Auch in Mannheim: Keine Räume für das Sprechen über palästinensische Selbstbestimmung
Schon wieder Kündigung von Veranstaltungsräumen. Diesmal Gewerkschaftshaus

Auch die Veranstaltung mit Prof. Baumgarten am 30.9.2024 musste in einem Zelt auf dem Mannheimer Marktplatz stattfinden, nachdem die Räumlichkeiten in der St. Sebastian-Kirche gekündigt worden waren.
Bereits 2019 bekam die neu gegründete Nahostgruppe Mannheim (NGM) eine organisierte Repression zu spüren Die Deutsch-Israelische Gesellschaft, die Jüdische Gemeinde Mannheim und der ,Arbeitskreis gegen Antisemitismus und Antizionismus’ übten Druck auf das Delta Park Hotel aus, den Vertrag über die Nutzung des Trafohauses für eine Veranstaltung mit Rolf Verleger zu stornieren. Mit einer einstweiligen Verfügung konnte die NGM in letzter Minute erzwingen, dass der Vertrag eingehalten wurde. Der inzwischen verstorbene Rolf Verleger, Nachfahre von Holocaust-Überlebenden sprach im Trafohaus vor 120 Personen über die Geschichte des Zionismus im Unterschied zu sozialistischen jüdischen Bewegungen.
Mit dem Bildungszentrum SanctClara hatte die Nahostgruppe im Herbst 2023 eine gemeinsame Abendveranstaltung mit der bekannten Journalistin Charlotte Wiedemann zur Vorstellung ihres Buches: „Den Schmerz der Anderen begreifen“ vereinbart. Nach den Ereignissen des 7.10.23 sagte SanctClara die Kooperation und damit den Raum ab.
Im Bürgerhaus Neckarstadt-West konnte Charlotte Wiedemann schließlich am 23.01.2024 sprechen. Aber auch hier hatten Stadtverwaltung und Jüdische Gemeinde die Geschäftsführung unter Druck gesetzt.
Mit der Mannheimer Abendakademie gab es eine Kooperationsvereinbarung für einen Vortrag des Publizisten und Politikwissenschaftlers Aref Hajajj am 27.03.24 mit dem Thema „Blutige Eskalation in Israel-Palästina. Gibt es dennoch konkrete Zukunftsaussichten?“. Auf Druck von Vertretern der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG) im Verwaltungsrat sagte die Abendakademie am 18.03. die Saalnutzung ab. Als Besucher:innen zur Abendakademie strömten und von der Absage erfuhren, war Volker Beisel, Stadtrat der FDP, als Vertreter der DIG vor Ort, um nach eigenen Aussagen sicher zu gehen, dass die Veranstaltung nicht zustande kommt.
Die katholische Kirchengemeinde St. Sebastian sagte für den 30.09.24 die Nutzung ihres Gemeindezentrums für einen Vortrag der Politikwissenschaftlerin Prof. Helga Baumgarten zu. Sie zog ihre die Zusage zurück, nachdem die Jüdische Gemeinde gedroht hatte, das Mannheimer „Forum der Religionen“ zu verlassen, wenn die Veranstaltung in den Räumen der Kirchengemeinde stattfinden würde. Die Veranstaltung mit dem Titel „Gibt es Hoffnungen für die Zukunft“ fand am 30.09. in einem Zelt auf dem Marktplatz statt. Im Zelt drängten sich 100 Teilnehmende zusammen, weitere 50 – 70 Personen saßen und standen außerhalb, um dem Vortrag zu folgen.
