„Die Kunst bleibt frei!“ – Glänzende Demo der „Vielen“ und Diskussionen um AfD-Auftritte in Mannheimer Kulturhäusern
Im Rahmen eines bundesweiten Aktionstages fand in Mannheim eine Demonstration des Künstler*innen Netzwerks „Die Vielen“ statt. Ihr Symbol ist eine silber-goldene, glänzende Rettungsdecke. Sie wehren sich gegen Angriffe auf die Kunstfreiheit durch rechtspopulistische Strömungen in Deutschland. Die Demonstration war auch eine Positionierung vieler Mannheimer Kultureinrichtungen vor der Kommunalwahl.
„Kunst schafft einen Raum zur Veränderung der Welt“
In der Mannheimer Erklärung heißt es einleitend:
Als Aktive der Kulturlandschaft in Deutschland stehen wir nicht über den Dingen, sondern auf einem Boden, von dem aus die größten Staatsverbrechen der Menschheitsgeschichte begangen wurden. In diesem Land wurde schon einmal Kunst als entartet diffamiert und Kultur flächendeckend zu Propagandazwecken missbraucht. Millionen Menschen wurden ermordet oder gingen ins Exil, unter ihnen auch viele Künstler*innen.
(Mannheimer Erklärung der Vielen)
Der rechte Populismus stehe der „Kunst der Vielen“ feindselig gegenüber. Rechte Gruppierungen und Parteien störten Veranstaltungen, wollten in Spielpläne eingreifen, gegen die Freiheit der Kunst polemisieren und an einer Renationalisierung der Kultur arbeiten. Mit der Erklärung einher geht eine Selbstverpflichtung zum Handeln.
Der Initiativkreis besteht aus den Kultureinrichtungen Alte Feuerwache, COMMUNITYartCENTER, EinTanzHaus, Kulturparkett Rhein-Neckar, KulturQuer QuerKultur Rhein-Neckar, Künstlerinitiative Bunte Vielfalt statt völkischer Einfalt, Nationaltheater, Theaterhaus G7 und Zeitraumexit.
Diskussionen um Nazis und Rassist*innen auf den Bühnen der Kultureinrichtungen
Kontroverse Diskussionen ergeben sich vor allem aus einer Zeile der Erklärung: „Alle Unterzeichnenden bieten kein Podium für völkisch-nationalistische Propaganda.“ Was wie eine Selbstverständlichkeit klingt, erweist sich in der Praxis als schwierig.
Mit der AfD hat es eine von Nazis und Rassist*innen durchsetzte Partei geschafft, sich im gesellschaftlichen Mainstream zu etablieren. Ihre Sprecher*innen werden zu den meisten Podiumsdiskussionen eingeladen, die Stadtverwaltung hat die Vorgabe ausgegeben, öffentliche Räume und Bürgerhäuser an alle Parteien in gleicher Weise zu vergeben und der Mannheimer Morgen, als konkurrenzloses Lokalmedium, behandelt die AfD schon lange wie eine ganz normale Partei. Im Fahrwasser der AfD schwimmt unauffällig die NPD mit. Andere Nazi-Parteien, wie „Die Rechte“ und der „III. Weg“ werden nicht lange warten. Die logische Schlussfolgerung ist schließlich: Wenn der AfD wegen Rassismus und Menschenverachtung nicht die Bühnen verweigert werden, warum sollte dies dann bei anderen Nazis geschehen?
Veranstaltungsabsage im Eintanzhaus
Ganz so eindeutig ist die Sache aber noch nicht entschieden. Das Eintanzhaus, eine freie Kultureinrichtung, hat sich kürzlich für die Absage einer Veranstaltung aus inhaltlichen Gründen entschieden. Ein Bürgerverein wollte eine Podiumsdiskussion veranstalten und dort auch einen AfD-Vertreter einladen. Sowohl der Moderator Einhart Klucke, wie auch Daria Holme, Intendantin des Eintanzhauses, sagten die Teilnahme bzw. die Raumzusage ab, da ein AfD Vertreter für das Podium vorgesehen war. Für die Entscheidung gab es viel Rückhalt aus der Kulturszene, aber auch Kritik.
