Großkraftwerk Mannheim: Ist die GKM AG auf dem Weg zur Energiewende?
Zwei Vorstände der GKM AG (Holger Becker und Manfred Schumacher) haben sich am 18.8.2018 in einem Interview mit dem MM zur Zukunft des GKM geäußert („Das Ende der Kohle wird nicht das Ende des GKM sein“).
Im Vorfeld der Entscheidungen der „Kohlekommission“, die von der Bundesregierung eingesetzt wurde (siehe auch meinen Artikel in KIM „Klimaschutz am Ende? Morgenluft für die Kohle-Lobby?“), werden die Interessen der Gesellschafter der AG (RWE, EnBW, MVV) formuliert. Ein Kohleausstieg vor 2040, gar schon 2030, wird als unmöglich bezeichnet. Das vorgebrachte Argument, es seien bis dahin keine ausreichenden Speicherkapazitäten zu erwarten, ist nicht stichhaltig. Mit dem Kohleausstieg wird nicht der hundertprozentige Ersatz durch erneuerbaren Strom gefordert. In einer Übergangszeit sind selbstverständlich hocheffiziente Gas-Kraftwerke erforderlich (siehe auch meinen Artikel in der KIM). Durch diese Unterstellung soll die Leserschaft des MM natürlich ideologisch gegen einen schnellen Kohleausstieg geimpft werden.
Im letzten Abschnitt des Interviews wird nun von Herrn Schumacher auch eine zukünftige Strom- und Fernwärmeproduktion mit Erdgas in Aussicht gestellt („Wir gehen mit der Energiewende, und kämpfen nicht dagegen an“).
Freilich wurde durch Herrn Becker vorher formuliert: „Wir sind zuversichtlich, dass im GKM bis mindestens 2050 Strom aus Kohle produziert wird“. Er bezieht sich damit auf die Effizienz durch KWK (Kraft-Wärme-Kopplung) und die Fernwärmeproduktion sowie auf die Produktion von 15 % des bundesweiten Bahnstroms. Soll damit im Ernst eine Ausnahmeregelung für Block 9 im Kohleausstiegsgesetz eingefordert werden?
Wirtschaftlichkeit des GKM
Holger Becker muss im Verlauf des Interviews einräumen, dass in den vergangenen Jahren nur Verluste geschrieben wurden. Er begründet dies mit verschiedenen energiewirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Dies lenkt von den eigentlichen Ursachen ab.
Das GKM hatte 2017 ca. 16 % weniger Strom verkauft als 2016. Im Bundesdurchschnitt haben alle Steinkohlekraftwerke ca. 16 % weniger Strom produziert. Was sind die Ursachen? Die Erdgaskraftwerke konnten ihre Produktion ausbauen (+5,7 %). Mit steigenden Steinkohlepreisen gerieten die Steinkohlekraftwerke gegenüber den Erdgaskraftwerken ins Hintertreffen. Außerdem haben sich die Kosten für sog. CO2-Zertifikate (Kosten für Emissionen von CO2, die bei Kohle- wesentlich höher liegen als bei Erdgasverbrennung) von ca. 6 €/t in 2017 auf 20 €/t im August 2018 erhöht. Ob sich diese Verhältnisse fortsetzen ist eher unwahrscheinlich. Erst ab einem Wert von 35 €/t ergibt sich eine positive Wirkung für den Klimaschutz. Dazu wird es erst kommen, wenn entsprechende politische Maßnahmen ergriffen werden. Der Umweltminister Baden-Württembergs Untersteller fordert beispielsweise Mindestpreise für Emissionszertifikate. Lorenz Gösta Beutin von der Linksfraktion kann sich inzwischen auch für einen Mindestpreis der CO2-Abgabe erwärmen.
Andere fordern dagegen ein Ende des bislang wenig wirksamen Zertifkatesystems und die Einführung einer CO2-Steuer.
Niemand kann darauf hoffen, dass die Steinkohlekraftwerke auf diese Weise schnell aus dem Markt verschwinden. Der zentrale Hebel wird nach wie vor ein Kohleausstiegsgesetz sein.
Eine Spekulation auf steigende Rohölpreise am Weltmarkt und damit in Folge steigende Erdgaspreise sowie gleichzeitig fallende Steinkohlepreise, entspricht dem Wunschbild der Manager. Für beide Szenarien lassen sich Protagonisten finden.
Eine andere Hoffnung der Manager wurde auf den Bahnstromverkauf bezogen. Im Jahr 2017 hatte das GKM 1,3 Mrd. kWh Bahnstrom produziert. Das waren 17,6 % des insgesamt produzierten Stroms und 30 % des 2016 von Block 9 produzierten Stroms.
Bahnstrom wird übrigens auch von Gas-Kraftwerken, Windparks und großen Solarkraftwerken (PV-Anlagen) bereitgestellt.
Die Bundesbahn will außerdem bis 2030 den Ökostromanteil auf 70 % und bis 2050 auf 100 % erhöhen. Ein starkes Argument für eine längere Laufzeit für Block 9 ist also der Bezug auf Bahnstrom nicht.
