„Mein Kandel ist bunt“ war das Motto der Gegendemo – NPD war „nicht gekommen, um zu trauern“
Die NPD (Nationaldemokratische Partei Deutschland) in Rheinland-Pfalz will, nach eigenen Angaben, in der zurückliegenden Woche eine mehrtägige Flugblattverteil-Aktion in Kandel durchgeführt haben. Zum Abschluss dieser Aktion lud die rechtsnationale Partei am 06.01.18 zu einer Kundgebung in die südpfälzische Gemeinde ein, bei der auch der mehrfach vorbestrafte Günter Deckert ans Mikrofon trat. Die AfD (Alternative für Deutschland) in diesem Bundesland wurde massiv, als zu weich, durch die NPD kritisiert.
Rund 100 Bürger*Innen und Antifaschist*Innen wollten diese rechtsextreme Agitation nicht unbeantwortet lassen und demonstrierten lautstark, bunt und friedlich gegen Ausländerfeindlichkeit und Rassismus. Volker Poß (SPD), Bürgermeister der Verbandsgemeinde Kandel, der nach der Tötung, vermutlich einer Beziehungstat, einer jungen Frau Ende Dezember 2017 durch einen jungen männlichen Asylantragsteller, in extremer Weise verunglimpft und diffamiert wurde, verschaffte sich vor Ort einen eigenen Eindruck über die Geschehnisse an diesem Tag.
Starke Polizeikräfte sorgten für einen reibungslosen Ablauf und schienen besser aufgestellt und koordiniert zu sein, als am 02.01.18 (wir berichteten https://kommunalinfo-mannheim.de/2018/01/04/schweigemarsch-in-kandel-suedpfalz-von-rechten-instrumentalisiert-polizeikraefte-am-rande-ihrer-moeglichkeiten/ )
Schuldzuweisungen, angekündigte Strafanzeigen, Hasspropaganda und keine Spur von Trauer
prägten die Wortbeiträge der NPD-Vertreter. Ricarda Riefling und Jan Jaeschke wiederholten inhaltlich in ihren Ansprachen quasi dies, was sie schon am 30.12.17 in Speyer vortrugen (wir berichteten https://kommunalinfo-mannheim.de/2018/01/04/speyer-zeigt-courage-npd-steht-im-abseits/ ). Jan Jaeschke ergänzte nun, indem er sinngemäß sagte: „Mittlerweile sei man nirgends mehr in Mannheim sicher vor kulturfremden Horden“.
Der NPD-Altkader und u.a. wegen Holocaust-Leugnung vorbestrafte Günter Deckert, Parteikreisverband Weinheim-Heidelberg, hielt eine vor Hass- und Hetze strotzende Rede, die wir hier im Detail nicht wiedergeben werden. Auch hier hoffen wir, wie im Falle von Speyer, dass die anwesenden Vertreter der Polizei und Ordnungsbehörde genau zugehört haben. Wir beschränken uns in diesem Bericht daher auf einige wenige Kernaussagen. Deckert wetterte gegen die Bundesregierung ebenso, wie gegen sämtliche ehrenamtlichen Flüchtlingshelfer und lokalen Behörden; drohte mit Strafanzeigen gegen diese. Intensiv kritisierte er die Kosten für die Unterbringung und Finanzierung unbegleiteter Minderjähriger Ausländer (umA). Diese seien seinen Worten zufolge „alle nur Späher ihrer Herkunftsländer, um Deutschland zu einem Mischvolk und einem Hort für Terroristen zu machen“. Der Hassredner forderte eine 20-25%ige Asylantensteuer, die von Flüchtlingshelfern aus deren Nettoeinkommen zu bezahlen sei. Er unterstellte, dass in Kandel, mit amtlicher Beihilfe, Verkuppelungsorgien zwischen minderjährigen jungen Frauen und Testosteron gesteuerten “Negern” – er korrigierte sich -, Afrikanern stattgefunden haben sollen. Ähnliches soll sich Deckert zufolge auch in Weinheim/Bergstraße abgespielt haben, wo er glaubt zu wissen, dass deutsche Frauen, fortgeschrittenen Alters sinngemäß Lust auf knackige junge Männer aus Gambia hätten und denen für „Liebesdienste“ ein Taschengeld bezahlen würden. Mit diesem Zusatzeinkommen (zur staatlichen Unterstützung) würden die illegalen Forderer hier mehr verdienen, als ein Richter in Gambia, nach Deckerts eigenen Recherchen. Der AfD in Rheinland-Pfalz stellte Deckert kein gutes Zeugnis aus. Zu verweichlicht und zu nachgiebig sei diese Partei in Mainz. Uwe Junge (AfD-Chef im Landtag) kritisierte Günter Deckert wegen dessen getätigter Aussage, dass es in Afghanistan keinen sicheren Ort für Geflüchtete gibt. „Der hätte keine Ahnung was am Hindukusch (Gebirgsregion in Afghanistan) abgeht“. Zum Abschluss seiner Rede wünschte er den auf der anderen Straßenseite stehenden Antifaschist*Innen, dass diese baldmöglichst in Mannheim von einer Horde marodierender Eindringlinge so malträtiert würden, dass sie von ihren eigenen Eltern im Krankenhaus nicht wiedererkannt werden.
