30 Jahre Deckert-Skandalurteil am Landgericht – 30 Jahre AK Justiz [Videobeitrag]
Landgericht Mannheim im Januar 1995. 700 Menschen protestierten am Auschwitzgedenktag vor dem Gerichtsgebäude. Der Film „Nacht und Nebel“ von Alain Resnais wurde an die Hauswand projiziert und eine Schauspielerin rezitierte „Die Todesfuge“ von Paul Celan. Anschließend zog die Menge ins Stadthaus und hörte den Reden von Schillerpreisträgerin Lea Rosh und Fritz Endemann, Vertreter der Neuen Richtervereinigung.
Videobeitrag bei YouTube: https://www.youtube.com/watch?v=UO_RM58UJFo
Was war geschehen? Richter Orlet hatte den notorischen Holocaustleugner Günter Deckert zu einer milden Bewährungsstrafe verurteilt. In seiner Urteilsbegründung bescheinigte er dem NPD Vorsitzenden Charakterstärke und äußerte Verständnis für sein Handeln.
Dieses Skandalurteil war nicht nur Anlass großer Proteste der Zivilgesellschaft, auch in der Justiz rumorte es. Es kam zum einmaligen Schöffenstreik, da sich Schöffen weigerten, mit Richter Orlet zusammen zu arbeiten. Im Landtag wurde eine Richteranklage vorbereitet.
Für die Gruppe rund um die Organisator*innen der Proteste in Mannheim sind diese Tage der Beginn eines bis heute andauernden Engagements: Recherche, Veröffentlichung und Aufarbeitung der Geschichte des Nationalsozialismus. „Wir wollten den Finger in die Wunde stecken. Wo sind die blinden Flecken in Mannheim?“
Karin Berndt, Barbara Ritter und Heiner Ritter berichten im Interview von den Protesten gegen das Skandalurteil von 1995 und von 30 Jahren Engagement im AK Justiz und Geschichte des Nationalsozialismus Mannheim. (cki)
Beitragsbild: Kamillus Wolf
Veranstaltungstipp
1994 Das Mannheimer Skandalurteil zum NPD-Vorsitzenden Deckert und seine Folgen
Wann: 22. Januar 2025 um 18:00
Wo: MARCHIVUM (Saal im 6. OG), Archivplatz 1, 68169 Mannheim
Vortrag mit Mitgliedern des Arbeitskreises Justiz und Geschichte des Nationalsozialismus in Mannheim
Im August 1994 wird der NPD-Vorsitzende Günther Deckert vom Mannheimer Landgericht wegen Holocaust-Leugnung zu einer milden Bewährungsstrafe verurteilt. Das Urteil ruft einen Sturm der Empörung hervor, befeuert von der unsäglichen Urteilsbegründung des zuständigen Richters Orlet. Er attestiert dem Holocaustleugner „Charakterstärke und Verantwortungsbewusstsein“. Es gibt bundesweit und international Proteste. In Mannheim kommt es zu Mahnwachen vor dem Gericht und schließlich zu einem Streik der Schöffen – ein bis dato einmaliges Aufbegehren innerhalb der Justiz. Im Rahmen dieser Proteste gründet sich der „Arbeitskreis Justiz“ und organisiert Ende Januar 1995 eine große Gedenkveranstaltung zum 50. Jahrestag der Befreiung des KZ Auschwitz, an der rund 700 Menschen teilnehmen. Seither hat sich der Arbeitskreis in Mannheim zu einem anerkannten erinnerungspolitischen Akteur entwickelt, der sich engagiert den „blinden Flecken“ in der Aufarbeitung der NS-Zeit widmet.
Weitere Infos: https://www.akjustiz-mannheim.de/