Wie sieht die Fernwärmeversorgung in Zukunft aus?
Ende 2019 soll Fernwärme, per Kraft-Wärme-Kopplung (KWK), aus dem Müll-Heizkraftwerk, ins Mannheimer Fernwärmenetz eingespeist werden. Damit wird eine uralte Forderung der Umweltgruppen Realität, die bis in die 80er Jahre zurückgeht. Außerdem wird die Lieferung von Dampf in Höhe von 105.000 MWh (das siebenfache der bisherigen Menge) an Fa. Roche wieder aufgenommen.
Die Fernwärmelieferung ins Netz wird bedeutend sein. Im Augenblick liefert noch das GKM 100 % der Mannheimer Fernwärme. Nach dem Anschluss werden ca. 25 %, bezogen auf die Liefermenge 2017 (0,6 Mrd. kWh: Mitteilung MVV-Umwelt), der Fernwärme aus dem Müll-Heizkraftwerk (MHKW) stammen. Damit wird voraussichtlich ein Teil der Fernwärmegrundlast abgedeckt werden (das MHKW läuft rund um die Uhr).
Wird dies die Wirtschaftlichkeit des GKM tangieren? Das Management wollte sich dazu nicht äußern: da man noch nichts über den Bedarf wisse, würde es sich um Spekulation handeln.
Zumindest wird dadurch die Abschaltung eines älteren Blockes aus Fernwärmesicht einfacher sein.
Sollte das Altholzkraftwerk (bislang nur Stromproduktion) auf der Friesenheimer-Insel auf KWK umgestellt werden, so könnte ein weiterer Beitrag für eine Fernwärme ohne Kohleverbrennung in Mannheim geleistet werden.
Die Umstellung ist technisch möglich und wird vermutlich aus verschiedenen Gründen vermieden (Investition, Absatzverlust im GKM…). Auf Nachfrage sprach die MVV von gesetzlichen Verpflichtungen nach dem EEG, was definitiv nicht zutreffend ist.
MVV-Umwelt verwies im Übrigen auch auf den Umstand, dass 50 % des verbrannten Mülls aus biogenen Reststoffen1 stammt und somit ein entsprechender Anteil der ausgekoppelten Wärme als erneuerbare Energie gelten kann (50 % ergibt sich allerdings aus einer Festlegung durch Umweltbundesamt und Bundesministerium für Umwelt). Das trifft im Übrigen auch schon immer auf die Stromproduktion zu, die in die entsprechenden Statistiken einfließt.
Laut MVV sollen dadurch 100.000 t CO2 pro Jahr eingespart werden. Allerdings sind das nur 1,3 % der Jahresemission des GKM 2017.
Vorteilhaft für das Klima ist die Verbrennung in einer Müll-Verbrennungsanlage heute kaum. Wie das Öko-Institut 2014 in einer Studie (Beitrag der Kreislaufwirtschaft zur Energiewende, Öko-Institut 2014) schreibt „…., muss die Abfallwirtschaft auf Recycling statt auf Müllverbrennung setzen. Zur Energiewende kann sie nur dann beitragen, wenn sie Abfall möglichst umfassend stofflich verwertet und verbleibende Abfallstoffe flexibel und effizient zur Energieerzeugung einsetzt.“ (Presseerklärung Öko-Institut 2014).
Im Augenblick ist die bestehende Müllverbrennung ein äußerst profitables Geschäft und daher Änderungen nicht in Sicht.
Die Müllverbrennung kann also nur als Übergangslösung zur Fernwärmeversorgung beitragen. Wenn später biogene Abfälle effizienter und umweltverträglicher in Biogas verwandelt werden, stehen diese dann für eine effiziente Stromversorgung in Gas-Kraftwerken zur Verfügung.
Energieeffizienz und Umweltbelastung
Die Energiebilanz 2017 weist eine Steigerung des Brennstoffnutzungsgrades um 1,2 % ggü. 2016 aus. Wie kann dies bei sinkender Stromproduktion sein? Wenn im Betrieb weniger Strom produziert wird, gegenüber der Wärmeproduktion in den Heizwärme Turbinen, die in Kraft-Wärme-Kopplung höhere Effizienz aufweisen, dann steigt daher insgesamt der Brennstoffnutzungsgrad2. Es sank auch die CO2-Emission ungefähr auf das Niveau von 2013, weil weniger Kohle verbrannt wurde.
Die jetzt vorliegenden Daten (siehe Tabelle) lassen folgende Schlussfolgerungen zu:
Die Verbesserung des Brennstoffnutzungsgrades seit Inbetriebnahme des Block 9 beträgt bislang gerade mal 1,5 %! Das ergibt sich aus dem Vergleich des Jahres 2017 mit 2013. In beiden Jahren wurde jeweils gleiche Kohleenergie in Strom und Wärme umgewandelt. Ob es noch einen optimaleren Betriebszustand gibt, bleibt offen.
