„Moschee-Alarm“ in Käfertal
In Käfertal Süd hat der gut frequentierte Netto-Laden schließen müssen, denn die Eigentümer der Immobilie haben andere Pläne. Die Aufregung ist groß. Schon gibt es eine Unterschriftensammlung gegen die Änderung. Soll jetzt eine Spielhölle errichtet werden oder ein Nachtclub mit entsprechender Lärm- und sonstiger Belästigung oder gar ein Eroscenter? Gegen solche Pläne gab es vor Jahren in der Neckarstadt zwischen Industrie- und Zielstraße heftiges Rumoren und Widerstand. Nein. Eine „Moschee“ soll hier Einzug halten, genauer ein Gebetsraum. Zu diesem Zweck hat der Islamische Arbeiterverein e.V., Lortzingstr. 16 in der Neckarstadt West, mit seinem religiösen Omar Al-Faruq Center die Immobilie Neustadter Str. 57-61 gekauft. Sein Gebetsraum in der Neckarstadt sei inzwischen viel zu klein.
Nun wäre die Ansiedelung eines neuen islamischen Gebetsraums ohne sofortigen Protest fast eine Sensation – egal wo. Sehr groß war z.B. in Mannheim die Erregung, als 1989 die Stadt dem Islamischen Bund e.V. das Grundstück für die Errichtung der Yavuz Sultan Selim Moschee (Einweihung 1995) zur Verfügung stellte. Der Verein hatte bis dahin nur einen Hinterhof-Gebetsraum in G 5. Das Projekt wurde die bis dahin größte Moschee in der Bundesrepublik. Als Jahre später ab 2005 die „Kölner Zentralmoschee“, die bis jetzt größte ihrer Art, geplant wurde, strengte die rechtsextreme Bürgerbewegung pro Köln vergeblich ein Bürgerbegehren gegen die Pläne an. Eine repräsentative Umfrage ergab 2007 eine Befürwortung des Baus von 63%, wenn auch teilweise mit Einschränkungen.
Der Protest in Käfertal, u.a. von dem Projektentwickler und Eigentümer benachbarter Grundstücke Friedrich Naumer angezettelt, hat drei wesentliche Motive:
1. Sicherheitsbedenken, weil die Omar Al-Faruq Gemeinde ein Hort des Salafismus sei, 2. Verkehrs- und Parkplatzprobleme, 3. Der Verlust des Nahversorgers Netto.
Naumer und sein Mitstreiter, der Schreiner Rolf Stockert, führten Ende Januar eine privat organisierte Bürgerversammlung in einer Gewerbehalle Naumers durch, wo sie auch die Unterschriftensammlung „NEIN zu einer Salafisten-Moschee“ starten und 331 Unterschriften verzeichnen. Eingeladen sind die allernächsten Anwohner per Handzettel im Briefkasten. Offensichtlich auch die Stadtverwaltung. OB Specht lässt sich aus terminlichen Gründen durch seinen persönlichen Referenten David Linse vertreten. Ebenfalls vertreten sind Stadträte aller Fraktionen, die von der Veranstaltung allerdings über die Buschtrommel erfahren hatten sowie der künftige Wirtschafts- und Kultur-Bürgermeister Riehle. Die Bezirksbeiräte aus Käfertal sind nicht eingeladen worden, ebenso wenig Vertreter des islamischen Arbeitervereins. Dessen Sprecher Khalil Khalil und ein Kollege sind dennoch erschienen und „dürfen“ bleiben.
Im Folgenden veröffentlichen wir den Bericht der Bezirksbeirätin der Linken und Anwohnerin Rotraud Schmidt über den von OB Specht zum 8. Februar einberufenen Bürgerdialog in der evangelischen Philippuskirche in Käfertal. Sie hatte sich auch mit einem Beitrag an der Diskussion beteiligt und offensichtlich als Einzige auch auf die verfassungsrechtliche Komponente der Situation hingewiesen. Es geht hier ja zentral um die Tatsache, dass eingewanderte Menschen auch ihre Religionen mitbringen. Diese mögen der Mehrheitsbevölkerung gefallen oder nicht. Das ändert aber nichts an dem Recht auf Religionsfreiheit und dem Recht auf kollektive Religionsausübung.(tht)
Rotraud Schmidt:
Die Stimmung abends vor der Kirche ist genervt. Viele Käfertaler Anwohner stehen vor der Türe, müssen warten, wissen nicht, ob sie eingelassen werden. Die umliegenden Straßen sind vollgeparkt mit Autos von überall her: Speyer, Heidelberg, St. Ingbert, RP-Kreis.
