Eröffnung des AfD-Bürgerbüros in Ludwigshafen stiess auf starke Ablehnung
Die AfD in Ludwigshafen hatte sich die beworbene Eröffnung des neuen Bürgerbüros am 10.03.20 sicherlich anders vorgestellt. Nicht damit gerechnet hatte die rechtsradikale Partei damit, dass ihr Vorhaben auf deutliche Ablehnung stoßen würde. Etwa 70-80 Personen demonstrierten spontan und friedlich gegen das Vorhaben und brachten damit ihren Unmut über die Partei auf die Straße. Genauer gesagt direkt vor die Eingangstür des Bürgerbüros. Somit war die geplante Eröffnungsfeier ein klarer Misserfolg für die weiter heftig unter Kritik stehende Partei. Der massive Polizeieinsatz war dem gegebenen Anlass nach weit überzogen und nicht nachvollziehbar.
Die AfD ist keine demokratische Partei
Gegen 19 Uhr versammelten sich zunächst nur recht wenige AntifaschistInnen vor dem Bürgerbüro in der Ludwigsstraße 20, um mit ihrem Protest die Ablehnung der Partei kundzutun. Binnen kurzer Zeit kamen weitere PassantInnen hinzu, um sich ebenfalls spontan an der Aktion zu beteiligen. Am Ende waren es rund 70-80 Protestierende.
In verschiedenen Redebeiträgen wurde die Rechtsauslegerpartei scharf kritisiert. Das Offene Antifaschistische Treffen (OAT) Mannheim schreibt dazu (Zitat):
„Die Redebeiträge aus der Gruppe heraus zeigten an mehreren Beispielen, dass die AfD programmatisch keine Partei für die sozial Schwachen und Ausgegrenzten ist, als die sie sich gern darstellt. Eher im Gegenteil dient sie in großen Teilen finanziellen Interessen und bedient sich in sämtlichen Themenfeldern einer neoliberalen Ideologie, welche weitestgehend auf rassistischen Grundannahmen beruht und letztlich in Kombination mit einem autoritären Herrschaftsverständnis zur Gefahr für uns alle wird.
Eine Partei, die verschiedene gesellschaftliche Gruppen gegeneinander ausspielt, versucht auszugrenzen und dabei den Rassismus in unserer Gesellschaft bewusst anfacht, liefert damit den ideologischen Hintergrund für Alltagsrassismus bis hin zu rechtem Terror wie in Hanau oder Halle. Mitten in Ludwigshafen, einer Stadt mit großer Vielfalt an Menschen jeglicher Herkunftsgeschichten, aber auch offensichtlicher sozialer Ungleichheit, wirkt ein Bürgerbüro der AfD als Hohn gegen alle, die sich für ein soziales Miteinander und gesellschaftlichen Fortschritt einsetzen. Auch deshalb zeigten sich viele Passant*innen solidarisch mit der Aktion der Antifaschist*innen.“ Und weiter.
„Aus der Gewissheit heraus, dass von der gesamten Aktion ein starkes und kämpferisches Signal an die Öffentlichkeit und gegen die AfD ausging, haben die Teilnehmer*innen die Veranstaltung nach interner Absprache selbstbestimmt aufgelöst.“
Die Tageszeitung Die Rheinpfalz übernahm am 11.03.20, unrecherchiert, eine Pressemitteilung der AfD, in der der Landtagsabgeordnete Timo Böhme mit den Worten zitiert wird „Bei dem Versuch, das Büro zu verlassen, wurde ich von der Antifa daran gehindert. Hier lag eine klare Nötigung vor.“ Unerwähnt lässt die AfD, dass der Landtagsabgeordnete selbst körperliche Gewalt gegen Demonstranten einsetzte, wie eine Augenzeugin berichtet. Auch seine Beschwerde wegen „Nötigung“ sei von der Polizei abgewiesen worden. Timo Böhme soll von Beamten den Hinweis erhalten haben, so die Augenzeugin weiter, dass sein Verhalten als versuchte Körperverletzung geahndet werden könnte. Ebenfalls nicht erwähnt wird von der AfD die Tatsache, dass einer ihrer Anhänger mit brachialem Körpereinsatz versuchte sich seinen Weg durch die Kette der Protestierenden zu bahnen und von Polizeikräften zurückgedrängt werden musste.
Der Antifa Report Pfalz berichtet heute, 12.03.20, auf Twitter, dass sich die Katholische Arbeitnehmerbewegung (KAB) beim Bundestreffen am vergangenen Wochenende in Ludwigshafen klar von der AfD distanzierte: “AfD-Positionen sind unchristlich und menschenverachtend”.
Kontroverse Diskussion über Bürgerbüro – Wie rechtsextrem ist die AfD in Ludwigshafen?
