mehr zählt. Es gibt aber auf jeden Fall ‚Luft nach oben‘: Auch Mannheim braucht eine Neubau-Offensive. Ebenso mehr Sanierungen. Vor allem fürs seniorengerechte Wohnen“, so Wolfgang Kreis.

Der Vorsitzende der IG BAU Nordbaden macht deutlich, dass dazu allerdings bei den Kosten „viel passieren“ müsse: „Es wird nur dann mehr gebaut, wenn einfacher und damit günstiger gebaut wird“, sagt Kreis. Immerhin sei es machbar, die reinen Baukosten um ein Viertel bis zu einem Drittel zu senken. Das sei das Ergebnis einer aktuellen Wohnungsbau-Studie vom staatlichen Bauforschungsinstitut ARGE (Kiel), so die IG BAU Nordbaden.

Der Bau habe eine Entbürokratisierung dringend nötig. Ziel müsse es sein, den Neubau schlanker und damit günstiger zu machen: „Runter mit überzogenen Standards und kostentreibenden DIN-Normen – und dadurch rauf mit den Neubau-Zahlen. Denn weniger Bau-Hürden bedeuten mehr neue Wohnungen“, so Wolfgang Kreis. Wer die Kosten ins Visier nehme, müsse auf den „Gebäude-Typ E“ setzen. Das „E“ stehe dabei für einfaches, erleichtertes und effizientes Bauen.

Konkret bedeute das: geringere Stärken bei Decken und Außenwänden. „Damit lässt sich schon Geld sparen. Aber auch Baustoffe und damit Energie, Ressourcen und CO2. Entscheidender Kostentreiber ist allerdings die Technik – also Heizung, Lüftung, Sanitär und Elektro. Von der Haustechnik bis zur Einbauküche gilt: weniger High-End-Produkte. Das macht das Wohnen am Ende wesentlich günstiger“, sagt Kreis.

Außerdem ließen sich durch weniger Pkw-Stellplätze und erst recht durch den Verzicht auf Tiefgaragenplätze enorm Kosten sparen. Die ARGE-Studie warne bei der Analyse der Neubaukosten auch davor, beim Lärm- und Klimaschutz zu überziehen: „Ein Beispiel sind dreifach verglaste Fenster. Die müssen nicht sein“, so Wolfgang Kreis.

Es sei höchste Zeit, das Label „gut & günstig“ an den Wohnungsbau zu kleben. Es sei heute möglich, in guter Qualität deutlich günstiger zu bauen. „Genau darin liegt die Chance, jetzt wieder mehr zu bauen – auch in Mannheim“, sagt Kreis. Schließlich sei es immer noch besser, einfacher zu bauen als gar nicht zu bauen.

Außerdem spare auch der Staat Geld, wenn er die Bauvorschriften herunterfahre: „Sinken die Baukosten, dann sinkt auch die Förderung, die der Staat aufbringen muss, damit überhaupt gebaut wird. So lassen sich unterm Strich mehr Sozialwohnungen und mehr bezahlbare Wohnungen fördern und damit neu bauen“, sagt der Vorsitzende der IG BAU Nordbaden.

Für bundesweit 100.000 Sozialwohnungen, deren Neubau pro Jahr dringend notwendig sei, müssten Bund und Länder mindestens 11 Milliarden Euro an Fördermitteln bereitstellen. Um 60.000 bezahlbare Wohnungen neu zu bauen, seien mindestens 4 Milliarden Euro pro Jahr an Subventionen erforderlich.

