Klimaschutz am Ende? – Morgenluft für die Kohle-Lobby?
– und auch eine Replik auf den Leserbrief von Joachim Schubert
Schon in den Sondierungsgesprächen für eine Jamaika-Koalition auf Bundesebene wurde deutlich, dass die Bremser in den Lagern von CDU, CSU und FDP die Oberhand gewinnen würden. Diese scheiterten dann zwar vordergründig am Ausstieg der FDP, aber inhaltlich spürbar insbesondere am Thema Klimaschutz und Kohleausstieg.
Nun wurden in einem Sondierungspapier, für eine Neuauflage einer GroKo, die ursprünglichen Ziele für 2020 aufgegeben. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) hat seinerseits bereits aufgefordert, auch die Langfristziele für das Jahr 2050 aufzugeben.
Bereits die letzte GroKo hatte ursächlich zum Verfehlen der Ziele beigetragen. Alle Maßnahmen liegen auf dem Tisch, allein es fehlte und fehlt der “politische Wille”.
Was sich auf der Bundesebene abzeichnet, ist aber auch auf der kommunalen Ebene erkennbar. Die Mannheimer Verwaltung hat bislang noch immer keinen Zwischenbericht mit Klimabilanz zu ihrem Klimakonzept vorgelegt. Auf Nachfragen durch den Gemeinderat Thomas Trüper wurden immer wieder neue Termine genannt, jedoch nie eingehalten.
Nun kündigte die Umweltdezernentin Kubala im Herbst 2017 eine Fortschreibung des Klimakonzeptes 2020 an. Ein Aktionsplan 2030 soll “die weiteren konkreten Schritte im Klima- und Umweltschutz in Mannheim beschreiben”, insbesondere soll die klimafreundliche Mobilität eine wichtige Rolle spielen (max2, Klimaschutzagentur Mannheim).
Es gibt aber auch erfreuliche Entwicklungen. So konnte das Münchner Bündnis „Raus aus der Steinkohle“ (www.raus-aus-der-steinkohle.de) im November einen Erfolg bei dem Bürgerbegehren erzielen. 60% der Teilnehmer plädierten dafür, ein Steinkohle-Heizkraftwerk vorzeitig bis 2022 stillzulegen.
Die Stadtwerke haben nun genug Zeit, Alternativen für die Fernwärmeversorgung zu planen und umzusetzen (in einer Studie des Öko-Instituts wurde u.a. ein Gas- und Dampfturbinen-Kraftwerk (GuD) mit Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) untersucht). Die Bundesnetzagentur muss nun überprüfen, ob das Steinkohlekraftwerk stillgelegt werden kann oder in den Reservebetrieb gehen muss.
Dies ist ein wichtiges Signal für viele Kommunen, nach eigenen Ausstiegsplänen zu suchen.
Auch ein Beispiel für Mannheim?
Bereits am 12.12.2015 hatte sich in Mannheim das GKM-Management im Mannheimer Morgen zu eigenen Stilllegungsplänen in Reaktion auf eine Veröffentlichung des Umweltforums (http://umweltforum-mannheim.de/sites/default/files/download/151211_UF_Klimaschutz_2015.pdf ) geäußert.
Vom GKM-Management wurde für Block 7 das Jahr 2026, für Block 8 das Jahr 2033 und für die Blöcke Block 6 und 9 das Jahr 2055 als Stilllegungsdatum genannt.
Der Pariser Klimavertrag von November 2015 stellte neue, höhere Ansprüche und verursachte ein weltweites Ringen um die Nutzung der Kohle. Es wurde in meinem Artikel zum GKM kein Ausstiegsdatum gefordert (auch nicht 2025, wie von Herrn Schubert behauptet), sondern verschiedene Studien zitiert, u.a. auch eine bekannte Studie des Öko-Instituts und der Prognos AG, die einen generellen Kohleausstieg bis 2035 untersucht. Für das GKM werden folgende Stilllegungszeitpunkte genannt: Block 7 bereits 2019, Block 8 dann 2024 und die Blöcke 6 und 9 jeweils 2036 (Tabelle A-10: Transformationsszenario). Diese Werte gehen über die vom Umweltforum genannten Ziele hinaus, da die damals dort zu Gunde gelegte Studie sich u.a. auf ein Ausstiegsziel 2040 bezog.
