Kauffmannmühle: Nach dem Brand müssen wichtige Fragen gestellt werden

Katastrophaler Brand führt zum Abriss

Kauffmannmühle vor dem Brand (Bild: Rhein-Neckar-Industriekultur)

Der katastrophale Niederbrand der Kaufmannmühle im Mannheimer Jungbusch hat zu Recht eine mediale Berichterstattung bekommen. Das Gebäude ist durch den Brand offensichtlich so zerstört, das der nun der von der Stadt verfügte Abbruch notwendig geworden ist. „Da durch die thermischen Beanspruchungen und die daraus entstandenen Verformungen des Gebäudes die Standsicherheit der Außenwände nicht mehr gegeben war, wurde der Abbruch verfügt. Ein Erhalt der Außenwände war aufgrund der Einsturzgefahr nicht umzusetzen“, stellt die Stadt Mannheim fest.

(Anmerkung vom 09.02.2023: Bei der heutigen Sitzung des Ausschusses Umwelt und Technik des Gemeinderats Mannheim hat die Stadtverwaltung erklärt, dass versucht werde, die Außenfassade der ersten beiden Stockwerke des Gebäudes an der Front zur Hafenstraße zu erhalten. KIM)

Die Anwohner der angrenzenden Häuser wurden vorübergehend in Hotels untergebracht. Eine Stadtsprecherin erklärte gegenüber der Presse, dass die Hotelkosten von den der Stadt übernommen werden. Inzwischen sind die Bewohner wieder in ihren Häusern zurück bis auf ein Wohnhaus, das noch nicht freigegeben worden ist (Stand: 6.2.). Aber auch hier rechnet die Stadt mit einer baldigen Freigabe.

Ende gut, alles gut? Mitnichten, denn mit der Kauffmannmühle ist in der Tat das wichtigste und noch erhaltene unter Denkmalschutz stehende Gebäudes der Nachwelt unwiederbringlich verloren gegangen.

Zerstörte Kauffmannmühle nach dem Brand. Links der zum Wohngebäude umgebaute Silo. (Bild: KIM)

Auf der Internetseite von „Rhein-Neckar-Industriekultur e.V. kann man die beeindruckende Historie in dem Artikel „Kauffmannmühle – Erste Mannheimer Dampfmühle“ nachlesen. „Die Kauffmannmühle war die erste von sechs dampfgetriebenen Großmühlen, die um 1900 zum bedeutendsten Mühlenzentrum in Süddeutschland werden sollte.

Mit vielen Bildern wird die wechselvolle Geschichte dieses Gebäudekomplexes geschildert. Silos und Lagerhallen wurden ja inzwischen unter Erhalt der charakteristischen Backsteinarchitektur in Wohn- und Gewerberäume umgebaut.

Das eigentliche Mühlengebäude auf der anderen Straßenseite der Hafenstraße / Böckstraße, ist nun das von dem Brand zerstörte Gebäude.

Lange ist dieses Industriedenkmal dem langsamen Zerfall durch jahrzehntelangen Leerstand preisgegeben worden. Die beiden Weltkriege überstand der Mühlenkomplex noch unbeschadet. Die Weizenmehlmarke „Rheingold“ war bundesweit bekannt. Erst 1960 wurde die Produktion eingestellt. Seitdem ist praktisch Leerstand. Es gab diverse Zwischennutzungen, u.a. der Büroausstatter Kahl, aber seit 2007 steht es leer. Ein Brand im Jahr 1982  und der Abriss ehemaliger Lagerhallen gegenüber der jetzt abgebrannten Mühle auf der anderen Seite trugen ebenso zur weiteren Beeinträchtigung des Baudenkmals bei.

Das Feuer entzündete sich im gesamten Dachgeschoss , bevor es sich auf die unteren Etagen ausdehnte. (Bild: Ewert)

Aus der Darstellung von Industriekultur geht hervor, dass 1994 der Mannheimer Unternehmer Reinhard Suhl den Mühlenkomplex von der landeseigenen Hafengesellschaft zunächst pachtete um diesen 2004 zu kaufen. Er konnte es erst dann kaufen, weil die Hafenverwaltung eigentlich nur verpachten und nicht verkaufen wollte. Einige Gebäude, wie das ehemalige Verwaltungs- und Kantinengebäude und ehemalige, Lagerhalle wurden von Suhl saniert oder durchaus architektonisch passend umgebaut.

Unmut über brachliegende Flächen

Allerdings wurde nur ein Teil des Geländes von Reinhard Suhl entwickelt. Und auch hierbei bleibt vieles fraglich. Den ihm von mancher Seite gemachte Vorwurf der Immobilienspekulation, die der Gentrifizierung Vorschub leisten würde, soll an dieser Stelle nicht erörtert werden. Die sanierten Häuser der Hafenstraße, die neben der abgebrannten Kaufmannsmühle, sind aber weitgehend leerstehend. Das bekannte Kulturprojekt „Kulturbrücken“ musste bekanntlich vor einigen Jahren diese Räumlichkeiten verlasen. Das der abgebrannten Kauffmannmühle gegenüberliegende Brachgelände soll ebenfalls Reinhard Suhl gehören. Dort soll eine Parkgarage und ein mehrstöckiges Wohngebäude, das sich dem Kreativwirtschaftszentrum „C-Hub“ architektonisch anpassen soll, errichtet werden. Suhl soll hierfür Baurecht haben, er lässt das Brachgelände aber seit Jahrzehnten vergammeln.