Man hatte sich zuvor schriftlich anmelden müssen. War man zu spät, bekam man die Antwort, leider keine Anmeldung mehr möglich wegen Platzmangel, die Kirche fasse nur 200 Personen. Sie wurde dann auch wegen Überfüllung polizeilich gesperrt.
Ich, als angemeldete Bezirksbeirätin/Käfertal quetsche mich an der Warteschlange vorbei. Die Angemeldeten werden namentlich abgehakt. Im Eingang liegt das Schreiben der Verfassungsschutzpräsidentin, Beate Bube für jeden aus mit ihrer Einschätzung der Oman al-Faruq-Gemeinde.
Die sehr zahlreich erschienenen Mitglieder der Al-Faruq-Gemeinde haben frühzeitig auf der rechten Seite des Kirchenschiffes Platz genommen, links sitzen die Käfertaler und andere Bürger*innen. Der OB ist in Begleitung von Talat Kamran, Leiter des Mannheimer Instituts für Integration und interreligiöse Arbeit e.V., welches der DTIB-Moschee im Jungbusch angegliedert ist; und dem Sprecher des islamischen Arbeitervereins, Khalil Khalil, erschienen. Eine*n Moderator*in hat er nicht dabei. Das macht er selbst. Mit Block und Bleistift sitzt er vorne auf dem Stuhl und macht sich Notizen. Es gibt eine einzige Frau mit Saalmikrofon, die emsig hin und her flitzen muss.
In seiner Begrüßung lädt der OB zur Diskussion und zum Informationsaustausch ein. Er selbst bezieht keine Position. „Ich lehne die Moschee weder ab, noch werde ich sie fördern“. Er wolle den Prozess konstruktiv und kritisch begleiten. Er verweist jedoch auf die neueste Einschätzung der Präsidentin des Landes-Verfassungsschutzes, Beate Bube, die eine deutlich positive Änderung hinsichtlich salafistischer Aktivitäten sieht (s.u.).
Als nächstes spricht Talat Kamran. Er berichtet, wie lange die türkische Gemeinde darum gerungen hatte, um in Mannheim ihre Yavuz Sultan Selim Moschee am Ring errichten zu dürfen. Ungefähr 10 Jahre.
Danach stellt Khalil Khalil sehr ausführlich seine arabische Gemeinde, ihre Geschichte in MA und ihre Aktivitäten vor. Er wird begleitet von zwei weiteren Vorstandmitgliedern. Eine Frau Weber, die in MA studiert hat und die Frauen- und Jugendarbeit leitet, sowie einen jungen Studenten, der im SC-Käfertal Fußball spielt.
Nun melden sich fast eine Stunde lang ganz viele Gemeindemitglieder zu Wort. Sie legen dar, wie sie in Mannheim verwurzelt sind: Hier geboren, zur Schule gegangen, im Fußballverein aktiv, hier studiert haben und schließlich auch hier arbeiten und damit auch Steuern (und in die Sozialsysteme, Anm. d. Verf.) einzahlen. Sie erklären, wie wichtig ihnen diese neue Moschee ist, um ihre Gemeinschaft leben zu können und wie ihnen dies in ihrem Alltag hilft. Sie werben um Verständnis für ihr Anliegen.
Auf den Vorschlag aus der linken Saalseite, eine der vielen existierenden Moscheen zu nutzen, kommt die Antwort: Es gäbe 50.000 Muslime in Mannheim und dafür 13 Moscheen, das wären ja wirklich so viel.
Ich melde mich mit folgender Position zu Wort:
1.) Worum geht es hier? Es geht auf jeden Fall nicht darum, muslimischen Mitbürgern die Ausübung ihres Glaubens zu verwehren. Das ist ihr gutes Recht und nach Art. 4 unseres Grundgesetzes auch ihnen garantiert. Wir haben jetzt viel von Verständnis und Miteinander gehört. Worum es geht, ist, dass die muslimischen Bürger auch Verständnis haben mögen für Befürchtungen der Anwohner, dass es hier zu irgendwie gearteten radikal islamistischen, salafistischen Umtrieben/Aktivitäten kommt. Es ist ein Fakt, dass eine Frau aus der Al-Faruq-Moschee in der Neckarstadt 2017 im Irak als IS-Mitglied festgenommen wurde und dass der Verfassungsschutz seither die Omar-al-Faruq Gemeinde beobachtet. Ich denke aber, wir können diese ganze Salafistenfrage getrost dem Verfassungsschutz überlassen und den Justizbehörden und darauf vertrauen, dass diese eingreifen werden, falls es wieder zu solchen Vorkommnissen wie unter dem damaligen Imam kommt. Wir haben das hier eh nicht zu entscheiden.