Räume im Gewerkschaftshaus buchte die Nahostgruppe für zwei Veranstaltungen am 29. April und 06. Mai 2025. Beide sagte die von der Gewerkschaft beauftragte Hausverwaltung kurzfristig ab. Am 29.04. sprach Jeff Halper im Rahmen seiner Rundreise durch Deutschland, die ihn in 11 Städte führte sowie in Österreich und die Schweiz. Nur in Mannheim gab es keinen Raum für diese Veranstaltung. Deswegen fand sie auf dem Mannheimer Marktplatz statt – im Freien. Zum Glück bei warmem, trockenem Wetter. Seine Präsentation konnte Halper allerdings nicht zeigen, weil es noch hell war. Für die nächste Veranstaltung mit Prof. Helga Baumgarten und Prof Norman Paech am 06. Mai bleibt auch nur ein Platz unter freiem Himmel. In zehn anderen Städten in Deutschland gibt es Veranstaltungsräume.
Die NGM sammelt an ihren Infoständen Unterschriften gegen den Entzug von Räumen. Ihr könnt diese Unterschriftenliste drucken und selbst Unterschriften sammeln. Kontakt: mannheimnahost@posteo.de.
Der Vorwurf des Antisemitismus wird für die Einschränkung von Grundrechten missbraucht
Die meisten Absagen nahmen Bezug auf die Resolution des Mannheimer Gemeinderats von 2018, die einen Bann über alle Meinungsäußerungen verhängte, die mit dem palästinensischen BDS-Aufruf zu Boykott, Desinvestition, Sanktionen gegenüber Israel in Verbindung gebracht werden konnten. Als antisemitisch gebrandmarkt wird seitdem jegliche Kritik an der israelischen Besatzung und Kriegführung. Antisemitismus wird gleichgesetzt mit Antizionismus. Nicht der Schutz jüdischer Menschen vor Diskriminierung, Feindseligkeiten oder Gewalt, für den sich auch die Nahostgruppe Mannheim einsetzt, wird eingefordert, sondern die bedingungslose Unterstützung Israels. Vom Grundrecht der Meinungs- und Informationsfreiheit werden Alle ausgeschlossen, die das Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser:innen einfordern. Denn dieses wird vom israelischen Staat mit Füßen getreten.
Die Stadt Mannheim propagiert ein „Zusammenleben in Vielfalt“ und gibt sich gern als weltoffene Stadt. Das Mannheimer Forum der Religionen nennt Toleranz, Verständigung und Frieden als Ziele. Beide machen sich unglaubwürdig. Denn Israel hat spätestens mit dem Bombardement und der Hungerblockade Gazas jede Glaubwürdigkeit verloren.
Raumverbote mit Verweis auf Anti-BDS-Beschlüsse politischer Gremien sind rechtlich nicht haltbar
Die Stadt Mannheim ist dem Grundgesetz verpflichtet und muss laut Gemeinderecht ihre Veranstaltungsräumeume allen bürgerschaftlichen Initiativen zur Verfügung stellen. So urteilte das Bundesverwaltungsgericht am 20.01.2022: „Die Beschränkung des Widmungsumfangs einer kommunalen öffentlichen Einrichtung, die deren Nutzung allein aufgrund der Befassung mit einem bestimmten Thema ausschließt, verletzt das Grundrecht der Meinungsfreiheit.“ Die Nahostgruppe Mannheim hat daher gegen die Stadt Mannheim eine Klage eingereicht, die noch anhängig ist.
Die nächsten Veranstaltungen der Nahostgruppe Mannheim
Dienstag 6. Mai 2025, 19:30 Uhr Marktplatz
- Völkermord in Gaza – eine politische und rechtliche Analyse
Dr. Helga Baumgarten und Prof. Dr. Norman Paech - Sa 10. Mai Infostand beim Max-Josef-Straßenfest
- danach wöchentlich samstags 11 – 15 Uhr Infostand am Marktplatz.
- Sa/So 17./18. Mai Marktplatz Erinnerung an die NAKBA mit Ausstellung und Podiumsdiskussion
- Dienstag, 3. Juni Naturfreundehaus Veranstaltung mit Rudolf Rogg, Mit EAPPI in den South-Hebron-Hills. Internationale Unterstützung gegen Vertreibung.
Nahostgruppe Mannheim
https://mannheimnahost.wordpress.com