Offener Brief: BASF Stakeholder-Workshop Menschenrecht
EUROPEAN CENTER FOR CONSTITUTIONAL AND HUMAN RIGHTS, BERLIN
Berlin, 11/05/2016
Sehr geehrter Herr Vorstandsvorsitzender Dr. Kurt Bock,
Sehr geehrter Herr Thorsten Pinkepank,
sehr geehrter Herr Marius BenjaminTrapp,
ich möchte Ihnen für die Einladung zur Teilnahme an ihrem Stakeholder-Workshop zur Überarbeitung der BASF Human Rights Position danken. Mit großem Interesse habe ich bereits im Mai 2012 an einer ähnlichen Veranstaltung Ihres Unternehmens teilgenommen. Die Ernsthaftigkeit Ihres Vorgehens und der Umfang der Human Rights Policy damals waren überzeugend. Umso enttäuschender ist darum Ihr Umgang mit dem sogenannten Marikana-Massaker vom August 2012 in einer südafrikanischen Mine, die Ihr langjähriger Zulieferer Lonmin Plc betreibt.
In erschreckender Weise gleicht Ihr Krisenmanagement dem von Billigherstellern: Statt sich mit der Situation der betroffenen Menschen ernsthaft auseinanderzusetzen und sich darum zu bemühen, dass das erlittene Unrecht zumindest in gewissen Umfang abgemildert wird, verweisen sie sich auf Prüfmechanismen und Sozial-Audits und ziehen sich damit aus der Verantwortung.
Die von Ihnen zitierten Audit-Berichte, nach denen die Arbeitsbedingungen in der besagten Lonmin-Mine einwandfrei seien, werden nicht offengelegt. Mir ist es ohne diese Informationen unmöglich, Prüfumfang und Prüftiefe zu beurteilen. Aufgrund meiner langjährigen Erfahrung und mit Bezug auf wissenschaftliche, empirische Forschung kann ich nur sagen, dass solche Audits extrem fehleranfällig sind und auch nicht alle Faktoren erfassen können, die angemessene Arbeitsbedingungen bestimmen.
Im Übrigen deckt sich Ihre Darstellung nicht im Geringsten mit den Berichten von Witwen getöteter Minenarbeiter, die ich im April dieses Jahres in Berlin getroffen habe. Laut der Berichten dieser Frauen hat sich an den schlechten Arbeitsbedingungen, die ja Anlass für die Streiks waren, seit 2012 nichts geändert. Insbesondere sind sie bis heute nicht in angemessener Art und Weise entschädigt worden, weder von der südafrikanischen Regierung noch von Lonmin und auch nicht von Ihrem Unternehmen. Es erscheint als Hohn, wenn die Witwen berichten, einigen von ihnen seien als “Entschädigung” Arbeitsplätze bei Lonmin angeboten wurden, und das auch noch zu einem schlechteren Gehalt als dem Ihrer verstorbenen Ehemänner. Das ist keine angemessene Entschädigung für die Ermordung des Hauptverdieners einer Familie.
Aus meiner Sicht steht es seit den Textilindustrie-Katastrophen in Pakistan (Ali Enterprises) und Bangladesch (Tazreen, Rana Plaza) vom September 2012 bis April 2013 außer Frage, dass einkaufende Unternehmen für angemessene Entschädigung sorgen müssen, wenn massenhaft Arbeiter und Arbeiterinnen in ihren Zulieferbetrieben ums Leben kommen. Diese Verpflichtung ist im Übrigen unabhängig von einer rechtlichen Verantwortung. In die bangladeschischen Entschädigungsfonds haben Unternehmen eingezahlt, die wesentlich kurzfristigere Verbindung zu ihren Zulieferern hatten, als Ihr Unternehmen zur Lonmin-Mine. Diese Präzedenz-Fälle gelten nicht nur für die Textilindustrie. Insofern würde es Ihrem Unternehmen gut anstehen, Ihrem Bekenntnis zu den UN Guiding Principles on Business and Human Rights gerecht zu werden und sich um die Einrichtung eines Entschädigungsfonds für die getöteten Minen-Arbeiter zu bemühen, in welchen die südafrikanische Regierung, Lonmin und die BASF AG sowie weitere einkaufende Unternehmen einzahlen sollten. An sich sinnvolle Maßnahmen wie Schulungen des Zulieferbetriebes, die Sie angeben, werden den Betroffenen nicht gerecht.
Da Sie ein solches Vorgehen aber bisher offenbar ausschließen, sehe ich mich nicht in der Lage an Ihrem Stakeholder-Workshop teilzunehmen. Ich habe keine Hoffnung durch meine Anwesenheit an der grundlegenden Unternehmenspolitik, die sich anscheinend mehr für Management-Systeme interessiert als für Menschen, etwas ändern zu können. Mit freundlichen Grüßen
Dr. Miriam Saage-Maaß
Vice-Legal Director