BASF-Prozess: Ein Arbeiter verurteilt. Abstrakte „Mitschuld der BASF“ festgestellt
17. Oktober 2016: Bei Demontage-Arbeiten in einem zentralen Rohrbündelgraben des BASF-Standortes Ludwigshafen kommt es zu einer Explosion mit Großbrand. Die Folgen sind verheerend: Fünf Tote, darunter vier Werksfeuerwehrleute, 44 Verletzte, darunter der angeklagte Schweißer. Der Schaden für die BASF belief sich nach Angaben der Staatsanwaltschaft auf 500 Mio. Euro.
BASF-Brandunfall 17.10.2016: Die juristische Aufarbeitung erfolgte jetzt nach drei Jahren.
Verurteilt wurde nun nach 28 Prozesstagen am 27. August der jetzt 63-jährige Schweißer, der mit der Abtrennung einer stillgelegten und entleerten Gasleitung beauftrag war. Nachdem er mit der Erledigung seines Arbeitsauftrags begonnen hatte, war es plötzlich zu einer Stichflamme gekommen, die sich rasch ausbreitete. Benachbarte Rohrleitungen hielten der Umgebungshitze nicht stand, verbogen sich, brachen und schlugen schließlich wie Peitschen durch die Umgebung. Das Gericht sah es ohne verwertbare eindeutige Zeugenaussagen aufgrund gutachertlicher Aussagen als erwiesen an, dass der Schweißer ausversehen eine benachbarte mit flüssigen Kohlenwassertoffen befüllte Leitung mit dem Trennschleifer angeschnitten habe. Der beauftragte Schweißer war Mitarbeiter einer Fremdfirma, hatte allerdings über ein Jahrzehnt Erfahrung mit Arbeitseinsätzen bei der BASF.
Das Landgericht Frankenthal verurteilte ihn wegen fahrlässiger Tötung, fahrlässiger Körperverletzung und Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion zu einer einjährigen Gefängnisstrafe, die allerdings zur Bewährung ausgesetzt wurde. Das Gericht stellte sich immerhin die Frage, ob die BASF eine Mitschuld treffe. Diese Frage wurde vom Gericht bejaht, jedoch ohne jegliche strafrechtliche Konsequenzen. Die Begründung des Gerichts hierfür ist einigermaßen erstaunlich. Die Rheinpfalz berichtet in ihrem Prozess-Ticker am 27.8.19 um 15.49: „Das Gericht sieht eine kausale Mitverantwortung der BASF an dem Unglück, allerdings könne das Gericht diese Mitverantwortung nicht an einer Person festmachen. Deshalb trage die BASF keine strafrechtliche Verantwortung. Die Mitverantwortung der BASF habe sich strafmildernd auf die Verantwortung des Angeklagten ausgewirkt.“
Hat denn die BASF keine interne hierarchisierte persönliche Verantwortungskette? Sind ihr keine sträflichen Unterlassungen in ihrem Anlagen- und Arbeitssicherheitssystem nachzuweisen gewesen? Der Staatsanwalt hatte nicht mal einen Anfangsverdacht und unterließ eine Anklageerhebung gegen den oder die Verantwortlichen der BASF. Im Laufe des Verfahrens stellte sich dann aber doch – insbesondere aufgrund der bohrenden Fragen der Verteidigung und eines Nebenklagevertreters – heraus, dass
- eine Verwechslungsgefahr für die Rohrleitungen durch entsprechende wirkungsvolle Kennzeichnung vermeidbar gewesen wäre,
- die explodierten Leitungen durch einen Brandschutzmantel hätten geschützt werden können,
- ein anderes Werkzeug als der funkensprühende Trennschleifer nicht zur Zündung geführt hätte.
Diese drei Maßnahmen nannte die BASF inzwischen als umzusetzende Konsequenz aus der Katastrophe. Ein spätes Teilschuldanerkenntnis?
Es lassen sich noch diverse andere Maßnahmen nennen, die nach der Betriebsstättensicherheitsverordnung hätten ergriffen werden müssen: Der Einsatz eines Koordinators zwischen auftraggebender Firma und der Fremdfirma, ein Vier-Augenprinzip beim entscheidenden Ansetzen an der Rohrleitung, die vorübergehende Stilllegung der benachbarten brisanten Rohrleitungen, die Erstellung einer Sicherheitsanalyse genau für solche Operationen. Offenbar war nichts dergleichen geschehen. Das ist schlicht und einfach ein gravierender Gesetzesverstoß.
Letztlich hat bei der BASF der Konflikt zwischen „Nummer Sicher“ und damit kurzzeitigen Teilbetriebsstilllegungen und zwischen Vermeidung jeglicher wirtschaftlicher Einschränkungen „auf gut Glück“ das letztere Motiv voll durchgeschlagen. Ergebnis dieses Pokers sind neben den menschlichen Opfern 500 Mio. Euro Schaden. Der letzte in der ganzen Kette trägt allein die gesamte strafrechtliche Last. Klassenjustiz? Staatsraison in einem Bundesland mit einem derartig gewichtigen Konzern?
Thomas Trüper (Quellen: div. Presseberichte)