Kommt ein Verbot der Roten Hilfe? Das sagt die Ortsgruppe Heidelberg-Mannheim
Ende November meldete der “Focus” als erstes Medium, dass Innenminister Horst Seehofer ein Verbot des Vereins Rote Hilfe (RH) plane. Es scheint eine weitere Eskapade des abgehalfterten Ministers zu sein, der vor seinem unvermeidlichem Abgang wohl noch einige mit in den Abgrund reißen will. Doch wie realistisch ist ein solches Verbot und was würde es für linke Strukturen in der Rhein-Neckar-Region bedeuten? KIM sprach mit einem Aktiven der Rote Hilfe Ortsgruppe Heidelberg-Mannheim.
Was ist die Rote Hilfe?
Das Magazin “Focus” berief sich in seinem Artikel auf Recherchen in Sicherheitskreisen. Demnach werde ein Verbot vorbereitet. Bestätigen will das Innenministerium das nicht, da generell keine Auskünfte zu etwaigen Verbotsüberlegungen gemacht würden. Der Inlandsgeheimdienst Verfassungsschutz rechnet dagegen in seinem Jahresbericht vor: Die Rote Hilfe sei die am schnellsten wachsende “linksextremistische” Organisation mit über 9000 Mitgliedern. Jährlich würden im Rahmen von Prozesskostenhilfe rund 250.000 Euro für Anwälte ausgegeben. Die Mitglieder finanzierten das unter anderem über deren Mitgliedsbeiträge in einer Höhe zwischen 90 und 120 Euro jährlich pro Person.
“Juristisch machen wir zunächst mal nichts anderes, als Aktivist*innen in Schwierigkeiten über ihre Rechte und Pflichten aufzuklären. So gesehen sollten wir Fördergelder vom Staat bekommen”, entgegnet der Sprecher der Roten Hilfe, “Aber natürlich handeln wir so nicht weil wir es juristisch dürfen und wir Fans des sogenannten Rechtsstaats sind, sondern weil wir ein politisches Interesse daran haben, linken Aktivist*innen so gut es geht, den Rücken frei zu halten.”
In ihrer Selbstbeschreibung bezeichnet sich die Rote Hilfe als parteiunabhängige, strömungsübergreifende Solidaritätsorganisation, die politisch Verfolgte aus dem linken Spektrum unterstützt. Man sei keine karitative Einrichtung. Neben materieller, wolle man auch politische Unterstützung leisten.
Und was macht sie speziell im Raum Heidelberg/Mannheim?
“Wir unterstützen Aktivist*innen, die aufgrund ihrer politischen Handlungen Probleme mit den Repressionsorganen bekommen. Die Unterstützung kann sowohl finanziell als auch beratend oder durch Öffentlichkeitsarbeit stattfinden. Die Arbeit der Aktivengruppen vor Ort, so auch die aus Heidelberg-Mannheim, besteht zusätzlich aus Aufklärung durch Infostände oder Veranstaltungen zu den Themenfeldern Überwachung, Repression oder auch die Arbeit mit politischen Gefangenen im Knast.” erläutert der Sprecher der Ortsgruppe. “In der letzten Zeit kamen Unterstützungsfälle insbesondere aus dem Bereich Antifaschismus. Sei es bei Aktionen gegen die Naziaufmärsche in Kandel oder bei Protest gegen die AfD in der Stadtbücherei in Heidelberg. Ansonsten gibt es immer wieder kleine Sachen, wie Sprühereien oder den Nachklapp von politischen Großereignissen wie Ende Gelände oder der G20 Gipfel in Hamburg.”
Straftaten können der Rote Hilfe im Falle einer Verbotsbegründung wohl kaum vorgeworfen werden. Vielmehr hängen sich ihre politischen Gegner an der solidarischen Unterstützung von (linken) Straftäter*innen auf. Beim Verfassungsschutz liest sich das so: “Durch meinungsbildende Öffentlichkeitsarbeit (Publikationen, Vorträge, Demonstrationen)” versuche man “die Sicherheits- und Justizbehörden sowie die rechtsstaatliche Demokratie zu diskreditieren”.
Ob der Verfassungsschutz in der aktuellen Verbotsdiskussion federführend sei? Der RH-Sprecher ist zurückhaltend: „Wir haben schon immer einen Stammplatz im Verfassungsschutzbericht. Welch Geistes Kind der deutsche Inlandsgeheimdienst ist, zeigt sich immer wieder, wie jüngst bei der Affaire um Maaßen. Diese postfaschistische Organisation arbeitet immer gegen uns. Ob sie im speziellen Fall antreibend war, ist müßig zu bewerten.“
Vorgeworfen wird der Roten Hilfe auch, dass man die Unterstützung damit verknüpfe, bei der Polizei und vor Gericht keine Aussagen zu machen. „Jede Anwältin und jeder Anwalt gibt Angeklagten zunächst einmal den selben Rat“, erklärt der RH-Sprecher diesen Grundsatz. „Es würde ja auch keinen Sinn machen, den einen Unterstützungsfall darin zu bestärken, uns einen neuen zu schaffen. Wir wollen, dass niemand anderes durch Aussagen belastet wird. Jedoch haben wir keinerlei Sanktionen bei anderen Handlungen und wollen dies auch gar nicht. Kurz gesagt: Wer aufgrund von linken Aktionen Probleme mit dem Gesetz hat und weder sich noch andere belastet, bekommt unsere Unterstützung. Wer sich anders verhält, wird von uns eben nicht oder zumindest weniger unterstützt.“
Rückblick: Rote Hilfe unterstützte schon die Lechleiter-Gruppe
Ist politische Solidaritätsarbeit in Deutschland im Jahr 2018 also noch erlaubt? In ihrer heutigen Form gibt es die Rote Hilfe seit 1975. Doch ihre Tradition ist viel älter. Die Rote Hilfe Deutschlands wurde 1924 gegründet und stand der KPD nahe. In der Zeit des Nationalsozialismus kam ihr eine bedeutende Rolle zu. Die Verfolgung von Kommunisten und Sozialdemokraten war unter den Nazis so brutal wie nie zuvor. Die Familien der in den KZs Inhaftierten und Ermordeten litten Not und die Rote Hilfe versuchte, mit dem nötigsten zu unterstützen: Geld, Lebensmittel, aufbauende Worte.
