Wie weiter mit Galeria Kaufhof Karstadt?

Die Kaufhäuser denen, die sie brauchen!

 von Anton Kobel*

Galeria Kaufhof Karstadt ist nun in der dritten Pleite seit 2020. Sämtliche Eigentümerwechsel im letzten Jahrzehnt sicherten weder die Kaufhäuser als Stätten zur Versorgung der Bevölke­rung noch die Arbeits- bzw. Ausbildungsplätze für damals ca. 25.000 überwiegend weibliche Beschäftigte. Stattdessen verkamen die Häuser von Galeria Kaufhof Karstadt (GKK) zu rei­nen Spekulationsobjekten der Immobilienwirtschaft. Führend beteiligt waren ein Finanzjong­leur, der Kunsthändler Berggruen und zuletzt der Finanzhasardeur und Immobilienmogul Benko.

Benko verantwortet jetzt zusammen mit seinen Managern die dritte Insolvenz. Durch diese werden alle Teile seines Signa-Firmenimperiums in eine Insolvenz gezogen. Hunderte Millio­nen bzw. einige Milliarden Euro und die damit verknüpften Arbeitsplätze und Einkaufsmög­lichkeiten sind im Spiel der Spekulanten. Selbst die wirtschaftlich florierenden vier Luxus­kaufhäuser wie das Berliner KaDeWe und das Hamburger Alsterhaus sind nun insolvent. Das ist vor allem auf die stark gestiegenen Mieten zurückzuführen, die an Signa-Immobilienfir­men zu zahlen sind.

»Kollateralschäden« in Höhe von hunderten Millionen Euro verzeichnen Banken, Fonds, sowie der Bund, Berlin und Hamburg (zusammen 90 Mio. Euro Bürgschaft). Allein die Stadt Hamburg bürgte mit 20 Millionen für das Hamburger Prestigeprojekt Elbtower. In der Schweiz musste die Privatbank Julius Bär rund 600 Millionen Franken in den Wind, also (ab-)schreiben. Die Bundesrepublik ist auch mit einigen hundert Millionen Euro Corona-Hil­fen bzw. Krediten im Spiel.

Insgesamt wurden Ende Januar 2024 laut Forderungsverzeichnis »8,6 Milliarden Euro an angemeldeten Forderungen« gegen die Firmen der Signa Holding bekannt (FAZ, 29. Januar 2024). In Deutschland hat die RAG-Stiftung1 offensichtlich zwischen 180 und 350 Millionen Euro komplett abgeschrieben (FAZ, 31.1.24). Die Insolvenzverwalter werden bei diesen Sum­men ihrerseits satte Rechnungen für ihre gut dotierten Tätigkeiten schreiben. So soll ein Insol­venzverwalter anlässlich der Insolvenz von 2009 50 Millionen Euro Verwalterkosten erhalten haben. Ein mickriger Betrag für den/die Eigentümer, wenn sie dadurch Forderungen ihrer Gläubiger, Lieferanten, Beschäftigten usw. los werden.

Was nun?

Die/der Insolvenzverwalter wird noch vorhandenes Vermögen im Interesse der Gläubiger ver­werten. Die Beschäftigten der Kaufhäuser sind da ziemlich nachrangig dran, falls überhaupt noch etwas »Masse« vorhanden ist. Im Gespräch ist derzeit eine Weiterführung durch einen bzw. mehrere Investoren, die die Kaufhäuser übernehmen sollen. Dies sollen derzeit deutsche und internationale Einzelhändler und Fonds sein. Nachdenklich stimmt, dass z.B. auch die Kette Peek & Cloppenburg genannt wird, die sich gerade seit Monaten selbst in einem Insolvenzverfahren befindet. Die Suche nach Investoren aus dem Handel bedeutet, dass es mit Ga­leria Kaufhof Karstadt ähnlich wie bisher weiter gehen soll. Der Neue guckt, was aus dem La­den zu holen ist. Meist sind dies bisher Geschäfte als Vermieter oder Verkäufer der Immo­bilien.

Von der großen Politik ist derzeit nichts zu hören. Vielleicht werden im Wirtschaftsminis­terium wenigstens die Daumen gedrückt, dass die Bundesmittel für zwei Kredite an Benko von ca. 900 Millionen Euro nicht ganz verbrannt sind. Aktivitäten zu einer gesellschaftlich sinnvollen Nutzung dieser Innenstadt-Kaufhäuser sind bisher nicht bekannt, allerdings auch keine diesbezüglichen Aktivitäten oder gar Forderungen von ver.di gegenüber der Regierung.