Eine Brücke im Übergang zur vollständigen Energieversorgung mit erneuerbaren Energien können nur Kraftwerkstechnologien für sich beanspruchen, die einen entscheidenden Beitrag zur Senkung der CO2-Emissionen leisten können. Kohlekraftwerke gehören nicht dazu (wie im Leserbrief von Herrn Schubert behauptet). Vor allen Dingen hocheffiziente Erdgas-KWK-Kraftwerke, wie Block-Heiz-Kraftwerk (BHKW) oder GuD-Kraftwerke, wie beispielsweise das neue, 2016 in Betrieb gegangene, Kraftwerk Fortuna der Stadtwerke Düsseldorf (EnBW Beteiligung 54,95 %) oder auch das in Bau befindliche Motoren-Heizkraftwerk der Stadtwerke Kiel (MVV Beteiligung 51 %).
Fortuna hat übrigens eine hohe Stromkennzahl (= Stromleistung/Wärmeleistung), nämlich 2, und ist damit prädestiniert für eine hohe Stromproduktion.
Der Unterschied zum Block 9 besteht jedoch im elektrischen Wirkungsgrad, der mit 61,5 % und dem Brennstoffnutzungsgrad, der mit maximal 85 % angegeben wird, und dem Einsatz von Erdgas statt Steinkohle (https://www.swd-ag.de/medien/dokumente/mediathek/block_fortuna.pdf).
Deshalb wäre dieses Kraftwerk in Mannheim ein wesentlicher Fortschritt im Hinblick auf Ressourcenschonung und Klimaschutz im Übergang zu 100% erneuerbaren Energien gewesen.
Eine hohe Stromkennzahl bei KWK-Anlagen bedeutet übrigens immer, dass die Auslegung auf eine hohe Stromproduktion ausgerichtet ist. Beim GKM beträgt die Stromkennzahl 1,43 und die Stromproduktion 2016 war 3,44 mal so hoch wie die Wärmeproduktion (siehe Tabelle im Artikel zum GKM 2016).
Insbesondere für die großen Energiekonzerne RWE, E.ON oder EnBW, ist dies eine wirtschaftliche Notwendigkeit (Herr Schubert hält beim GKM den Anschein des umweltfreundlichen Fernwärme-Kraftwerks aufrecht).
Es gibt aber auch viele Kohle- und Gaskraftwerke mit niedrigeren Stromkennzahlen. Darin kommt zum Ausdruck, dass eher die Wärmeproduktion im Hinblick auf eine kommunale Energieversorgung wichtig ist (Beispiele: Fernheizkraftwerk der TWL in Ludwigshafen oder der Stadtwerke Saarbrücken mit Stromkennzahlen zwischen 0,5 und 1).
Ernsthafte Mannheimer Klimapolitik muss sich offensichtlich in nächster Zeit auf Wege zu einem Ausstieg aus der Kohlekraft verständigen. Der BUND Rhein-Neckar hatte im Vorfeld zur Weltklimakonferenz im November 2017 bzw. parallel zu den Sondierungsverhandlungen (s.o.) in einer Erklärung und auf einer Demonstration am GKM einen Ausstiegsplan gefordert. Wäre es nicht erforderlich, dass sich die Politiker im beginnenden Kommunalwahlkampf konkret zu ihren Absichten äußern?
Morgenluft für das GKM?
Es ist nicht verwunderlich, dass ein Leserbrief (wie der von Herrn Schubert) zu meinem Artikel “GKM – Zwei Jahre nach Inbetriebnahme” gerade in dieser Phase, ein halbes Jahr nach Veröffentlichung, Eingang in das Kommunalinfo Mannheim (KIM) gefunden hat, prominent als Artikel publiziert, der ein Bild zeichnet, das in weiten Teilen den Broschüren und Veröffentlichungen des GKM zu entnehmen und von der Substanz her nicht neu ist.
Es wäre eher darauf angekommen, an der Aufklärung über die aktuelle Energiepolitik und der Diskussion über die Zukunft der Energieversorgung Mannheims teilzunehmen.
Leider hat sich beim Zitieren von Tabellenwerten der AG-Energiebilanzen e.V. ein ärgerlicher Fehler eingeschlichen: Ich hätte darauf hinweisen müssen, dass diese Werte sich nur auf KWK-Prozesse beziehen und nicht mit realen bzw. gemessenen Werten verglichen werden können.
