Und wenn Strom und Gas von Haushalten nicht mehr bezahlt werden können? Petition an den Bundestag

Im November 2021 – Pandemie war schon, der Ukraine-Krieg noch nicht – richtete Klaus Overhoff als damaliger Bezieher von Grundsicherung nach SGB II eine Petition an den Deutschen Bundestag, mit der er eine auskömmliche Unterstützungszahlung für Haushaltsenergiekosten forderte, wenn diese über den in der Grundsicherung enthaltenen Kostenanteil hinausgehen. Inzwischen ist dieses Thema nochmals für viel mehr Menschen viel akuter als Ende 2021. Deshalb ist es wichtig, genau hinzuschauen, wie der Petitionsausschuss auf die Problematik eingeht – oder wie wir jetzt wissen – eben nicht wirklich eingeht. Es geht hier um nicht weniger als die Einhaltung des Sozialstaatsgebotes und des verfassungsrechtlich zugesicherten soziokulturellen Existenzminimums. In dem Petitionsschreiben heißt es: „Die Unterstützung für besonders schutzbedürftige Verbraucher bei weiteren Kostensteigerungen und Hilfen für arme Haushalte, wenn ihre Energiekosten über den Kopf wachsen, sind erforderlich. (STATISTA Research Department, 28.10.2021)“.

Die Petition wurde abgelehnt

Über das Ergebnis seiner Petition schreibt Klaus Overhoff:

„Wie bereits in der Ausgabe 24/2021 des Kommunalinfo  berichtet, richtete ich eine Petition am 03.11.2021 wegen hoher Energiekosten der MVV an den Bundestag. Diese wurde an den baden-württembergischen Landtag mit der Begründung verwiesen, dass das für Unterkunft und Heizen zuständige und von mir erfolglos verklagte Mannheimer Jobcenter ausschließlich der Landesaufsicht unterliegt. Verfassungsrechtlich war daher für meine Petition die Volksvertretung des Landes Baden-Württemberg zuständig.

 

Meiner Petition konnte nicht abgeholfen werden. (Beschlussempfehlung) Bezüglich meiner konkreten Kosten in Höhe von 237,44 EUR habe der zuständige Sozialhilfeträger das Recht richtig angewandt. Demzufolge entstand mir kein Nachteil im Hinblick auf meine Energiekostenabrechnung, da mein Bedarf jederzeit vollständig gedeckt worden sei. Der Petitionsausschuss bemerkt folgendes:

Die ungleiche Belastung der Haushalte durch Energiepreissteigerungen muss politisch gelöst werden. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales arbeitet an ersten Lösungsansätzen. Zudem hat sich das Land Baden-Württemberg durch das Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration auf Bundesebene dafür eingesetzt, Lösungen zu finden, damit trotz steigender Energiekosten Personen im SGB-XII-Bezug der vom Bundesgesetzgeber vorgesehene Bedarf zur Sicherung des Existenzminimums in andere Abteilungen der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe vollumfänglich verbleibt.

Zudem macht die Stadt darauf aufmerksam, dass mir die mir zustehenden Geldleistungen im gesetzlich vorgesehenen Umfang erbracht werden. “Sollten die gewährten Leistungen für Haushaltsenergie nach der kommenden Energiekostenabrechnung 2022 nicht kostendeckend sein, besteht die Möglichkeit, dass die Stadt auf Antrag des Petenten im Einzelfall die Übernahme zusätzlicher Energiekosten prüfen kann. Darüber hinaus bestehen derzeit weder vor Ort noch seitens des Landes Möglichkeiten, dem Petenten zu höheren Leistungen für Energie zu verhelfen.”

Dazu bemerke ich abschließend: Nach der Bedrohung durch das Sars-Coronavirus-2 nimmt die Teuerungswelle bei der Haushaltsenergie im Gefolge des Ukrainekrieges derart rapide zu, dass sie Einkommensschwache sehr hart trifft. (Christoph Butterwegge in t-online Tagesanbruch vom 14.07.2022)“

 

Hilfe auch ein kommunales Thema

Der Petitionsausschuss befragte auch die Stadt Mannheim nach ihren Möglichkeiten, die Grundsicherung vor nicht abgedeckten Stromkosten zu schützen und letztlich die betroffenen Menschen vor Energieabschaltungen. Die Antwort ist ein Kunststück des Nichts-Sagens: „”Sollten die gewährten Leistungen für Haushaltsenergie (…) nicht kostendeckend sein, besteht die Möglichkeit, dass die Stadt auf Antrag des Petenten im Einzelfall die Übernahme zusätzlicher Energiekosten prüfen kann“. Will sagen: „Es besteht kein Rechtsanspruch. Und wer es weiß, dass man einen Antrag stellen kann, erreicht im besten Fall eine Prüfung im Einzelfall“, die natürlich auch negativ ausfallen kann.

