Vor einem halben Jahr: SEK-Überfall auf vier junge Afrikaner in Käfertal
Nicht vergessen – aber die juristische Aufarbeitung wird blockiert.
Vor fast genau einem halben Jahr, am 27.4.23., wurden vier junge Männer aus Benin, Delegations-Gäste der Black Academy in Mannheim, morgens acht Uhr, noch in ihren Betten liegend, von maskierten SEK-Polizisten regelrecht überfallen. Sie wurden erniedrigend behandelt und verletzt und zwei Stunden in der Kälte auf der Straße gefesselt festgehalten (Kommunalinfo Mannheim berichtete in der Ausgabe 9/2023).
Obwohl sie sich sofort unaufgefordert mit ihren Pässen auswiesen und die Polizei davon in Kenntnis setzten, dass sie sich u.a. mit Unterstützung des Goethe-Instituts im Rahmen eines UN-Programms in Mannheim aufhielten, und dass sie vom damaligen Oberbürgermeister Peter Kurz empfangen worden waren, ließ die Polizei nicht von ihrem eingeschlagenen Weg ab, die jungen Männer in die „Drogenfahndung“ einzubeziehen. Die ganze Aktion war ein „Mitnahmeeffekt“ im Rahmen einer Fahndung gegen zwei verdächtigte deutsche Männer im selben Haus. Da die jungen Männer aber nun einmal Schwarze waren, wurden sie sofort mitverdächtigt. Anders kann man die Aktion nicht interpretieren. Die Polizei erklärte später, man habe mit der Anwesenheit der vier Afrikaner gar nicht gerechnet. In der Spontaneität ihres dann folgenden Einsatzes ist dies schon ein klarer Beweis für das jedem racial profiling zugrunde liegende Grundmuster der schnellen Verdächtigung von People of Color, kriminell zu sein.
Anzeige gegen die am Einsatz beteiligten Polizeibeamt:innen – Staatsanwaltschaft stellt Ermittlungen ein
Die gastgebende Black Academy in Mannheim hatte das für ihre Gäste schockierende und traumatisierende Erlebnis öffentlich gemacht, nachdem sie sich zunächst einmal um die Versorgung und psychische Betreuung der traumatisierten jungen Männer sowie um eine neue Unterbringung bis zu deren Rückkehr nach Benin gekümmert hatte.
Danach begann der schwierige und langwierige Versuch, erstens die Unschuld der jungen Männer amtlich, und das heißt gerichtlich feststellen zu lassen, nachdem in der Presseberichterstattung zunächst die kriminalisierende Sichtweise der Polizei aufgegriffen wurde, die dann auch erfahrungsgemäß haften bleibt. Zweitens gilt es, rassistisch motivierte Polizeigewalt zu verurteilen und so die Notwendigkeit der Bekämpfung des strukturellen Rassismus innerhalb der Polizei zu verdeutlichen. Auf einer Pressekonferenz berichtete am 23.10. die Black Academy über den Stand ihrer Bemühungen.
RA Abdulselam Aslandur, Antidiskriminierungsbüro, erklärt, dass die Staatsanwaltschaft Mannheim die Ermittlungen eingestellt habe, da hier Aussage gegen Aussage stünden.
Eine Prüfung der Glaubwürdigkeit und Schlüssigkeit der gegenteiligen Aussagen wurde von der Staatsanwaltschaft offensichtlich gar nicht erst vorgenommen. Auch die Tatsache, dass zunächst viele Anwohner:innen Zeugen der Festsetzung der vier Männer auf der Straße waren, die auch Fotos anfertigten, scheint in den Augen der Staatsanwaltschaft irrelevant für die Frage zu sein, ob die jungen Männer verletzt wurden (durch das Stehenmüssen auf der Straße bei einer Temperatur von 6 bis 8°C), oder ob sie sofort mit Kleidungsstücken, Decken und Schuhen versorgt wurden (Aussage der Polizei). Auch die Tatsache, dass die Jugendlichen zunächst in Handschellen hinter dem Rücken und dann als „Erleichterung“ mit Kabelbindern gefesselt wurden, welches zu blutenden Wunden an den Handgelenken führte, scheint in Augen der Polizei irrelevant zu sein. Hierzu liegt ein anwaltlich eingeholtes ärztliches Gutachten vor, welches die Verletzungen bestätigt.
Besonders fragwürdig ist die Darstellung der Polizei, man sei von der Anwesenheit der vier Afrikaner überrascht worden. Seit wann werden geplante Zugriffe eines SEK vorgenommen, ohne die Örtlichkeit des Zugriffs vorher verdeckt auszukundschaften. In dem Gebäude des geplanten Zugriffs war seit über einem Jahr die Black Academy ansässig. Sie hatte dort immer wieder Gästegruppen untergebracht. Es war ein Kommen und Gehen von Menschen afrikanischer Herkunft.
Anwalt Aslandur hat gegen die Einstellung des Ermittlungsverfahrens Widerspruch eingelegt. Eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts steht noch aus. Als Nächstes müsste sich im positiven Fall dann die Oberstaatsanwaltschaft mit dem Vorgang befassen, deren möglicherweise negative Entscheidung dann nur noch vor dem Oberlandesgerichtshof anfechtbar wäre.
Der Anwalt der Black Academy hat keine Akteneinsicht gewährt bekommen, da er nicht die beschuldigte Seite vertrete. Dies, wie auch das ganze Verhalten der Mannheimer Staatsanwaltschaft findet Biplab Basu „skandalös“. Er ist seit den 80er Jahren in Berlin antirassistisch aktiv und hat die inzwischen öffentlich geförderte Initiative ReachOut Berlin mitbegründet. „ReachOut ist eine Beratungsstelle für Opfer rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt und Bedrohung in Berlin. ReachOut berät auch Opfer von Racial Profiling und rassistischer Polizeigewalt.“ (https://www.reachoutberlin.de/de/Unsere%20Arbeit/Beratung/). Basu hat große Erfahrung in rechtlichen Auseinandersetzungen gegen Fälle von Racial Profiling. In einem Fall der willkürlichen und verdachtsunabhängigen Kontrolle durch die Bundespolizei in einem Zug der Deutschen Bahn errang er (es betraf ihn selbst und seine 17-jährige Tochter) nach 10 Jahren (!) letztes Jahr einen Erfolg vor dem Europäischen Menschenrechtsgerichtshof, der feststellte: Vorwürfe von polizeilichem Racial Profiling seien so schwerwiegend, dass sie unabhängig untersucht werden müssen. (https://taz.de/Kampf-gegen-Racial-Profiling/!5885625/). Genau dies erfolgte bei dem Fall des SEK-Überfalls auf die vier afrikanischen jungen Männer nicht. Es ist sicherlich gut, dass die Black Academy Mannheim sich für die weitere Auseinandersetzung Kompetenz und Erfahrung z.B. aus Berlin zur Seite geholt hat. Denn im Kampf allein um die gerichtliche Bewertung des Vorfalls in Mannheim braucht es viel davon, außerdem gute Nerven, langen Atem und viel finanzielle Unterstützung.
Nicole Amoussou von der Black Academy Mannheim hebt allerdings abschließend hervor, es gehe nicht einfach nur darum, ein Urteil gegen zwei Polizisten zu erreichen. Die Polizei sei ein Produkt der Gesellschaft und in der Gesellschaft müsse sich etwas grundsätzlich ändern. Dazu bedürfe es viel Aufklärung und Aktivismus.
Thomas Trüper