Das mindert jedoch keinesfalls die belegte Feststellung, dass bislang wenig Effizienzverbesserung seit Inbetriebnahme des Block 9 festzustellen ist (siehe Tabelle). Es hat auch wenig Aussagekraft nur die Auslegungswerte des Block 9 zu wiederholen (Schubert nennt: maximal 46,7 elektrischer Wirkungsgrad und 70% Gesamtnutzungsgrad), da diese genauso wenig etwas über die Realität aussagen (Methodenpapier zur Bewertung von KWK-Anlagen in mittelfristiger Perspektive bis 2030, S. 21, Öko-Institut 2015).
Zur Aufklärung wäre an dieser Stelle eine Offenlegung der Brennstoffnutzungsgrade sowie der Volllaststunden der einzelnen Blöcke 9, 8, 7 und 6 notwendig, die bislang jedoch nicht im Geschäftsbericht publiziert sind. Um Zweifel über die Effizienz des GKM zu beseitigen, sollte dieser Schritt doch eigentlich möglich und von Seiten des Managements nicht zu fürchten sein.
Kohlekraftwerke waren in den Jahren 2014/2015 in der Tat am Strommarkt erfolgreich, allerdings zu Lasten von Gaskraftwerken, was der Klimabilanz Deutschlands abträglich war.
Zu der im Leserbrief genannten eingesparten Menge an CO2 durch Block 9 fehlen Quellenangabe bzw. Berechnungsgrundlagen. Die Begründung dafür ist bekannt und gehört zu der Kategorie von branchenüblichen Werbetexten. Fakt ist, dass das GKM 2016 gegenüber 2014 ca. 1,13 Mio. Tonnen CO2 in diesem Jahr mehr ausgestoßen hatte (Tabelle nach UBA).
Die Realität ist jedoch wesentlich komplexer. Durch die Verdrängung von Strom aus Gaskraftwerken durch Steinkohlekraftwerke (siehe Hinweis oben), was im Wesentlichen auf niedrigere Gaspreise zurückgeführt werden kann, wurde beispielsweise mehr CO2 ausgestoßen.
Die Sicherung von Strom- und Wärmeversorgung in der Übergangszeit kann auch durch ein hocheffizientes GuD-Kraftwerk sowie BHKW erreicht werden, mit dem schönen Effekt der Vermeidung von CO2-Emission um mehr als die Hälfte (wie bereits in früherem Artikel in der KIM erläutert). Der Leserbriefschreiber orientiert sich aber offensichtlich eher am Abschaltplan des GKM-Managements (s.o.), das auf maximalen Profit ausgerichtet ist (“Goldenes Ende” der Kraftwerksnutzung).
Als hinreichend belegt gilt vor allen Dingen, dass ein Energiesystem auf Basis von erneuerbaren Energien auch ohne Grundlast im herkömmlichen Sinne auskommt. Die sichere Energieversorgung mit Wärme und Strom wird erreicht durch ein Zusammenspiel von vielen tausend Wind-, Sonnen-, Biomasse-, Wasserkraft- und Geothermie-Kraftwerken sowie ausreichenden Speicherkapazitäten (Strom, Wärme, Gas). Die erneuerbaren Energien im Stromsektor lieferten 2017 33,1% der in Deutschland produzierten Bruttostrommenge und deckten 36,1% des Stromverbrauches. Windenergie übertraf 2017 bereits Kernkraft und Steinkohle im Strommix. In der sog. kalten Dunkelflaute im Januar 2017 konnten Wasserkraft- und Biomasse immerhin 18% des Stromleistungsbedarfs decken (Agora Energiewende).
In diversen Veröffentlichungen von BMWi, BMU, UBA und entsprechenden wissenschaftlichen Instituten können alle Fakten und Zusammenhänge nachgelesen werden.
Die vermeintliche Morgenluft zugunsten des Steinkohlekraftwerks GKM stellt sich beim genaueren Hinschauen als Lüftchen heraus.
Günther Frey
Der Autor ist Physiker und war von 2001 bis 2010 Wissenschaftler am Institut für ZukunftsEnergieSysteme in Saarbrücken (www.izes.de).
Empfehlung zum Weiterlesen