Frage an H. Khalil: würde er sich hier vor aller Augen und Ohren von salafistischen Tendenzen lossagen?
- ) Der weggefallene Nahversorger
Es wäre schön, wenn wir wieder einen Einkaufsladen in der Nähe hätten, aber dies hat die Stadtverwaltung in ihrer Antwort auf den Antrag des BBR-Käfertal strikt abgelehnt mit Verweis auf das Zentrenkonzept. (Dieses Zentrum für Käfertal-Süd soll der noch nicht existierende Nahversorger am Chisinauer-Platz auf Spinelli sein. Von meinem Wohnort aus ist das doppelt so weit (1.150 m), als bis zum ehemaligen Netto-Markt (550 m). Hier entscheidet also die Stadtverwaltung.
3.) Parkplatzproblem
An dieser Stelle gibt es sowieso schon ein Parkplatzproblem, auch ohne Moschee. Vielleicht kann H. Khalil ja mit Alstom verhandeln, um deren Parkplatz gegenüber ab Freitag mittag nutzen zu können.
Außerdem ist eine Bushaltestelle direkt vor der Türe. Diese Fragen, Parken und Verkehr müssen vom Bauherrn bei der Stadt eingereicht und von den betreffenden Planungsabteilungen bewertet und entschieden werden. Insofern auch nicht unsere Entscheidung.
4.) Es gibt es offensichtlich einen Investor (H. Naumer, Organisator des Bürgertreffs und der Unterschriftensammlung), der hier 300 Wohnungen bauen will, aber nur, wenn es keine Moschee gibt. Das nenne ich offen muslim-feindlich.
5.) Frage an H. Khalil: Spielt die Lehre der Scharia eine Rolle in seiner Glaubensausrichtung?
Stellungnahme von Herrn Khalil:
– Wir sind keine Salafisten, die haben bei uns Hausverbot. Wir arbeiten eng mit Sicherheitsbehörden zusammen. Und wir betreiben Prävention auch mit unserer Jugendarbeit.
– Wir haben die Mannheimer Erklärung unterschrieben.
– Zum Nahversorger : wir könnten einen Laden einrichten, aber nur wenn wir die Mieter der beiden Wohnungen im oberen Stockwerk kündigen würden. Ob die Anwohner das wollten?
– Zur Scharia: wir halten uns an das Grundgesetz. Und selbst die Scharia schreibt vor, dass man sich an die Gesetze des jeweiligen Landes halten muss.
Stimmen aus der deutschen Bürgerschaft:
In ganz vielen Beiträgen der Anwohner ging es , wie schon zuvor beim Bürgertreff um die Probleme fehlender Nahversorger und fehlende Parkplätze. Also real existierende Probleme der Bürger, die mit der Errichtung einer Moschee erstmal gar nichts zu tun haben, die aber von manchen als Wasser auf ihre Mühlen Islamfeindlichkeit genutzt werden.
Ich möchte hier beispielhaft einige Äußerungen zitieren:
– Anwohnerin: Ich komme von der Arbeit, muss noch meine Mutter im Waldhof versorgen, komme dann endlich nach Hause und finde keinen Parkplatz.
– Ältere Frau: „Ich habe 35 Jahre gearbeitet, 4 Kinder großgezogen, lebe heute auf 45 m² und komme mit meiner Rente nicht klar. Warum wird nicht für uns mal was gemacht? Warum immer nur für die?“
– Herr Stockert, der Mitorganisator vom 30.01.: „Ich habe nichts gegen eine Moschee, könnt ihr ja bauen, aber woanders, nicht bei uns.“
– Junger Mann aus Käfertal: „Ich bin hier aufgewachsen. Für mich ist multi-kulti normal. Ich habe nichts gegen eine Moschee. Ich habe eher den Eindruck, dass einige Leute hier noch im Denken von vor Jahrzehnten verhaftet sind.“
– Der Vermieter des Hauses mit dem gegenwärtigen Gebetsraum in der Lortzing-Str. meldet sich zu Wort: Er betont, es habe nie irgendwelche Probleme mit der Gemeinde gegeben. Kein Lärm, keine Verschmutzung und erst recht keine Gewalttätigkeit. Wenn es was zu regeln gab, redete man miteinander und fand einvernehmliche Lösungen.
– Zum Schluss geht Herr Naumer vor zu H. Khalil – der immer wieder betont, man könne über alles reden und verhandeln, auch über einen Verkauf, wenn es ein Ersatzgrundstück gebe, – und ruft ihm wütend zu: “Ja, wir verhandeln und dann stelle ich den Antrag (er meint wohl den Bauantrag) und nicht Sie“.