Mehr zur Wohnungsbau-Studie, zum „Gebäude-Typ E“ und zu dem, was jetzt beim Wohnungsbau dringend passieren muss, gibt es im Internet auf der Homepage vom Verbändebündnis Wohnungsbau, dem auch die IG BAU angehört: www.wohnungsbau-tag.de

Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt, Bezirksverband Nordbaden

 


Information des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen

Gebäudetyp E – Innovativer Ansatz für das kostengünstige Bauen

Beim Bauen sind die sogenannten „allgemein anerkannten Regeln der Technik“ (aRdT) vertragsrechtlich relevant. Damit sind alle Regeln gemeint, die unter Branchenfachleuten als technisch geeignet, angemessen und notwendig erachtet werden, um gut und fehlerfrei zu bauen, und die sich in der Praxis bewährt haben. Welche Normen genau zu den aRdT gehören, ist nicht gesetzlich festgelegt, sondern folgt dem Branchenwissen und wird im konkreten Streitfall durch die Rechtsprechung festgestellt. Diese tendiert dazu, eine mangelhafte Leistung (Sachmangel) anzunehmen, wenn nicht alle aRdT berücksichtigt wurden. Das hat in der Praxis dazu geführt, dass Bauvorhaben meist so ausgeführt werden, dass sie allen bautechnischen Normen entsprechen, auch jenen, die nur dem Komfort dienen. Das alles hat den Neubau oder auch die Sanierung von Wohnungen verteuert und Investoren und Käufer ausgebremst.

Der Gebäudetyp E geht auf eine Initiative der Architektenschaft zurück und wird von einer breiten Allianz von Vertreterinnen und Vertretern des Bundes, der Länder und aus der Praxis unterstützt. Vertragspartner können durch den Verzicht auf kostenintensive Standards neue Spielräume für innovatives Planen und Bauen eröffnen. So werden Innovationen und individuelle Lösungen für das klima- und ressourcenschonende, bedarfsgerechte und kostengünstige Bauen ermöglicht.

Vorteile des Gebäudetyp E im Überblick

  • Mit dem Gebäudetyp E wird das Planen und Bauen einfacher, günstiger und schneller.
  • Auf Standards, die nicht unbedingt notwendig sind, kann verzichtet werden, ohne dass dies Qualität und Sicherheit der Gebäude beeinträchtigt.
  • Der Gebäudetyp E kann bei Neubauvorhaben und im Bestand genutzt werden.
  • Die zielgerichtete und nutzerorientierte Anwendung von Baunormen führt zu einem effizienteren Einsatz von Materialien, geringeren Planungs- und Baukosten.

Das BMWSB hat eine umfassende „Leitlinie und Prozessempfehlung Gebäudetyp E“ erarbeitet. Sie soll Bauherrinnen und Akteure der Planungs- und Baubranche bei der Anwendung des „einfachen Bauens“ unterstützen. Der Leitfaden gibt Projektbeteiligten Hinweise, wie Vereinbarungen für Architekten- und Bauverträge formuliert werden können. Damit kann das „einfache Bauen“ in der Praxis rechtssicher umgesetzt werden. Der Leitfaden ermutigt, zukünftig kreativer und kostengünstiger zu planen und zu bauen.

Im Detail zeigt die Leitlinie, wie zwischen Planer/Unternehmer und Bauherrin eine rechtssichere Abweichung von den aRdT vereinbart werden kann. Sie erläutert auch die Aufklärungspflicht der Planer/Unternehmer und gibt anhand einiger Planungsbeispiele exemplarische Aufklärungsinhalte und Vertragsformulierungen an die Hand. Ziel der Aufklärung ist es, die Bauherrin so fachkundig zu machen, dass sie eigenverantwortlich entscheiden kann, ob sie die Abweichung zu Gunsten von Kosteneinsparungen befürwortet.

Gebäudetyp E konkret – Beispiele für einfaches Bauen:

Beispiel: Beton-Geschossdecke

Nach gängiger Praxis sind im Neubau Stahlbetondecken 18 Zentimeter stark. Das ist nicht nur der Tragfähigkeit geschuldet, sondern soll vor allem einen höheren Schallschutz bringen. Eine Reduzierung der Geschossdeckenstärke um vier Zentimeter verringert den Materialeinsatz und senkt zudem die Kosten. Der erforderliche Mindesttrittschallschutz dagegen wird weiterhin erreicht. Die Vor- und Nachteile einer Reduktion der Deckenstärke kann der Bauherrin erläutert und diese Abweichung von anerkannten Regeln der Technik zwischen Planer/Unternehmen und Bauherrin vereinbart werden.