Es ist höchste Zeit zu klären, welche Hilfsinstrumente die Stadt hat und nach welchen Kriterien sie angewandt werden. Es ist 10 Jahre her, dass die LINKE im Gemeinderat genau diese Fragen stellte und eine Antwort bekam (V013/2013):

Betroffen seien „nur“ unter einem Prozent der Haushalte, also unter 1.700 Privathaushalte. „Rechtlich ist eine Zählersperrung ab einem Rückstand von 100 Euro möglich.“

  • „Eine Zählersperrung ist immer die letzte Maßnahme in einem klar festgelegten, dreistufigen
    Mahnverfahren, das über mehrere Wochen läuft. Dabei besteht immer auch die Möglichkeit, mit
    dem Versorgungsunternehmen einen individuellen Zahlungsplan zu vereinbaren und durch dessen
    Einhaltung eine Sperrung zu vermeiden“. Ein Zahlungsplan über nicht vorhandenes Geld ist freilich keine wirkliche Hilfe.
  • „Darüber hinaus bietet die MVV Energie als ein sozial verantwortungsvolles Unternehmen und als freiwillige Leistung bei unverschuldeten Notlagen eine Unterstützung aus seinem mit jährlich bis zu 100.000 Euro ausgestatteten Nothilfefonds“ Das betrifft jedoch nur die Kund:innen der MVV.
  • „In Zusammenarbeit mit den Sozialverbänden Diakonie, Caritas, Deutsches Rotes Kreuz und Arbeiterwohlfahrt sowie mit den Sozialen Diensten der Stadt Mannheim konnte damit in den zurückliegenden fünf Jahren rund 1.500 Menschen und Familien schnell und unbürokratisch geholfen werden.“ Das heißt rund ein Fünftel der Betroffenen pro Jahr.

Auf die Frage, was das JobCenter zur Vermeidung der Energiearmut beiträgt:

  • „In Einzelfällen versucht der Fachbereich Arbeit und Soziales, Notlagen über Spendenmittel zu beseitigen.
  • Darüber hinaus kann eine Vermittlung an den Nothilfefonds der MVV Energie AG erfolgen. Reguläre Mittel stehen dem Fachbereich Arbeit und Soziales für den Ausgleich derartiger Notlagen nicht zur Verfügung.“

Zur Frage einer den Energiegrundbedarf sichernden Tarifgestaltung der MVV:

  • Eine rechtliche Möglichkeit zur Einflussnahme auf die MVV Energie AG besteht nicht. Die Tarifgestaltung erfolgt gemäß § 76 AktG durch den Vorstand des Unternehmens in eigener Verantwortung.
  • Aus dem vorherigen Antworten wird außerdem deutlich, dass keine Notwendigkeit einer Einflussnahme auf die Tarifgestaltung bei der MVV Energie AG zu besteht. Zudem ist nicht sicher, ob die Leistungsbezieher/innen tatsächlich von der MVV Energie AG versorgt werden, insbesondere bei Strom und Gas besteht eine Wahlfreiheit des Versorgers.

Hier gibt es also noch viel zu klären. Warum z.B. Nothilfefonds, von denen wir in der ersten Coronazeit mit voller Berechtigung sehr viel gehört haben, bei drohender „Zählersperrung“ nur im mildtätigen Bereich existieren und nicht im öffentlichen Bereich eingerichtet werden können, bleibt unerfindlich und widerspricht dem Leitbild der „sozialen Stadt“. Hilfe brauchen im Übrigen auch viele Haushalte, die gerade knapp über dem Grundsicherungsanspruch leben.

Grundlegend ist und bleibt jedoch eine deutliche Anhebung der Grundsicherung und Sozialhilfe durch den Bund angesichts der rapiden Inflation, die gerade ärmere Haushalte mit besonderer Härte trifft.

Thomas Trüper