Geldstrafe für Antifaschistin nach Protest gegen AfD
Am 7. März 2025 fand vor dem Mannheimer Amtsgericht ein Prozess statt, der schon im Vorfeld von den zuständigen Behörden offensichtlich politisch inszeniert wurde und auf Einschüchterung angelegt war. Die angeklagte Aktivistin sah sich wegen ihrer Teilnahme an Protesten gegen eine AfD-Veranstaltung mit vollkommen überzogenen Vorwürfen konfrontiert, und der Prozess fand unter absurden Sicherheitsvorkehrungen statt.
Konkret ging es um die antifaschistischen Proteste, die sich am 14. September 2024 gegen einen Propaganda-Ausflug der AfD auf dem Freizeitschiff „MS Kurpfalz“ richteten. Am Auftaktort der rechten Veranstaltung hatte sich eine Gruppe von Gegendemonstrant*innen formiert, die sich mit einem Transparent und Parolen am Neckarufer und auf der Kurpfalzbrücke aufhielten. Die eingesetzten Polizeikräfte gingen mit brutaler Gewalt gegen die Aktivist*innen vor, mehrere Protestierende wurden massiv misshandelt und eine Antifaschistin festgenommen.
Vor einigen Wochen erhielt sie die Ladung zum Prozess: Vorgeworfen wurden ihr tätlicher Angriff gegen Vollstreckungsbeamte in einem besonders schweren Fall sowie versuchte gefährliche Körperverletzung – beides Taten, auf die Freiheitsstrafen von mindestens sechs Monaten stehen. Umso grotesker wirkte der banale Ablauf der Ereignisse, den die Anklageschrift festhielt: Angeblich soll die Demonstrantin im Getümmel ihre Fahne in Richtung eines eingesetzten Beamten bewegt haben, jedoch ohne ihn zu berühren.
Damit war unübersehbar, dass die Staatsanwaltschaft hier ein einschüchterndes Exempel statuieren wollte, weshalb sich am 7. März dutzende solidarische Prozessbeobachter*innen vor dem Gerichtsgebäude versammelten. Als sich die Angeklagte und ihre Unterstützer*innen vor halb elf Richtung Eingang bewegten, wurden sie von Einsatzkräften aufgehalten: Weil vorab im Internet zur solidarischen Begleitung aufgerufen worden sei, seien erhöhte Sicherheitsvorkehrungen nötig, weshalb maximal acht Personen in den Prozesssaal dürften. Als Rechtsgrundlage verwiesen die Beamt*innen auf eine angebliche richterliche Anordnung.
Etwa vierzig Menschen mussten deshalb vor dem Amtsgericht warten und zogen zu einer Grünfläche unterhalb des Gerichtssaals, wo sie die Verhandlung mit Transparenten und Parolen begleiteten. Mit diesen solidarischen Zeichen stärkten sie der Angeklagten den Rücken und machten ihren Protest gegen das politisch motivierte Verfahren deutlich.
Währenddessen wurden die wenigen zugelassenen Beobachter*innen vor dem Saal einzeln schikanösen Kontrollen unterzogen: Sämtliche Taschen mussten entleert und die Oberbekleidung abgelegt werden, gefolgt von minutenlangem Abtasten. Trotz Protest wurden Frauen in Anwesenheit von aufmerksam beobachtenden männlichen Einsatzkräften abgetastet. Auch die Angeklagte musste sich dieser Prozedur unterziehen.
Da die Kontrolle pro Person rund fünf Minuten dauerte, verzögerte sich der Prozessbeginn um mehr als eine Stunde. Die Richterin konnte die verhängten Sicherheitsvorkehrungen nicht nachvollziehen, zeigte sich über die ausufernden Kontrollen verwundert und erhöhte die Zahl der zugelassenen Beobachter*innen immerhin auf fünfzehn. Dennoch waren die beiden Bänke im Gerichtssaal bei Weitem nicht gefüllt, und das Publikum wurde durch eine Plexiglasscheibe vom Geschehen getrennt.
Erst nach 11.30 Uhr konnte die Verhandlung schließlich beginnen. Drei Zeugen der Bruchsaler Einsatzpolizei schilderten, wie die Einsatzkräfte die Demonstrant*innen zurückgedrängt hatten, und erklärten, die Angeklagte habe in dem Gedränge zweimal mit der Fahne in Richtung eines Beamten geschlagen. Der Richterin erschien die ganze Situation allerdings wenig plausibel, weshalb sie mehrfach nachfragte, ob es sich nicht einfach um ein übliches Fahnenschwenken gehandelt habe.
Bei den folgenden Plädoyers forderte die Staatsanwältin das vollkommen überzogene Strafmaß einer einjährigen Haftstrafe auf Bewährung. Anschließend legte der Verteidiger dar, dass es sich nicht um versuchte Körperverletzung – schon gar nicht um gefährliche – handle und dass bei dem tätlichen Angriff auch kein besonders schwerer Fall gegeben sei. Für die bisher nicht verurteilte Angeklagte sei deshalb die gesetzlich vorgeschriebene Mindeststrafe bei einfachem tätlichem Angriff gegen Vollstreckungsbeamte anzuwenden, also 90 Tagessätze.
Die Pause bis zur Urteilsverkündung verbrachten die Angeklagte und Prozessbeobachter*innen in höchster Anspannung. Kurz nach 13 Uhr gab die Richterin das Urteil bekannt: Sie schloss sich in weiten Teilen der Argumentation des Verteidigers an und sah weder die versuchte Körperverletzung verwirklicht noch die besondere Schwere des Falls. Wegen einfachen tätlichen Angriffs verhängte sie deshalb 150 Tagessätze. Vor dem Amtsgericht nahmen die Unterstützer*innen die Angeklagte mit Erleichterung und Jubel in Empfang.
Auch wenn das Urteil weit unter der befürchteten Bewährungsstrafe zurückbleibt, stellen diese Vorstrafe und die damit verbundenen Kosten eine schwere Belastung dar. Ganz offensichtlich sollten mit dem gesamten Verfahren Aktivist*innen davon abgeschreckt werden, sich an antifaschistischen Protesten zu beteiligen.
Damit reiht es sich in eine ganze Entwicklung von schikanösen und verschärften Repressalien gegen linke und antifaschistische Demonstrationen ein, die elementare Grundrechte infrage stellen.
Rote Hilfe OG Heidelberg/Mannheim