Kandel-Demos: Staatsanwaltschaft geht K.O. / Prozess gegen Studenten eingestellt

Prozessauftakt am 03.09.19 am Amtsgericht Kandel (Archivbild)

 Am vierten Verhandlungstag, dem 11.10.19, wurde der Prozess am Amtsgericht Kandel gegen einen Studenten nach §153a StPo eingestellt. Die Niederlage der Staatsanwaltschaft hatte sich bereits am dritten Prozesstag angedeutet. 

 

 

 

In Runde vier erleidet Staatsanwaltschaft herbe Niederlage

Bereits am 01.10. hatte sich abgezeichnet, dass die Beweisaufnahme und -führung in der Verhandlung die Anklagevorwürfe nicht erhärten.

KIM hatte berichtet: https://kommunalinfo-mannheim.de/2019/10/01/kandel-demos-intermezzo-und-schlagabtausch-bei-gericht-prozess-geht-in-die-vierte-runde-weiterer-prozess-bahnt-sich-an/

Der vierte Prozesstag begann mit der Vorführung eines weiteren „Beweis”-Video. Dieses Filmdokument wurde in der Berichterstattung der Beobachter News über den Vorfall im Frühjahr 2018 am Bahnhof Wörth verwendet.

Link zum Video auf YouTube:

Was das Video, welches bis dato mehr als 32.000 Aufrufe verzeichnet, nicht zeigt, sind die Vorwürfe aus der Anklageschrift. Daher erscheint es verwunderlich, weshalb die Staatsanwaltschaft dieses Video in die Beweisaufnahme einfließen ließ.

Was das Video jedoch deutlich zeigt ist die Tatsache, dass Polizeibeamte am 07.04.18 Gewalt gegen Mitreisende anwandten.

Geladen waren als Zeugen an diesem Tag zwei weitere Polizeibeamte. Zum einen der Beamte, der am 01.10. unentschuldigt gefehlt hatte. Bei diesem handelte es sich um den verantwortlichen Einsatzleiter am Bahnhof Wörth. Der zweite Polizeizeuge wurde nicht mehr gehört.

Der Einsatzleiter sagte aus, wie er den Einsatztag in Erinnerung hatte. Er und seine Polizeimannschaften hatten den Befehl gehabt in Wörth eine Regionalbahn zu besteigen, um eine Gruppe jugendlicher DemonstrantInnen nach Kandel zu begleiten. Der Befehl wäre vom Polizei-Hundertschaft Führer in Kandel gekommen. Ziel der Maßnahme sei es gewesen die Demo-Gruppe zu schützen und gleichzeitig ein Aufeinandertreffen mit Teilnehmern des rechten Spektrums während der Fahrt bzw. beim Eintreffen in Kandel zu verhindern. Ausschlaggebend sei zum einen gewesen, dass in Kandel offenbar zu geringe Polizeikräfte am Bahnhof stationiert waren und zum anderen ein Vorfall am Bahnhof Karlsruhe, bei dem möglicherweise von Personen aus der Gruppe der Demonstranten einer politisch andersdenkenden Person eine Schärpe (studentische Burschenschaft; Anm. d. Red.) entwendet wurde.

„Der schwarze Block sei meist jungen Alters“, so der Zeuge sinngemäß. Dieser Ausspruch sorgte unter den etwa 20, den Angeklagten solidarisch unterstützenden, ProzessbeobachterInnen hörbar für Erheiterung.

Er habe seinen MitarbeiterInnen am Bahnhof Wörth den Einsatz von Pfefferspray und Schlagstock verboten. Dies habe er mit Rücksicht auf die vielen Jugendlichen und aus Gründen der Deeskalation so entschieden.

In seinen Einlassungen sagte der Zeuge auch, dass 16 Personen, nach der Identitätsfeststellung, ein Platzverweis für die Bahnhöfe Wörth und Kandel ausgesprochen wurde. Diese Personen seien dann mit der S5 nach Karlsruhe zurückgefahren. Die übrigen Personen aus der Gruppe der Demonstranten hätten daraufhin kein Interesse mehr an einer Weiterfahrt nach Kandel gehabt.

Der Angeklagte sei ihm persönlich aus Wörth nicht bekannt, so der Zeuge weiter.

Staatsanwalt rudert zurück und macht überraschendes Angebot

Der Vertreter der Staatsanwaltschaft hatte sich bislang kategorisch gegen eine Einstellung des Verfahrens nach § 153a StPo (Absehen von der Verfolgung unter Auflagen und Weisungen), wie von der Strafverteidigung mehrfach vorgeschlagen, gewehrt und auf der Anklage nach § 113 und 114 StGB (Widerstand gegen und Angriff auf Vollstreckungsbeamte), welche mit einer Haftstrafe ab 3 Monaten strafrechtlich geahndet werden, gepocht.

Um so erstaunlicher war es, dass der Staatsanwalt nun selbst den Vorschlag machte den Prozess unter Auflagen einzustellen. Den anderen Polizeizeugen wollte er nicht mehr vernommen sehen. Damit wurde auch zunächst auf das Halten der Plädoyers verzichtet.

Strafverteidigung und Gericht waren sichtlich erstaunt über diesen Vorschlag. Dieser war jedoch aufgrund der vorgetragenen Beweisführung unausweichlich.

Der Strafverteidiger konterte damit, dass er sogar einen Freispruch für seinen Mandanten für möglich sieht. Hierzu müsste die Beweisführung jedoch gezielt weitergeführt werden. Die Vorwürfe „Widerstand“ und „Angriff“ seien in keiner Weise in der Verhandlung bis hierhin bewiesen worden.

Nach einer kurzen Verhandlungspause fragte der Strafverteidiger den vorsitzenden Richter und den Staatsanwalt, wie denn die Auflagen aussehen würden, falls sein Mandant und er der Einstellung zustimmen würden?

Der ursprüngliche Strafbefehl lautete über eine Geldbuße von € 2.400,- . Der Staatsanwalt schlug eine Geldauflage in Höhe von € 1.200,- vor, welche binnen 6 Monaten in Raten zu zahlen seien. Diesem Vorschlag schloss sich der Vorsitzende an. Nach kurzer Beratung stimmten auch Verteidigung und Angeklagter zu.

Der Betrag ist an eine gemeinnützige Organisation zu zahlen, so der Richter in seiner Verkündung. Sollte der Student die Summe nicht binnen 6 Monaten zahlen können, dann wäre eine Fristverlängerung um weitere 3 Monate möglich. Die Verfahrenskosten zahlt die Staatskasse.

(Bericht und Foto: Christian Ratz / Video: Redaktion Beobachter News)