Leerstand und Verfall der Kauffmannmühle

Am schlimmsten aber erweist sich nun der jahrzehntelange Leerstand der nun abgebrannten Kauffmannmühle.

In einem Twitter-Eintrag stellt der Mannheimer Architekt Dennis Ewert, der u.a. Gründungsmitglied von MOFA Mannheims Ort für Architektur ist, fest:

„Lange mussten wir dabei zusehen, wie die denkmalgeschützte Kauffmannmühle im Jungbusch verfällt. Erst einstürzende Dachbalken, dann herabfallende Fassadenteile und nun ein Großbrand, dessen Rauchschwaden bis in die Neckarstadt-Ost reichen. Was muss passieren, bis hier endlich gehandelt wird? Die leerstehenden Gebäude hätten schon längst saniert und einer Nutzung zugeführt werden müssen. Beispielsweise für dringend benötigten Wohnraum. Die Ursachen für diesen Brand und die Zerstörung eines bedeutenden Baudenkmals müssen lückenlos aufgeklärt werden. Sollte die marode Bausubstanz eine Rolle gespielt haben, müssen sich die Eigentümer:innen der Frage einer möglichen Mitschuld wegen jahrelanger Untätigkeit stellen.

Zukünftig brauchen wir neben der guten Zweckendfremdungssatzung mehr Handhabe gegenüber Leerständen sowie maroden und gefährdeten Bauwerken. Notfalls auch durch eine Stärkung der Möglichkeiten des kommunalen Baugebots und Sanktionen bei Unterlassung.“

Wie wahr und wie richtig für zukünftige Konsequenzen! Das Baugesetzbuch sollte diesbezüglich ergänzt werden und den Kommunen entsprechende Möglichkeiten zur Verfügung stellen.

Kauffmannmühle in der Abendsonne Feb. 2019. Im Vordergrund das Steuerhaus der Teufelsbrücke (Foto Ritter)

Strafrechtliche Konsequenzen?

Dass die Kauffmannmühle durch den langen Leerstand immer maroder wurde und so den Brand begünstigte, dürfte unbestritten sein. Leerstand aus Spekulationsgründen? Es dürfte jedoch schwierig sein, dem Inhaber Absicht und selbst Fahrlässigkeit nachzuweisen. Aber gerade deswegen sollte man nun genau hinschauen. Wurde im bzw. auf dem Gelände Material gelagert, dass den Brand begünstigte? Gibt es Brandschutzvorschriften, gegen die der Besitzer verstoßen hat? Hat er den Mangel nicht beseitigt, obwohl er es anders wissen konnte, ja sogar wissen musste?

Brandursache?

Brandstiftung? In den „sozialen Medien“ wird darüber natürlich wild spekuliert. Der Brand lässt in der Tat einige merkwürdige Beobachtungen aufkommen. Der Brand ist offensichtlich anfangs ausschließlich im Dachgeschoss aufgetreten. Innerhalb kürzester Zeit brannte die gesamte Fläche des Dachgeschoss. Dies lässt sich durch Beobachtungen und Bilder belegen. Erst danach konnte sich der Brand rasend schnell in die unteren Stockwerke ausbreiten. Das 140 Jahre alte Gebäude mit 6 Etagen hatte in den oberen Stockwerken nur Holzbalken und hölzerne Böden und Decken. Das brennt sehr schnell, aber die Frage belibt trotzdem: Wurden bei der Entstehung des Brandes Brandbeschleuniger eingesetzt? Da das  Gebäude offensichtlich vom Stromnetz abgekoppelt war, ist ein elektrischer Kurzschluss eher unwahrscheinlich. Wie entstand also der Funken, der das Feuer erst entfachte?

Die Polizei hat angekündigt, in alle Richtungen zu ermitteln. Nachdem das Gebäude abgebrannt und nun fast vollständig abgetragen wird, dürfte es sicherlich schwierig sein, entsprechende Beweismittel zu sichern.

Der Besitzer der Kauffmannmühle, Richard Suhl, hat gegenüber der Presse sein Bedauern über den Brand ausgedrückt, (was soll er auch anderes sagen?). Dort seien Wohnungen geplant gewesen. Viele Akteure des Jungbuschs bezweifeln ob des jahrzehntelangen Leerstandes diese Absicht und sehen dies als reine Schutzbehauptung. Für eine neue Nutzung des Geländes gibt es für einen Investor mit dem Abriß der alten Bausubstanz nun ein Problem weniger.

Es halten sich hartnäckig Gerüchte, dass das Gebäude erst kürzlich von Suhl verkauft worden sei.

Der Grundbucheintrag ist anscheinend nicht geändert, aber ein Kaufvertrag könnte abgeschlossen sein. Hierüber müsste aufgeklärt werden. Und könnte die Ermittlungen der Polizei auch in diese Richtung erweitern.

Roland Schuster

Link zum Artikel von Rhein-Neckar-Industriekultur e.V.:

https://www.rhein-neckar-industriekultur.de/objekte/kauffmannmuehle-erste-mannheimer-dampfmuehle