Kritik an rassistischen Äußerungen auf Neujahrsempfang in Ludwigshafen-Friesenheim
Gute Nachrichten aus Ludwigshafen: Migranten sollen nur ausgeflogen und nicht an die Wand gestellt werden!
“Ich will net sagen, stellt die an die Wand. Ne, nei ins Flugzeug un’ ab ins Morgenland!”
Anlässlich der sogenannten Berliner Silvesterkrawalle trägt Michael Stein, seines Zeichens Präsident der Ludwigshafener Karnevalsgesellschaft Eule, diesen schönen Vers bei einem Neujahrsempfang im Stadtteil Friesenheim vor. Auch der Friesenheimer Ortsvorsteher Günther Henkel (SPD) hat in seiner Neujahrsrede etwas beizutragen und ruft die anwesenden Bürger dazu auf, Häuser nicht an „aggressive Kaufinteressenten mit Migrationshintergrund“ zu verkaufen. Hans-Uwe Daumann, Fraktionsvorsitzender der Ludwigshafener Grünen spricht nach der Veranstaltung von „nicht tolerierbaren rassistischen Entgleisungen“ bei dem KG-Eule-Präsidenten und bezeichnet Wendungen in der Ansprache des SPD-Ortsvorstehers als „völlig abwegig und hochgradig gefährlich“.
Die RHEINPFALZ titelt am Freitag, dem 13. Januar in großen Lettern: „Rassismus bei Neujahrsempfang?“ Sowohl Henkel als auch Stein weisen die Vorwürfe umgehend als Verleumdung zurück. Henkel findet sie „geradezu lächerlich und infam“. Er habe nur gesagt: „Leute, schaut hin, an wen ihr verkauft.“ Es gehe um Clans, die in Friesenheim Fuß fassen und vermehrt Häuser kaufen würden, um sie in Monteursunterkünfte umzuwandeln. Es gebe im Stadtteil mittlerweile über 30 illegale Unterkünfte und deshalb Probleme mit Lärm, Müll und Parkplätzen. Er stellt klar: „Ich bin kein Rassist. Ich bin selbst mit einer Migrantin verheiratet und habe viele Bekannte mit Migrationshintergrund.“ Auch Stein (CDU-Mitglied) stellt klar: Ihm Rassismus vorzuwerfen, sei „das Allerletzte“. Er habe Bekannte aus Afghanistan und türkische Freunde. „Als Fasnachter in der Bütt muss man die Dinge auch beim Namen nennen können.“ Und: „Ich nehme kein Wort zurück.“
Auch wenn der Rassismus der dargestellten Äußerungen offen auf der Hand zu liegen scheint, wollen wir uns nicht vor der Frage drücken: Ist denn was dran an dem, was die beiden Herren und ähnlich wie sie viele andere da sagen?
„Aggressive Kunden mit Migrationshintergrund kaufen Häuser, um illegale Unterkünfte zu errichten.“
Tatsächlich wurden 2021 in Ludwigshafen im einstelligen Bereich Fälle sogenannter nicht angemeldeter Beherbungsbetriebe festgestellt. Die Wohnverhältnisse waren zum Teil extrem schlecht, d.h. beengt und gesundheitsgefährdend. In zwei Fällen konnte auch Schwarzarbeit und Prostitution festgestellt werden. Die Unterkünfte wurden durch gemeinsame Aktionen von Polizei und Ordnungsamt (offizielle Bezeichnung: Bereich Öffentliche Ordnung) kontrolliert und geschlossen, in einem Fall war auch – wohl wegen Corona – das Gesundheitsamt beteiligt. Ob die Inhaber dieser Unterkünfte überproportional häufig einen Migrationshintergrund hatten, ist nicht bekannt. Dieses dann aber, vielleicht auch aufgrund einzelner persönlicher Erfahrungen, einfach mal anzunehmen und diese Annahme auch noch hinauszutrompeten – genau dieses ist eine aktuelle Erscheinungsform des Rassismus.