Markus Walter (NPD-Chef in Rheinland-Pfalz) stand in seiner, bisweilen konfusen Rede, Deckert nicht nach. Auch diese geben wir nicht umfänglich wieder. „Ich bin nicht gekommen, um zu trauern“, lautete sein Eingangsstatement. Um dann sogleich den Eltern der Verstorbenen „Mia“ die Schuld für deren Tod zu zuweisen. „Wer den Schlächter der Tochter ins eigene Haus lässt ist Mittäter”, so Walter sinngemäß. Auch er wiederholte in seiner Rede Inhalte, die er auch schon am 30.12.17 in Speyer vorgetragen hatte. Abschließend sagte er „Ich bin kein Rechtspopulist, ich bin Nationalsozialist.“
Nur 20-30 Leute konnten die NPD-Verantwortlichen nach Kandel mobilisieren.
Applaudiert haben sie sich nur gegenseitig. Ein Plakat, welches schon am 02.01.18 für Aufsehen sorgte, da es eigentlich seitens der Veranstalter des Schweigemarschs verboten war, wurde erneut am vergangenen Samstag hochgehalten.
„Mein Kandel ist bunt“
Unter diesem Motto gingen rund 100 Menschen auf die Straße, darunter auch der VG-Bürgermeister Volker Poß, um den rechtsextremen, rassistischen NPD-Vertretern deutlich zu sagen, dass diese hier nicht willkommen waren. Von ihrem ursprünglichen Versammlungsort aus zogen die antifaschistischen Bürger*Innen in kleinen Gruppen in Richtung des Ortes, wo sich die Neo-Nazi’s versammelt hatten. Mit Rufen wie „Es gibt kein Recht auf Nazi-Propaganda“, „Haut ab“, „Verpisst euch, niemand vermisst euch“ wurde gegen die Reden der NPD reagiert.
Nicht provozieren ließen sich die Gegendemonstranten von den Handyfilmern aus der NPD-Gruppe. Selbst als Ricarda Riefling nebulös meinte, dass die Antifa in Rheinland-Pfalz nichts auf die Reihe bekommen würde und an diesem Tag auf Unterstützung aus dem Saarland angewiesen sein soll, blieb die Menschenmenge ruhig und fragte sich wohl insgeheim „Wer ist die Antifa?“.
Faktisch belegt ist, dass die ohnehin schon stark geschwächte NPD in Rheinland-Pfalz auf personelle Unterstützung aus Baden-Württemberg angewiesen war.
Rückspiegel
Im Rahmen unserer Nachrecherchen zum 02.01.18, die noch nicht abgeschlossen sind, können wir jetzt bestätigen, dass es sich bei den Anmeldern/Initiatoren des rechtslastigen Schweigemarsches um Marco Kurz und Edgar Baumeister aus dem Rhein-Neckar-Raum handelt. Wir hatten deren Namen in unserer Erstberichterstattung nicht voll ausgeschrieben.
Marco Kurz versucht derzeit über eines seiner diversen, von Facebook, noch nicht gesperrten Nutzerprofile Spenden für angekündigte Strafanzeigen/Prozesskosten zu sammeln. Im Umkreis der Anmelder/Initiatoren werden die Rufe lauter zu vk.com (dem russischen Pendant zu Facebook, ohne jegliche Kontrolle und Moderation) zu wechseln, da man dort ungestört agieren könne. Eine neue geheime FB-Gruppe scheint M. Kurz in der vergangenen Woche gegründet zu haben, um nicht sämtliche „Follower“ auf FB zu verlieren bzw. um seine Mitstreiter, die nicht virtuell nach Russland emigrieren wollen, noch möglichst lange für seine rechtspopulistische Sache instrumentalisieren zu können.
Der ZDF Länderspiegel brachte am 06.01.18 eine Zusammenfassung der Geschehnisse in dieser Woche aus Kandel. Hier zu sehen gleich im ersten Bericht:
https://www.zdf.de/politik/laenderspiegel/laenderspiegel-vom-6-januar-2018-100.html
(Bilder und Text Christian Ratz)
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