Am deutlichsten sind Städte mit ihren Verbänden zu vernehmen. Sie wissen, was mit einer Schließung der Innenstadt-Kaufhäuser verbunden ist. Verloren gehen damit nicht nur Ein­kaufsmöglichkeiten sowie Arbeits- und Ausbildungsplätze vor allem für Frauen, sondern auch zentrale Fixpunkte einer Stadt. Die Kaufhäuser bestimmen noch immer wichtige Teile des Stadtbildes. Sie sind u.a. Orte des sozialen Lebens (»Wir treffen uns vorm Kaufhof«) und ge­wichtige Kundenbringer für die angrenzenden Dienstleistungsbetriebe wie Läden, Bistros usw. Kaufhäuser zählen inzwischen zur sozialen Infrastruktur einer Stadt. Die Angst vor leer­stehenden Kaufhäusern mobilisiert kleinere Gewerbetreibende wie Bewohner:innen. Über eine weitere Nutzung der Immobilien finden heftige Diskussionen auch in der Zivilgesell­schaft statt. Orte der Kommunikation und Künste, Märkte für Lebensmittel, Secondhand-Lä­den und Körperertüchtigung durch Fitnessstudios sind in der Diskussion.

In diese Diskussionen sind hie und da Betriebsräte und ver.di eingebunden. Beide favori­sieren den Einstieg von Investoren, die Einzelhandel betreiben wollen. So könnten am ehesten Arbeitsplätze für die von der Insolvenz betroffenen Beschäftigten erhalten werden. Ver.di ist da in einem bundesweit im Januar verteilten Flugblatt für die Beschäftigten deutlich zu ver­nehmen: »[…] Für rund 12.000 Beschäftigte und ihre Angehörigen sind mit der Insolvenz er­neut große Unsicherheiten verbunden. Wir kämpfen gemeinsam um jeden einzelnen Arbeits­platz. Die Gewerkschaft ver.di fordert von der Insolvenzverwaltung, hier für Klarheit und deutlich positive Perspektiven zu sorgen […]. Mit der schädlichen Praxis überzogener Mieten und teurer Dienstleistungen durch Signa muss so bald wie möglich Schluss sein […]. ver.di wird mit den Beschäftigten um die Zukunft jedes einzelnen dieser Arbeitsplätze kämpfen! […] Was es jetzt braucht ist ein strategischer Investor mit Handelskompetenz, der an die Stel­le von Signa tritt. Ein neuer Eigentümer muss es möglich machen, Galeria Karstadt Kaufhof als Ganzes zu erhalten und damit die Arbeitsplätze zu sichern.«2 Darunter folgt eine Beitritts­erklärung zu ver.di.

Als Handlungs-Perspektive ist das zu wenig, auch wenn alles Gedruckte richtig sein mag. Wichtig ist hier noch der Hinweis: »Für die Beschäftigten ist das Insolvenzgeld für drei Mo­nate gesichert […]. Beschäftigte müssen für den Bezug des Insolvenzgeldes gegenwärtig nichts unternehmen.« Auch das ist richtig! Aber kann und soll das als Perspektive für eine Gewerkschaft alles sein? Mir wurde bei meinen Besuchen im Kaufhof Heidelberg mehrfach die Frage gestellt: »Können wir denn nix machen? Nur warten?« Das sind Fragen von ge­werkschaftlich organisierten Kolleg:innen mit Streikerfahrungen. Die Erwartungen an ihre Gewerkschaft und ihre Bereitschaft zu handeln sind deutlich. Natürlich sind sie dankbar über jede Aufklärung, wie sie finanziell über die Runden kommen könnten, ihr Hauptaugenmerk richtet sich auf ein Weitermachen in und mit »ihrem Betrieb«.

Sie haben nicht vergessen, dass sie schon mehrfach auf tarifliche Leistungen in den letzten Jahren verzichtet haben, um ihre Arbeitsplätze zu retten. Und dabei gingen viele davon aus, dass das letztlich nicht viel bringt. »Gibt es keine Alternativen? Können wir denn gar nichts machen!« Das sind eigentlich keine Fragen, sondern Hilferufe an ihre Gewerkschaft – wohl­wissend, dass die auch nicht zaubern kann.