Beispiel: Holz-Geschossdecke

Derzeit werden Holzbalkendecken im Neubau regelmäßig mit Estrich gebaut. Beim einfachen Bauen kann die Decke aber grundsätzlich auch ohne Estrich eingezogen werden. Dies kann zwar Einschränkungen im Komfort- und Qualitätsstandard bedeuten, diese müssen aber hinsichtlich des nutzerspezifischen Bedarfs nicht von Nachteil sein.

Beispiel: Anzahl der Steckdosen und Leitungen

In einer durchschnittlichen Dreizimmerwohnung sind derzeit 47 Steckdosen vorgesehen. Die Anzahl könnte aber je nach konkretem Bedarf reduziert werden. Durch eine sorgfältige Planung können die Steckdosen so positioniert werden, dass eine optimale Stromversorgung der Wohnung gewährleistet bleibt.

Die Bundesregierung plant eine BGB-Änderung für eine weitergehende Erleichterung des Gebäudetyps E.

Um den Gebäudetyp E auch gesetzlich zu stärken, hat die Bundesregierung einen Gesetzentwurf zur Änderung des BGB erarbeitet. Mit dem „Gebäudetyp-E-Gesetz“ soll das Werk-/Bauvertragsrecht angepasst werden. Ein Ziel ist, dass bei Projekten zwischen fachkundigen Vertragspartnern auch ohne Aufklärung von den aRdT abgewichen werden kann. Der Gesetzentwurf soll im Herbst 2024 im Kabinett beschlossen werden. Mit Inkrafttreten des Gesetzes ist ab Anfang 2025 zu rechnen.

Weitere Aktivitäten des BMWSB für mehr Tempo beim Planen, Genehmigen und Bauen

Der Gebäudetyp E ist eine von vielen Maßnahmen, mit denen das BMWSB das Planen, Genehmigungen und Bauen schneller und unterm Strich auch kostengünstiger macht.

  • Der Gebäudetyp E ist eine von vielen Maßnahmen, mit denen das BMWSB das Planen, Genehmigungen und Bauen schneller und unterm Strich auch kostengünstiger macht.
  • Durch industrielle Fertigungsmethoden im seriellen, modularen und systemischen Bauen kann witterungsunabhängig produziert und die Baustellenzeit vor Ort erheblich verkürzt werden. Schwung gibt die Rahmenvereinbarung für serielles und modulares Bauen 2.0, mit der neue Bauprojekte deutlich beschleunigt werden.
  • Vor allem in Ballungsgebieten ist die Fläche für neuen Wohnraum oft begrenzt. Mancherorts könnte in der Nähe von Gewerbebetrieben dringend benötigter Wohnraum geschaffen werden, wenn dies mit der Umgebungslautstärke vereinbar ist. Damit das möglich wird, passt die Bundesregierung derzeit die rechtliche Grundlage, die sogenannte TA Lärm, an. Zugleich wird klargestellt, dass nicht nur Abstandhalten, sondern auch planerische Vorgaben zu passiven Schallschutzmaßnahmen für die Lärmminderung genutzt werden können. Mit beidem soll erreicht werden, dass Wohnbebauung näher als bisher an Gewerbebetriebe heranrücken kann. Wie immer gilt, dass letztlich vor Ort von Fall zu Fall entschieden werden muss.
  • Alle BMWSB-Aktivitäten sind auch Bestandteil des Paktes zur Planungs-, Genehmigungs- und Umsetzungsbeschleunigung, den Bund und Länder im Herbst 2023 verabschiedet haben und nun mit Hochdruck umsetzen. Ein erster Monitoring-Bericht aus dem Juni 2024 zeigt, dass Bund und Länder hier zügig vorankommen. Rund 80 Prozent der Vorhaben aus dem Beschleunigungspakt sind auf dem Weg. Ein Drittel der Aufträge sind bereits vollständig umgesetzt, mit etwa der Hälfte wurde bereits begonnen.

https://www.bmwsb.bund.de/SharedDocs/kurzmeldungen/Webs/BMWSB/DE/2024/07/gebaeudetyp-e.html