Der Verfasser konnte an seinem Wohnort beobachten, wie ein deutscher Handwerker ein ihm gehörendes Haus mit bei ihm beschäftigten Rumänen belegt hatte. Eine Mülltonne hatte er offensichtlich nicht beantragt, sodass es gelegentlich dazu kam, dass einer der Rumänen – immer nur am Abholungstag – eine Mülltüte in die Tonne eines Nachbarn warf. Natürlich traf der Ärger der gesamten Straße nicht den Hausbesitzer, der sich auf Kosten der anderen die Müllgebühren gespart hatte. 2022 wurde in Ludwigshafen meines Wissens von keinem einzigen Fall einer sogenannten illegalen Unterkunft berichtet. Dies heißt nicht, dass es keine gab, es heißt aber, dass die Polizei und das Ordnungsamt, das übrigens auch für die Bekämpfung der Schwarzarbeit zuständig ist, davon wohl keine Kenntnis hatten. Wenn also Ortsvorsteher Henkel von 30 illegalen Unterkünften allein in Friesenheim weiß, warum teilt er dieses Wissen nicht mit der Polizei und dem Ordnungsamt? Statt erstens auf einer Silvesterveranstaltung die anwesenden Bürger zu was auch immer aufzurufen, zweitens pauschal und ohne Belege illegale Unterbringungen in Verbindung zu bringen mit Menschen mit Migrationshintergrund und drittens alle möglichen Lästigkeiten bis hin zu fehlenden Parkplätzen diesen Menschen auch noch pauschal in die Schuhe zu schieben. Hans-Uwe Daumann hat völlig Recht mit seiner Aussage: „Probleme mit Müll und Lärm pauschal auf den Migrationshintergrund zurückzuführen, ist völlig abwegig und hochgradig gefährlich.“
Ortsvorsteher Henkel spielt mit dem Klischee „Kriminelle Clans erobern unsere Stadt“. Das Institut für Bürgerrechte und öffentliche Sicherheit weist seit Jahren darauf hin, dass der „Mythos Clankriminalität“ ein rassistisches Konstrukt ist, welches von der PR der Polizei und populistischer PolitikerInnen dazu benutzt wird, um öffentliche Mittel bzw. Wahlstimmen zu erhalten. Regelmäßig veranstaltet die Polizei gegen die sogenannte Clankriminalität riesige Razzien mit Sondereinsatzkommandos, Polizeipanzern und hunderten von Polizisten. Dabei begrenzt sich die Anzahl der entsprechenden Delikte selbst in den Hotspots NRW und Berlin auf ca. 20 % der Delikte im Bereich der Organisierten Kriminalität. Es gibt eine Liste ethnischer Gruppen mit ca. 110 Namen und jedes Delikt, das einer Person mit dem entsprechenden Namen zugeordnet wird, wird zur Clankriminalität gerechnet, auch Verstöße aus dem Bereich des Verkehrsrechts, des Gewerberechts, gegen Hygienevorgaben, Jugendschutz, Nichtraucherschutz usw. usf. Mit dem Begriff der Clankriminalität werden aus politischem Kalkül ganze Bevölkerungsschichten stigmatisiert, indem sie öffentlich und medial fortlaufend mit schwerer Kriminalität in Verbindung gebracht werden.
„Überwiegend Täter mit Migrationshintergrund“
In Berlin wurde zunächst berichtet, junge Männer, vorwiegend mit Migrationshintergrund, hätten Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienste mit Böllern und Schreckschusspistolen angegriffen und 145 Menschen seien verhaftet worden. Erst über eine Woche später und auch erst auf Nachfrage wurde bekannt gegeben, dass nur 38 der Festnahmen in Zusammenhang mit den Böllerangriffen standen und dass davon zwei Drittel Deutsche waren. In den armen Vierteln Berlins, in denen diese Festnahmen ausschließlich stattfanden, ist der Ausländeranteil aber eher höher als bei den Festgenommenen. Natürlich weiß der Friesenheimer Fasnachtspräsident, dass es nicht möglich ist, deutsche Staatsbürger abzuschieben und zwar gleichgültig, ob sie den Vornamen Jan oder Alexander tragen oder ob sie Ali oder Mohammed heißen. Sein rassistisches Reimchen („Ich nehme kein Wort zurück.“), von dem sich auch der SPD-Ortsvorsteher nicht distanzierte, unterschlägt nicht nur das Überwiegen deutscher Tatverdächtiger, sondern impliziert ja auch extrem unterschiedliche Strafen für die gleichen Taten. Ausländer will er abschieben und befindet sich dabei – was die Sache aber nicht besser macht – in Gesellschaft unseres Bundesjustizministers. Und die Deutschen?
Auch diese Haltung, Vergehen härter bestrafen zu wollen, wenn sie von Ausländern begangen werden, ist eine häufige und leider häufig nicht erkannte bzw. bewusst ignorierte Erscheinungsform des Rassismus.
„Schnelle und harte Strafen gegen gewaltbereite Integrationsverweigerer“ (Nancy Faser)
Anscheinend ohne Anstrengung gelang es hier unserer Innenministerin, Friedrich Merz mit seiner Suade von den „kleinen Paschas“ weit rechts zu überholen. Sie vergisst zweierlei: Erstens, dass Menschen, die als Ausländer ‚gelesen‘ werden, deren Namen oder Aussehen ausländisch wirkt, auch dann Nachteile im Alltag und sowieso bei der Arbeits- und Wohnungssuche haben, wenn ihre Familien schon seit Generationen im Lande sind. MigrantInnnen können machen, was sie wollen, sie werden als Außenstehende gesehen. Dies hat gerade wieder der Bericht der Integrationsbeauftragten des Bundes, Frau Alabali-Radovan, belegt. Zweitens beruht die Wirkung von Strafen darauf, dass sie Angst erzeugen. Bereits 2017 wurde das Strafmaß für Angriffe auf Einsatzkräfte auf bis zu fünf Jahre erhöht. Was aber anscheinend junge Männer, die sich als hoffnungslos ausgeschlossen empfinden, nicht abschreckt. Eine solidarische Haltung ist auf Seiten der Opfer, und in der Silvesternacht waren das nun mal nicht diejenigen, die Böller schmissen, mögen sie noch so diskriminiert sein. Durch harte Strafen aber werden sie nicht den Respekt lernen, den Feuerwehrleute und Rettungssanitäter auf jeden Fall beanspruchen dürfen, die ihr Leben riskieren, um das Leben anderer zu retten. Macht und Einfluss vertragen sich eben nicht miteinander, man kann nur eines von beiden haben. Indem SPD, CDU und FDP mit dumpfen Parolen martialischer Machtpolitik um Wählergunst konkurrieren, vertiefen sie die Spaltung und die Gewaltanfälligkeit der Gesellschaft.
Michael Kohler