Lockern bis die Ärztin kommt
Viele Menschen freuen sich bereits über ihre neue/alte Frisur oder im Internet bestellte und im Geschäft abgeholte Produkte. Woanders müssen geöffnete Einrichtungen wie Schulen oder Kindergärten schon nach wenigen Tagen wieder schließen. Mannheim belegt derweil den vierten Platz im Inzidenzranking in Baden- Württemberg.
Zur aktuellen Lage
Als einer unter mehreren Indikatoren zur Bewertung der Entwicklung der CoVID19- Pandemie wird der Inzidenzwert angesehen. Dieser erfasst die Infektionen pro 100.000 Einwohner:innen und wird meistens als Durchschnittswert der vergangen sieben Tage, als sogenannte 7-Tage-Inzidenz, angegeben. Auch der in der letzten Konferenz der Bundeskanzlerin und der Ministerpräsident:innen vorgelegte Stufenplan orientiert sich überwiegend an diesem Wert.
Bundesweit beträgt die 7-Tage- Inzidenz heute 67,5 während Baden-Württemberg mit einem Wert von 60,3 leicht darunter liegt. Der Stadtkreis Mannheim nimmt innerhalb Baden- Württembergs mit 92,1 jedoch den vierten Platz der Land-/Stadtkreise ein. Im Trend steigen die Zahlen in vielen Regionen und Städten derzeit wieder an, was von vielen bereits als Beginn einer dritten Welle interpretiert wird.
Quelle: Robert Koch- Institut
Laut COSMO (26.02.), dem Corona-Snapshot-Monitoring der Universität Erfurt, halten auch 73% der Befragten eine dritte Welle für wahrscheinlich. Der Anteil derjenigen, welche die Maßnahmen übertrieben finden sei seit Januar stabil um die 30%, während ca. 56% die Maßnahmen nicht übertrieben finden. Somit könne noch eine breite Akzeptanz für die Lockdown- Maßnahmen gemessen werden, was auch weitere Umfragen bestätigen. Das ZDF Politbarometer (26.02) erfasst 41% gegen Lockerungen und weitere 35% finden, dass Lockerungen nur möglich seien, wenn die Fallzahlen nicht ansteigen.
Quelle: COSMO Corona- Monitor
Umso erstaunlicher wirkt es, dass der vor wenigen Wochen noch als Höchstgrenze angegebene Inzidenz- Wert von 35 in dem neuen Stufenplan deutlich überschritten wird und Öffnungen bereits ab einem Wert von unter 100 in Aussicht gestellt werden. Eine Zahl die Expert:innen, aber auch den Gesundheitsämtern den Schweiß auf die Stirn treiben dürfte. In Sachsen mussten die ersten Schulen nach nur wenigen Tagen wieder schließen und ob ein frühzeitiges und großzügiges Öffnen dem Einzelhandel mehr schadet als nützt, wenn es dazu führt, dass der dritten Welle auch der dritte Lockdown folgt, wird sich zeigen. Andererseits gibt es bereits Hygiene- Konzepte, mit denen ein Infektionsrisiko nach derzeitigen Erkenntnissen auf ein verantwortliches Maß reduziert werden könne.
Wie geht es weiter
Die Stadt Mannheim hat in ihrer aktuellen Meldung vom 08.03.2021 angekündigt, dass MArchivum, Kunsthalle und Reiss-Engelhorn-Museen ab dem 09.03. unter gewissen Voraussetzungen wieder öffnen werden, was gerade der äußerst gebeutelte Kunst- und Kulturszene wieder Hoffnung geben könne. Dabei darf auch hier nicht übersehen werden, dass es ein großes Gefälle zwischen selbstständigen Künstler:innen und staatlichen Einrichtungen gibt, was die finanzielle Ausstattung angeht. Aller Voraussicht nach werden die kommenden Wochen darüber entscheiden, ob wir mit dem Frühling den Beginn der Zurückeroberung des öffentlichen Lebens oder den dritten Lockdown erleben werden.
Weiterhin bleibt spannend, wie sich die aktuellen Entwicklungen auf das Wahlverhalten bei den kommenden Landtagswahlen in Baden- Württemberg und Rheinland- Pfalz auswirken werden. Laut COSMO ist das Vertrauen in Politik und Institutionen in Bezug auf den Umgang mit der Pandemie zwar stabil, aber auf einem eher niedrigen Niveau. Besonders das Vertrauen in die Gesundheitsämter habe stark nachgelassen.
Quelle: COSMO Corona- Monitor
Neben der im weltweiten Vergleich nur schleppend vorangehenden Impfkampagne, dem undurchsichtigen Auf und Ab der Lockdown- Maßnahmen, der seit dem ersten Lockdown einseitigen Belastung eines großen Teils der Arbeitnehmer:innen und Menschen in prekären Lebensverhältnissen, führt sicher auch die Korruptionsaffäre um fragwürdige Geschäfte mit Schutzmasken, in welche auch der Mannheimer Nikolas Löbel verwickelt ist, nicht zu einem Rückgewinn an Vertrauen in den politischen Umgang mit der Pandemie.
Aus der Pandemie in Utopie
Doch welche Alternativen gibt es überhaupt zum aktuellen Kurs, der doch immer nur eine Reaktion ist und kaum weiter als wenige Wochen denkt? Mit NoCovid und ZeroCovid sind vor einiger Zeit Diskussionen aufgekommen, die teilweise ein radikales Umdenken in der Corona- Politik fordern. Was sind ihre Forderungen, was können sie leisten und wie realistisch sind sie? Welche weiteren Ansätze gibt es eine progressive Politik zu gestalten, die nicht nur den Blick auf Corona hat? Diese Fragen sollen in einer Serie in den kommenden Tagen aufgegriffen und beantwortet werden, die sich mit Post-Covid- Utopien beschäftigt.
Text: DeBe
Quellen:
Robert Koch- Institut: COVID-19-Dashboard vom 09.03.2021
COSMO: Wellen 29 & 36; Covid19- Snapshot- Monitoring der Universität Erfurt; Corona- Monitor.de
ZDF- Politbarometer
Stadt Mannheim: 370. Aktuelle Meldung zu Corona 08.03.2021