Eine Alternative: Vergesellschaftung durch Kommunalisierungen und lokale Genossenschaften

Im express 2/2023 habe ich unter dem Titel »VEB (= volkseigener Betrieb) Kaufhof-Karstadt denken und diskutieren« einige Gedanken zu einer möglichen Vergesellschaftung der Galeria-Kaufhäuser veröffentlicht.3 Die wenigen Reaktionen mir gegenüber waren alle wohlwollend, aber doch sehr verhalten. Eine echte Diskussion in ver.di-Handel hat nicht stattgefunden. Klar: Selbstorganisierte Mitverwaltung der Betriebe durch die Beschäftigten – früher Arbei­terselbstverwaltung genannt – sind kein aktuelles Thema in den deutschen Gewerkschaften. Und wenn, dann kamen sie selbst in den 1970ern aus Frankreich (Lip), Italien und England (Lucas Aerospace). Obwohl die deutsche Arbeiter:innenbewegung die meisten Erfahrungen mit gemeinwirtschaftlichen Unternehmen in Wohnungsbau, Fortbildung, Bank und Versiche­rung hatte, sind die positiven Erfahrungen verloren gegangen. Wenn auch die Belegschaften dort nicht an der Unternehmensleitung beteiligt waren, hatten doch Betriebs- und Aufsichtsrä­te mehr Rechte, als die Gesetze hergaben. Der schändliche Niedergang der gewerkschaftsei­genen Betriebe und die nie ernsthaft betriebene Aufarbeitung ihres Niedergangs bzw. der Gründe des Scheiterns zeigen noch heute ihre Folgen. »Sollen wir uns das nochmals antun? Wo wir doch schon genug damit zu tun haben, das Kapital und seine Vertreter zu zivilisie­ren.«

Dennoch bin ich überzeugt, dass die Beschäftigten und ihre Familien, aber auch die Gesell­schaft insgesamt großen Nutzen aus Selbstorganisation und Selbstverwaltung statt Fremdbe­stimmung ziehen könnten. Einzelne Städte haben wohl Interesse an GKK-Filialen auf ihrem Stadtgebiet bekundet. So z.B. Esslingen in der Nähe von Stuttgart und Stuttgart selbst. Ob und wie sie zum Zuge kommen, entscheiden Insolvenzverwalter und Gläubiger. Wie sich neue In­vestoren verhalten, darauf haben die Städte nur geringen Einfluss.

Wie wichtig den Städten, den Beschäftigten und ver.di die Innenstadtkaufhäuser sind, zei­gen ihre Aktivitäten, um die Vermieter der Immobilien zu Mietsenkungen zu bewegen.

Es bleibt die Frage: Warum soll alles der Markt regeln? Warum nicht eine Vergesellschaf­tung von Galeria Karstadt Kaufhof nach Artikel 14 und 15 Grundgesetz wagen? Die dazu vor­geschriebene Entschädigung der Eigentümer sollte im Falle Benko/Signa keine große Frage sein. Zumindest gibt es keine verfassungsrechtliche Verpflichtung, den Eigentümer zum Ver­kehrswert zu entschädigen.

Bei einer politischen Auseinandersetzung um die Höhe der Entschädigung müssen wir auf folgende Umstände hinweisen:

  • So hat die öffentliche Hand in den letzten Jahren ca. zwei Milliarden Euro in das Ben­ko-Imperium gepumpt. Allein der Bund hat 900 Millionen als Kredite gegeben, davon sind 700 Millionen nicht abgesichert! Frage: Warum eigentlich?
  • Auf wieviel Millionen Euro haben Städte verzichtet, als sie der Benko-Gruppe im Ver­lauf der Insolvenzen die Gewerbesteuer erlassen bzw. gestundet haben?
  • Galeria Karstadt Kaufhof hat während der drei Insolvenzen immense Summen an Ge­haltskosten durch das Zahlen von Insolvenzgeld an die Beschäftigten gespart. Auf wieviel Millionen Euro hat die Bundesagentur für Arbeit noch Ansprüche gegenüber Benko!
  • Die Beschäftigten selbst haben durch ihre Gewerkschaft per Tarifvertrag allein bis Ende 2012 auf 150 Millionen Gehalt verzichtet. Durch den Ausstieg von Galeria aus den Tarifverträgen des Einzelhandels im Jahre 2013 wurden die Gehälter um weitere 650 Millionen Euro gekürzt zugunsten der Eigentümer.

Das alles dürfte vorauseilende Entschädigung genug sein.