Politisch interessierte Kreise in Ludwigshafen fragen sich, wie das Bürgerbüro finanziert wird. Diese Frage wird auch in AfD-nahen Internetforen kontrovers diskutiert. Es scheint der Verdacht zu bestehen, dass Steuergelder durch die AfD-Fraktion im Ludwigshafener Stadtrat möglicherweise rechtswidrig zur Finanzierung des Bürgerbüros verwendet werden könnten. Ebenfalls mit Sorge erfüllt es viele Menschen, dass das Bürgerbüro zum Anziehungspunkt für Rechtsextremisten wird. Der Fraktionsvorsitzende der AfD im Stadtrat, Pascal Bähr, ist auch gleichzeitig Funktionär der Jungen Alternative in Rheinland-Pfalz. Die Junge Alternative wird seit 2019 vom Verfassungsschutz beobachtet. Begründet worden war die Entscheidung der Behörde damit, dass der Verdacht extremistischer Bestrebungen (bspw. Zusammenarbeit mit der Identitären Bewegung) erwiesen ist. Gegen die Beobachtung, auch die des ultra-nationalistischen Höcke-Flügels, hat die Bundes-AfD im Januar 2020 Klage eingereicht. KIM hat bereits mehrfach über das gemeinsame Auftreten der Jungen Alternative im Rhein-Neckar-Raum mit Vertretern der NPD und der Identitären Bewegung berichtet.
Stadtrat Ralf Senck scheint kein Problem mit Sympathiebekundungen der griechischen, neo-faschistischen Partei Chrysi Avgi („Goldene Morgenröte“) zu haben. Seit über einem Jahr lässt er das Parteisymbol unkommentiert in seinem Facebookprofil stehen. Die Nazipartei aus Griechenland ist auch in Deutschland seit rund 15 Jahren aktiv. Bekannt sind u.a. Kooperationen mit der verfassungsfeindlichen NPD und dem inzwischen verbotenen Netzwerk „Blood and Honour“.
Eine weitere Frage, die in Ludwigshafen diskutiert wird, lautet: Wie kam es zu dem Mietverhältnis? Einer Recherche zufolge könnte es sich bei dem Vermieter um Hans-Peter D. handeln, der in der Ludwigsstraße 20 unter derselben Anschrift wohnt, wo das Bürgerbüro angesiedelt ist. Hans-Peter D. kommentiert u.a. in einschlägig rechtslastigen Internetblogs. Seine Kommentare legen den Schluss nahe, dass er der AfD zumindest zugewandt ist.
Polizeieinsatz und Pressefreiheit
Aus welchen Gründen die Polizei mit einem Großaufgebot (ca. 50 BeamtInnen) unter teilweisem Einsatz von Blaulicht und Sirene anrückte, den Platz vor dem Bürgerbüro für PassantInnen sperrte und einen Teilbereich der Ludwigsstraße für den Verkehr abriegelte, wird das Geheimnis der Behörde bleiben. Eine polizeiliche Pressemitteilung zu dem Einsatz am Dienstagabend sucht man bis dato vergebens. Scheinbar deswegen, weil die Protestaktion völlig legal und ohne besondere Vorkommnisse, abgesehen vom rabiaten Verhalten zweier AfD-Leute, ablief.
Ebenso unverständlich waren die fruchtlosen Versuche von fünf BeamtInnen den Berichterstatter dazu zu bewegen seinen Einsatzort zu verlassen. Der Berichterstatter war als Journalist zu erkennen und konnte sich mit einem Presseausweis legitimieren. Grotesk war der letzte Versuch eines Uniformierten, den Berichterstatter in eine sinnfreie Diskussion verwickeln zu wollen, mit dem Ziel diesen davon zu überzeugen, dass dieser auch 20-30 Meter entfernt vom Ort des Geschehens seine Arbeit machen könne. In der heutigen Zeit wäre zu erwarten, dass polizeiliche Einsatzkräfte zumindest über die Grundzüge des Presserechts Bescheid wissen.
Versammlungsrecht – der Versuch einer Einordnung
Vollkommen verständnislos für und unwissend über das Versammlungsrecht äußern sich die AfD und deren Anhänger im Nachgang an die Protestaktion. Richtig scheint zu sein, dass diese Form der Versammlung offenbar nicht vorab angemeldet worden war. Dies war nach allgemeiner Einschätzung auch nicht notwendig. Vom Versammlungsrecht gedeckt und geschützt sind auch Sofort- und Eilversammlungen. Juristische Laien könnten den Spontanprotest also irgendwo zwischen „sofort notwendig und eilig“ im Kontext mit der Einweihung des AfD-Bürgerbüros, mit nur etwa 20 TeilnehmerInnen, einordnen.
(Bericht mit weiterem Material und Fotos: Rick de la Fuerte)