Dass Block 9 die Stromproduktion des Werkes insgesamt erhöhen soll und kann, zeigt das Jahr 2016 mit einer historischen Produktion von 8,6 Mrd. kWh. Damit wurden und werden allerdings auch Spitzenwerte der CO2-Emission erreicht: 2016 ca. 7,9 Mio. t.
Quecksilber- und Feinstaub-Emissionen haben sich seit der Stilllegung der Blöcke 3 und 4 und der Inbetriebnahme von Block 9 verringert, trotz Produktionssteigerung.
Obwohl sich die Stromproduktion 2016 gegenüber 2015 nur um ca. 10 % erhöht hatte, hatte sich die Schwefeldioxid-Emission außergewöhnlich um ca. 39 % erhöht.
Dass Block 9 gegenüber hocheffizienten Gas-Kraftwerken (Gas- und Dampfturbinen-Kraftwerk od. Block-Heiz-Kraftwerk), die schmutzigere Alternative ist, ist offensichtlich und wurde bereits mehrfach erläutert.
Fazit
Der Kohleausstieg wird kommen, wenn auch nicht ausreichend durch diese Bundesregierung.
Damit bleibt den Gesellschaftern der GKM AG nur der Umstieg auf ein Erdgas-Kraftwerk.
Dies ist jedoch nur eine Übergangslösung begrenzt für den Zeitraum bis 2050.
Demnach ist eine wirtschaftliche Lösung nur bis spätestens Mitte der 20er Jahre darstellbar.
Das ist den Gesellschaftern längst klar und gut unterrichtete Quellen deuten daraufhin, dass entsprechende Planungen schon in Vorbereitung sind.
Andere Lösungen, die in der Hauptsache auf die Abdeckung des Fernwärmebedarfes abzielen, sind ebenso denkbar. Ein Bio-Methan3 Block-Heiz-Kraftwerk, das von den Linken im letzten Kommunalwahlprogramm für die Konversionsgebiete (Franklin etc.) vorgeschlagen wurde, ist von der MVV und der Kommunalverwaltung abgelehnt worden.
Die Stadtwerke Kiel (MVV als Gesellschafter) sind ebenso neue Wege gegangen und haben ein Gas-Motoren-Heizkraftwerk errichtet. Dabei besteht auch hier die Möglichkeit zur späteren Verwendung von Bio-Methan.
Es liegt nun an den Kommunalpolitikern, eine schnelle Stilllegung der alten Blöcke 7 und 8 und ein ökologisches Fernwärmeversorgungskonzept für Mannheim einzufordern!
(Text: Günther Frey | Alle Bilder: cc 4.0 wikimedia commos: BamKomWiki, Hubert Berberich, Engelberger)
Erläuterungen:
1 „biogene Reststoffe“: Bio- und Grünabfälle, Papier, Pappe, Karton, Altholz (z.B. aus Sperrmüll), Mischfraktionen wie Textilien, Leder und Gummi.
2 Es werden Stromturbinen für die reine Stromerzeugung verwendet sowie Heizwärme Turbinen, die neben Strom auch Wärme produzieren (man nennt dies Kraft-Wärme-Kopplung).
3 Bio-Methan bezeichnet ein aus Biogas hergestelltes Erdgas äquivalentes Gas. Aus dem Biogas wird dabei CO2 herausgefiltert. Bio-Methan kann somit als Gas wie Erdgas verwendet werden.
Energiebilanz 2007-2017
2007 |
2013 |
2014 |
2015 |
2016 |
2017 |
||
Elektr. Nettoleistung |
1520 |
1520 |
1520 |
1958 |
1958 |
1958 |
MW |
Fernwärmeleistung |
1000 |
1000 |
1000 |
1500 |
1500 |
1500 |
MW |
Strom |
7,6 |
6,7 |
5,9 |
7,8 |
8,6 |
7,4 |
Mrd. kWh |
FW |
2,5 |
2,8 |
2,2 |
2,4 |
2,5 |
2,4 |
Mrd. kWh |
Brennstoff |
22,0 |
20,4 |
17,1 |
22,0 |
23,6 |
20,4 |
Mrd. kWh |
Jahresnutzungsgrad |
45,9% |
46,7% |
47,4% |
46,4% |
47,0% |
48,2% |
|
CO2-Emissionen (UBA) |
7,44 |
6,75 |
6,19 |
7,32 |
7,876 |
? |
Mio. t |
Quecksilber (UBA) |
167 |
154 |
139 |
148 |
136 |
? |
kg |
Schwefeldioxid (UBA) |
1570 |
1940 |
1840 |
1420 |
1980 |
? |
t |
Stickoxide (UBA) |
4060 |
3650 |
3500 |
3400 |
3500 |
? |
t |
Feinstaub PM10 (UBA) |
208 |
142 |
109 |
132 |
124 |
? |
t |
Quelle: Geschäftsberichte GKM AG, UBA (thru.de), eigene Berechnungen |