Eine Vergesellschaftung von GKK könnte wie folgt aussehen: Der Bund übergibt die ver­gesellschafteten Filialen in Treuhand an die Städte, in denen sie liegen. Ein Weiterverkauf durch diese wird ausgeschlossen. Die Anforderungen des Grundgesetzes an eine Vergesell­schaftung, nämlich »zum Wohle der Allgemeinheit« und in »Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft« können erreicht werden, wenn die Städte eine Weiterführung der Häuser ermöglichen. Um die Interessen und Erfahrungen der Städte, der Belegschaften, der Kunden und der Lieferanten zu gewährleisten, sollen diese beteiligten Gruppen in die Or­ganisation und Verwaltung der Filialen einbezogen werden. »Ein Drittel des Kapitals über­nimmt die Stadt als stadteigenen Betrieb, ein Drittel bekommt die Belegschaft als Gemeinei­gentum – also nicht der/die einzelnen Beschäftigte als Anteil in Privateigentum; das letzte Drittel wird in eine Genossenschaft der interessierten Kund:innen, Bürger:innen, Geschäftspartner:innen eingebracht, vergleichbar den aktuellen Genossenschafts- und Volksbanken« (s. VEB Kaufhof-Karstadt, express 2/2023).

Dies wäre eine neue Form der Vergesellschaftung durch Kommunalisierung sowie genos­senschaftliche Teilhabe der Beschäftigten und Kund:innen sowie Bürger:innen.

Wichtig ist, dass bei dieser wirtschaftspolitischen Intervention die Kommunen bzw. die öf­fentliche Hand den Zugriff auf die Flächen (wieder) bekommen bzw. behalten. Der innerstäd­tische Grund und Boden (auf dem die Warenhäuser betrieben werden) ist ein wichtiger Faktor für das Gelingen dieser Sozialisierungsinitiative.

Ob das eine gewerkschaftliche Forderung bzw. ein Vorschlag sein könnte, kann am ehes­ten in Diskussionen in der Gewerkschaft, in und mit den Belegschaften sowie in den betroffe­nen Kommunen eruiert werden. Erfolgsgarantien gibt es keine, vielleicht aber neue Erkennt­nisse und politische Handlungsmöglichkeiten.

Schließen möchte ich mit Adorno: »Die unlösbare Aufgabe besteht darin, weder von der Macht der anderen, noch von der eigenen Ohnmacht sich dumm machen zu lassen.«


*Anton Kobel ist seit 1973 gewerkschaftlich haupt- und derzeit ehrenamtlich tätig im Bereich Handel.

(1) Die RAG-Stiftung wurde zur Abwicklung des Ruhr-Bergbaus gegründet und verfügt über ein Vermögen von 17,6 Mrd. Euro (lt. Tagesschau.de vom 31. Januar 2024)

(2) Ver.di: »Die Galeria-Warenhäuser haben eine Zukunft!«, online: https://augsburg.verdi.de/fachbereiche/handel/++co++a53fa586-aff1-11e7-a601-52540066e5a9

(3) In der gleichen express-Ausgabe ist auch ein Artikel von Carsten Wirth mit dem Titel »Hat das Warenhaus eine Zukunft?« veröffentlicht worden.

Erstveröffentlicht In: express 2/2024


Eine Ergänzung:

Das Galeria Kaufhof Gebäude an der Kreuzung der beiden Fußgängerzonen Planken und Breite Straße: Eine wahrhaft zentrale Immobilie. Diese ist jetzt Teil der Insolvenzmasse der Signa-Gruppe. Während die nach der letzten Insolvenz übrig gebliebenen Filialen (Geschäftsbetriebe) noch im April großteils an einen neuen Investor verkauft werden sollen, bleibt die Frage nach den Immobilien. Beim letzten Immobilienverkauf durch Benko 2020 ging das Gebäude N 6 in Mannheim an Dieringer&Scheidel. Ein Großteil der Immobilien wurde von einem US-Finanzinvestor gekauft. Es wäre äußerst angebracht, wenn die Stadt Mannheim (oder – wie das mit dem Netto-Neuverschuldungsverbot heutzutage nur geht – eine städtische Gesellschaft mit städtischer Bürgschaft) die Immobilie erwirbt. Sollte sich die Galeria-Filiale erholen können, evtl. mit neuem Konzept, ist sie auf die Angemessenheit ihrer Mietzahlungen angewiesen. Benko hatte vollkommen überteuerte Mieten seiner Kaufhaus-Töchter verlangt, sodass diese sich genötigt sahen, Ende letzten Jahres die Mietzahlungen einzustellen. Sollte jedoch Galeria scheitern, ist es für die Stadt und ihre City von erheblicher Bedeutung, die Kontrolle über diese Immobilie zu besitzen, um die best mögliche Nutzung bewirken zu können. (tht)