“Wir frieren nicht für eure Krise!”
Unter diesem Motto ruft ein Bündnis linker Gruppen zu einer Kundgebung am 17.09. um 16:00 Uhr auf dem Paradeplatz auf und gibt somit den Startschuss für die politische Auseinandersetzung mit der Krisenpolitik der Bundesregierung in Mannheim.
Bereits in mehreren Städten Deutschlands kam es in den vergangenen Wochen zu Demonstrationen und Kundgebungen, die sich auf die Krisenpolitik der Bundesregierung beziehen. Im Zentrum der Kritik stehen vor allem die sogenannten Rettungspakete der Ampelkoalition. Diese werden von vielen als völlig unzureichend angesehen und nicht dazu geeignet, existenzielle Notlagen von vielen Menschen zu verhindern. Auf der anderen Seite steht der Vorwurf, dass auch vom dritten Rettungspaket am ehesten Besserverdienende profitieren würden, wie auch Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), kritisiert. (Quelle: Zeit)
Deshalb gehört eben auch zur Erkenntnis dieser Zeit, dass die Krise nicht alle betrifft. Preissteigerungen für Grundbedarfe treffen diejenigen sofort, die ihr gesamtes Einkommen für ihren Lebensunterhalt aufwenden müssen. Eine deutsche Boulevard-Zeitung kommentierte die Entscheidung der Europäischen Zentralbank den Leitzins auf 1,25% anzuheben damit, dass nun eine gute Zeit für Sparer sei und im ersten Moment hört sich das vielleicht gut an, dass man wieder etwas bekommt, für sein Geld auf dem Konto. Vorausgesetzt man hat Geld auf dem Konto.
Marcel Fratzscher hat die Lage der sogenannten Sparer in einem Beitrag des DIW folgenderweise beschrieben: “Die Fakten zum Sparen in Deutschland sind für viele überraschend: Es gibt kaum ein Land, in dem die Ungleichheit der Ersparnisse so hoch ist, also die Menschen zwar so viel sparen, aber gleichzeitig auch sehr viele überhaupt kein eigenes Erspartes aufbauen können. Das Besorgniserregende ist jedoch, dass mit den erwähnten 40 Prozent [Menschen in Deutschland ohne nennenswertes Vermögen. Anm. DeBe] ungewöhnlich viele der Menschen in Deutschland so gut wie keine Ersparnisse haben. Sie haben somit privat keine Absicherung für Notfälle, für Krisen, für die Familie oder im Alter.” (Quelle: DIW)
Um zu erkennen, dass Einmalzahlungen oder auch die Einführung eines Bürger:innen- Geldes, welches vermutlich schon bei Inkrafttreten ab Januar 2023 kaum den Inflationsentwicklungen gerecht werden kann, nicht dazu beitragen, die ökonomisch schwächsten und Geringverdiener:innen unserer Gesellschaft zu schützen, muss man kein Studium der Volkswirtschaft vorweisen können. So fragt man sich, ab wie viel “Rettungspaketen” der Bundesregierung klar wird, dass etwas grundsätzlich schief läuft mit einem Wirtschaftssystem, welches in einem wohlhabenden Land wie Deutschland zu einem solchen Armutsrisiko für weite Teile der Bevölkerung führt. Gleichzeitig werden die Reichen immer reicher und von Krise scheint bei ihnen keine Rede zu sein. Bundeskanzler Olaf Scholz hat mit seinem “You’ll never walk alone” zynischerweise insofern Recht, dass mittlerweile weite Teile der Bevölkerung von Armut und Armutsrisiko betroffen sind. Was in Scholz’ Satz jedoch untergeht ist, dass längst nicht alle mit- “walken”, sondern viele von der schwindelerregenden Höhe ihrer Rendite weiterhin auf den Rest der Bevölkerung herabschauen. Auch deshalb werden Forderungen nach der Besteuerung von Übergewinn- oder jüngst Zufallsgewinnen immer lauter und vielleicht ist es gerade das Beharren des Bundesfinanzministers auf der unsäglichen Schuldenbremse, was den Zwang zur Umverteilung erzeugt und somit als Hebel dienen kann politischen Druck zu erzeugen.
Die politische Linke wird sich im selbst ausgelobten “heißen Herbst” also auch daran messen lassen müssen, ob und wie sie es schafft, eine Mehrheit der Bevölkerung zu überzeugen für eine solidarischere Ökonomie zu kämpfen, in der existenzielle Bedrohungen minimiert werden und ob es gleichzeitig gelingt den Druck auf die Bundesregierung zu erhöhen auch die Profiteure der fortwährenden Krisen in die Verantwortung zu ziehen. Noch besteht das Momentum, dass die politische Rechte lediglich mit einigen Schlagwörtern, aber ohne wirkliches Konzept auftritt. Doch eine rhetorische Abgrenzung zur Rechten wird auf Dauer vermutlich nicht reichen. Wenn die Linke es schafft, mit eigenen Konzepten zu überzeugen und eine solidarische Gesellschaft als erreichbar darstellt, wird den Rechten frühzeitig der Wind aus den Segeln genommen werden können. Dafür dürften die folgenden Monate mittelfristig entscheidend werden.
Über den Verlauf der Veranstaltung, ihre Forderungen und Inhalte der Redebeiträge werden wir berichten.
Text: DeBe
Quellen:
Zeit: https://www.zeit.de/politik/deutschland/2022-09/energiekrise-entlastungspaket-massnahmen-gaspreis
DIW: https://www.diw.de/de/diw_01.c.851101.de/nachrichten/die_soziale_notlage_trifft_schon_laengst_die_breite_masse.html