„Fahrscheinloser Öffentlicher Personennahverkehr“?
Thomas Trüper – „Null-Tarif“? Legalisiertes Schwarzfahren? Nur noch Zeit- oder Plastikkarten? Was mag man sich nicht alles unter „fahrscheinlos“ vorstellen? Während einerseits hart um den Erhalt des sehr bescheidenen Sozialtickets gerungen werden musste nun auf einmal dies?
In seiner Sitzung vom 21. Januar befasste sich der Hauptausschuss mit einem Antrag der SPD-Fraktion aus den letzten Haushaltsberatungen unter genau diesem Titel: „Fahrscheinloser Öffentlicher Personennahverkehr“. Die Fraktion verlangt darin von der Verwaltung, bis März 2017 eine Machbarkeitsstudie durchzuführen, „die folgende Fragen berücksichtigt: Wie kann fahrscheinloser ÖPNV finanziert und schrittweise umgesetzt werden? Welche rechtlichen Rahmenbedingungen liegen vor? Welche Maßnahmen und Finanzierungsinstrumente sind denkbar, um die für Mannheim, besser für die rnv-Partner Mannheim, Ludwigshafen und Heidelberg, geeignete Variante dafür zu bestimmen?“
Dieser Antrag der SPD knüpft an einen im Beteiligungshaushalt unter Nummer 132 eingereichten Bürgerantrag an: „Pilotprojekt Fahrscheinloser ÖPNV in Mannheim“ (das Kommunal-Info berichtete). Die Verwaltung hatte auf diesen mit 190 „likes“ hoch bewerteten Antrag seinerzeit schon umfassend geantwortet, und Bürgermeister Specht wiederholte im Laufe der Debatte die wesentlichen Argumente, die seiner Meinung nach gegen einen solchen fahrscheinlosen ÖPNV sprechen: Mangelnde Tarifhoheit der Stadt Mannheim im Verkehrsverbund, nur aufhebbar durch Austritt aus dem Verbund. Frage, wie die Kosten des ÖPNV dann finanziert werden sollen. Und vor allem: Die Kosten würden erheblich steigen, weil der ticketlose ÖPNV sehr viel attraktiver für die Menschen würde und entsprechende Beförderungskapazitäten zusätzlich bereitgestellt werden müssten.
Genau dies nicht von der Hand zu weisende Argument ist nun gerade das entscheidende für eine Machbarkeitsstudie, verspricht es doch eine deutliche ökologische Entlastung der Innenstadt, ja der gesamten Stadt.
Grüne und LINKE begrüßten den Vorstoß, die CDU fand: Es lohnt sich immer über den ÖPNV zu diskutieren, allerdings „nicht so euphorisch“, und selbst die FDP wollte Denkverbote nicht gelten lassen.
Diese Breite der „Aufgeschlossenheit“ mag nur auf den ersten Blick verwundern. Denn der Antrag der SPD thematisiert nicht die Frage, wer letztlich für die Kosten aufzukommen habe: „Der Staat“? die Kommune? Die Fahrgäste durch den Erwerb z.B. einer ÖPNV-Plastikkarte? Alle Bürgerinnen und Bürger via Umlage? Die Arbeitgeber via Umlage, wie in Frankreich? Die Frage nach „fahrscheinlosem ÖPNV“ ist zunächst einmal auf dem sozialen Auge blind, sie ist mehr technisch-logistischer Natur. Sie kann in Richtung Entlastung der öffentlichen Hand durch Umwälzung auf die BürgerInnen diskutiert oder auch gerade umgekehrt.
In der Begründung ihres Antrags versucht die SPD, die Fiananzierungsdiskussion schon mal in Richtung einer Umlage vom Baby bis zum Greis zu lenken, beispielsweise 25 Euro monatlich auf 300.000 Einwohner macht 90 Mio. Euro pro Jahr, was in etwa den gegenwärtigen Kosten entspricht. Eine solche Finanzierung wäre jedoch ebenso unsozial wie jede „Kopf-Steuer“. Sie berücksichtigt nicht die finanzielle Leistungsfähigkeit der Zahlungspflichtigen. Ist die Entwicklung des ÖPNV aber nicht viel eher als eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe zu sehen, die für das Leben auf dem Land ebenso existenziell notwendig ist wie in den Ballungsräumen? Dann wäre die Steuerfinanzierung angesagt.
Diese Fragestellungen sind die entscheidenden, ob mit oder ohne Fahrschein. Dies sollte man insbesondere im Landtagswahlkampf nicht vergessen, ist doch die ÖPNV-Infrastruktursubvention Ländersache geworden. Auch sollte man nicht vergessen, dass einige Leistungen schon jetzt vom Bund bzw. Land finanziert werden, wie z.B. die Schülerbeförderung oder die Subvention für das Ticket ab 60. „Umlagefinanzierung“ nach dem pro-Kopf-Prinzip würde am Ende zu einer Reduzierung der Steuerfinanzierung führen – gut für einen Finanzminister, der sich am liebsten neben einer großen „Schwarzen Null“ (aus Styropor) fotografieren lässt, schlecht für die Menschen.
Die Diskussion wieder einmal angestoßen zu haben ist verdienstvoll, über die Richtung wird es aber viel Auseinandersetzung geben müssen.