Boris Ben Siegel, Gründer des Theater Oliv und ebenfalls Unterzeichner der Erklärung der „Vielen“ schrieb in einem offenen Brief, man müsse mit den Rechten reden. „Wir sollten versuchen zu erfahren wie es ihnen zumute ist und was genau sie dazu treibt, eine solche Partei [gemeint ist die AfD, Anm.d.R.] zu unterstützen, statt unsere Türen zu verschließen.“ Siegel, der sich als Grünen-Wähler outet, plädiert weiter dafür, auch mit AfD Politikern zu reden und kommt sogar zur Einschätzung: „Nicht jeder AfD-Politiker ist rechtsradikal. Und vor allem (…) bei weitem nicht jeder AfD-Wähler ist ein Nazi! Es gibt Wahlkreise, in denen mehr als 30 Prozent diese Partei wählen. Wer will behaupten, das seien alles Nazis?“. Die AfD sieht das freilich genauso. Sie wirft dem Eintanzhaus „Ausgrenzung und Diskriminierung Andersdenkender“ vor und bezeichnet die Kulturszene als „verlogen und heuchlerisch“.
Mit Rechten reden? Eine alte Diskussion erlebt eine Neuauflage
Mit Rechten reden? Die Diskussion ist nicht neu und wurde schon in den 90er Jahren, als es um den Umgang mit der NPD und den Kameradschaften ging, genauso geführt, wie heute hinsichtlich des Umgangs mit der AfD. Auch damals gab es die „Nazi-Versteher“, heute wird Rassismus mit den „Ängsten besorgter Bürger“ verharmlost. Das Problem bleibt das gleiche. Wer auf Augenhöhe mit Rechten diskutiert, suggeriert eine gemeinsame Gesprächsgrundlage. Man lässt sich auf Argumentationsweisen ein, die die Ungleichwertigkeit von Menschen als Voraussetzung haben. Die universellen Menschenrechte sind auf einmal keine gemeinsame Gesprächsbasis mehr und Rassismus, Antisemitismus, Homophobie, Xenophobie und andere Formen der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit werden zu diskutablen „Meinungen“. Wer Rechten ein Podium gibt, ermöglicht die Normalisierung dieser menschenverachtenden Haltungen.
Die Ausgrenzung der Menschenfeindlichkeit durch Auftrittsverbote ist eben keine Diskriminierung von Menschen (den AfD-Politiker*innen), sondern der Schutz vor Diskriminierung derer, denen die rechte Hetze gilt. Wer es mit Grundgesetz und Menschenrechten ernst meint, sollte darauf eigentlich von selbst kommen. Doch gerade das Grundgesetz ist leider so schwammig, dass es beliebig ausgelegt und interpretiert wird und selbst die AfD ihre rechte Hetze davon gedeckt sieht.
Die Entscheidung des Eintanzhaus kann im Nachgang als mutig bezeichnet werden – auch in Mannheim, wo viele die antifaschistische Tradition hoch halten. Weniger mutig waren zum Beispiel das Capitol oder das Nationaltheater. Dort fanden Diskussionsrunden mit AfD-Politikern statt. Eine Diskussion um deren Auftritte gab es in der öffentlichen Debatte kaum, aber immerhin: Die AfD beschwert sich über „Anfeindungen und Beleidigungen“ durch Schüler*innen bei der Veranstaltung im Capitol.
Kulturschaffende gemeinsam auf der Straße
Die Demonstration am Samstag, 18. Mai fand eine Woche vor der Kommunalwahl statt und richtete sich damit auch gegen den Wahlkampf von AfD und NPD, zwei rechte Parteien, die Chancen auf Stadtratsmandate in Mannheim haben und somit in den kommenden fünf Jahren für parlamentarische Angriffe auf unliebsame Kunst- und Kultureinrichtungen sorgen könnten.
Etwa 200 Menschen, vorwiegend aus der Kulturszene, beteiligten sich an der Demonstration, die über die Planken und die Breite Straße zum Alten Messplatz zog. Für eine große Demo gegen Rechts wäre die Teilnehmerzahl wohl etwas gering ausgefallen. Da die Kultureinrichtungen primär in ihren Kreisen mobilisiert hatten, waren die Veranstalter*innen dennoch zufrieden. Der Marsch wurde auch als ein gemeinsamer Ausdruck von Solidarität untereinander verstanden – ein wesentlicher Zweck der Organisierung der „Vielen“ auch in Mannheim.
(cki)