Die Veranstaltung endet so: Es ist nichts eskaliert. Es ist aber auch nichts entschieden. Der Sprecher des islamischen Arbeitervereins lädt alle zu einem Mittagessen am 17. Februar in die Lortzingstraße ein, um den Dialog weiter zu führen. Der OB sagt, er nehme alle Anregungen und Wünsche mit, sie würden geprüft. [Anm. der Redaktion: Inzwischen wurden Ort und Uhrzeit von den Einladenden geändert: 17. Februar 14.00 Uhr Begnungscafé in der Neustadter Straße 59.]
Im Interview mit dem rnf-Fernsehen am Ende der Veranstaltung lässt Specht durchblicken, er könne sich trotz des Zentrenkonzepts wieder einen Laden dort vorstellen.
Stellungnahme der Präsidentin des Landesverfassungsschutzes vom 05.02.2024:
Möglicher Moscheeneubau in Mannheim-Käfertal
Ihre E-Mail vom 24. Januar 2024
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
vielen Dank für Ihre E-Mail vom 24. Januar 2024 zum möglichen Neubau der „Omar Al-Faruq“-Moschee in Mannheim. Innenminister Strobl hat – wie Ihnen ja bereits bekannt ist – auf Anfrage des Abgeordneten Dr. Weirauch im November des vergangenen Jahres Stellung zu dem Vorhaben genommen. Daran anknüpfend möchte ich Ihnen mit diesem Schreiben unsere Bewertung der verfassungsschutzrelevanten Aspekte des möglichen Neubaus der Moschee zukommen lassen.
Der „Islamische Arbeiterverein e.V.“ mit dem angeschlossenen „Omar Al-Faruq Center“ stand jahrelang im Fokus der Beobachtung durch das Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg (LfV). Er bildete eine Anlaufstelle für Sympathisanten und Aktivisten islamistischer Gruppierungen. Auch salafistisches Gedankengut war im Moscheeverein feststellbar, das in erster Linie durch den ab dem Jahr 2008 dort tätigen Imam Amen DALI verbreitet wurde.
Als typischer salafistischer Missionar entfaltete er seinen Einfluss über die breite Angebotspalette des Vereins hinaus. So führte er neben den regelmäßigen Freitagsgebeten verschiedene religiöse Schulungen durch und organisierte mehrtägige Vortragsveranstaltungen. Dabei war er auch häufig bundesweit in anderen extremistischen Moscheevereinen, beispielsweise in Heidelberg, als Referent zu Gast.
Seit dem Ende der Tätigkeit des salafistischen Imams Amen DALI im „Omar Al- Faruq Center“ im Jahr 2017 konnten keine salafistisch ausgerichteten Veranstaltungen oder Auftritte von bekannten Gastpredigern mehr festgestellt werden.
Dem LfV liegen aktuell keine weiteren verfassungsschutzrelevanten Erkenntnisse zum „Islamischen Arbeiterverein e.V.“ mit dem angeschlossenen „Omar Al-Faruq Center“ vor. Engagement von Salafisten kann im Verein aktuell nicht mehr festgestellt werden. Der Vorstand des Vereins hat sich glaubhaft von extremistischem Gedankengut distanziert.
Trotz dieser Distanzierung ist es wahrscheinlich, dass vereinzelt auch Anhänger der extremistischen salafistischen Ideologie die Moscheeräumlichkeiten nutzen und dort andere muslimische Gläubige ansprechen, um ihre Ideologie zu verbreiten. Dies ist darauf zurückzuführen, dass das „Omar Al-Faruq Center“ mit mehreren hundert Besuchern zu Freitagsgebeten über eine enorme Reichweite und ein erhebliches Personenpotential verfügt. Zudem erweist sich das „Omar Al- Faruq Center“ als eine attraktive Anlaufstelle für ein konservativ bis reaktionäres Spektrum der regionalen muslimischen Community. Die Anhänger einer extremistischen salafistischen Ideologie werden weiterhin durch das LfV beobachtet. Deren Aktivitäten können jedoch dem „Islamischen Arbeiterverein e.V.“ mit dem angeschlossenen „Omar Al-Faruq Center“ insbesondere aufgrund dessen glaubhafter Distanzierung von extremistischem Gedankengut nicht zugerechnet werden.
Ich hoffe, ich konnte mit diesem Schreiben die aufgetretenen Fragen beantworten.
Für Rückfragen stehe ich gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
gez. Beate Bube
Präsidentin des Landesamts für
Verfassungsschutz Baden-Württemberg