Die Mitglieder der Lechleiter-Gruppe, der größten Widerstandsgruppe gegen die Nazis in Mannheim, erfuhren Unterstützung von der Roten Hilfe. Geldspenden wurden dann zum Teil auch für die Herstellung der illegalen Zeitung “Der Vorbote” verwendet. Damals wie heute sah sich die Rote Hilfe nicht als rein karitative Organisation, sondern wollte und will zur politischen Arbeit motivieren, trotz aller Widerstände und Unannehmlichkeiten.
Selbstverständlich wurde die Rote Hilfe unter den Nazis verboten, gleich im Frühjahr 1933 im Zuge der Reichstagsbrandverordnung. Doch bis 1936 soll sie arbeitsfähige Strukturen gehabt und auch danach noch vereinzelt Aktivitäten entfaltet haben, teils aus dem Exil. Ein erneutes Verbot würde sich in eine unheilvolle Tradition einreihen.
Jusos und Linke sprechen sich gegen ein Verbot aus
Immer wieder nutzten rechte Wahlkampfstrategen gezielt die RH-Mitgliedschaften von Politiker*innen aus, um deren Wahlkampf zu sabotieren. Dank Verfassungsschutz-Rhetorik konnte den Personen dann die Mitgliedschaft in einer „linksextremistischen“ Vereinigung nachgewiesen werden.
Für den Nachwuchs von Grünen, SPD und anderen lohnt sich zuweilen ganz pragmatisch eine Rote-Hilfe-Mitgliedschaft, wenn sie am eigenen Leib erfahren, wie es einem ergehen kann, wenn man bei friedlichen Blocken gegen Naziaufmärsche auf einmal Pfefferspray und Polizeiknüppel im Gesicht hat und danach wegen „Widerstand gegen Polizeibeamte“ ein Strafbefehl ins Haus flattert.
Die ehemalige Juso-Chefin Franziska Drohsel wurde beispielsweise Opfer einer rechten Kampagne, die ihre RH-Mitgliedschaft nutzte, um sie öffentlich unter Druck zu setzen – mit Erfolg: Drohsel trat nach tagelangem hin und her aus der Roten Hilfe aus.
Aktuell sieht es etwas anders aus. „Funktionierende Strafverteidigung ist eine Säule unseres Rechtsstaates. Wer sie und ihre Unterstützung als verfassungsfeindlich hinstellt, hat weder unser Staatsrecht, noch unsere Strafprozessordnung verstanden. Wir fordern die Bundesregierung auf, von einem Verbot der Roten Hilfe Abstand zu nehmen.“ Das schreiben die Jusos zur aktuellen Diskussion um das Verbot. Die Vertreter der SPD Bundestagsfraktion halten sich dagegen mit Stellungnahmen zurück. Nach der Affäre Maaßen sollte man aus diesen Kreisen auch nicht zu viel erwarten.
Politiker*innen der Linken äußern sich erwartungsgemäß solidarisch. André Hahn, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Linken im Bundestag, weist gegenüber dem „Neuen Deutschland“ darauf hin, die Drohungen seien der „untaugliche Versuch, linksextremistische Gefahren zu beschwören“, die im konkreten Fall gar nicht existierten. Es sei schlicht absurd, über 9000 Mitglieder, darunter auch Linke und Sozialdemokraten, unter Generalverdacht zu stellen.
Kommt das Verbot oder kommt es nicht?
Hier gehen die Einschätzungen durchaus auseinander. Seehofer zumindest scheint alles zuzutrauen zu sein. Seine Alleingänge im Fall Maaßen lassen kaum auf Vernunft in zukünftigen Entscheidungen hoffen.
Auch bei der Ortsgruppe Heidelberg-Mannheim sieht man das drohende Verbot durchaus als realistische Gefahr. Aber: „Wir rechnen nicht nur im Falle einer direkten Bedrohung damit.“ erklärt der Sprecher mit Verweis darauf, dass man sowieso immer seine Bude sauber halten müsse. „Unser Vorteil ist sicherlich, dass wir stark sind und strömungsübergreifend. Bei uns sind immer auch linke Grüne, linke Sozialdemokrat*innen, Gewerkschaftler*innen und auch linke Menschen aus der Kirche Mitglied. Das macht es natürlich schwieriger, als wenn wir nur ein Haufen Blackblock Aktivist*innen wären. Trotzdem nehmen wir natürlich auch die politische Großwetterlage wahr und die Zeiten momentan sind eher düster. Seehofer ist politisch am Ende und will sich rückwirkend als rechter Hardliner ein Profil geben. Nun fällt es in seine Amtszeit, dass rauskommt, dass es innerhalb von Militär und Polizei ein bewaffnetes faschistisches Netzwerk gibt mit Todeslisten, Plänen für Lager und Putschideen für den “Tag X” hat und was macht er? Er denkt über ein Verbot der Roten Hilfe nach. Diese Fakten sprechen für sich“
(cki)