„Şengal-Rat warnt vor 75. Genozid an Eziden“ (ANF-News vom 24.11.2020)

Für Dienstag, 24.11.2020, hatten die kurdischen Vereine und Gesellschaften kurzfristig im ganzen Bundesgebiet zu dezentralen Kundgebungen gegen die Zuspitzung der Lage in Şengal (Nord-Irak/Süd-Kurdistan) und zum Gedenken an den Völkermord an den Jesidinnen und Jesiden im Sommer 2014 durch die Dschihadistenmiliz „Islamischer Staat“ (IS) und gegen drohende neue Genozide an der ezidischen Bevölkerung in Şengal aufgerufen. In Mannheim fand eine Kundgebung am 24.11.2020 um 18.00h auf dem Paradeplatz statt. Es sprachen Vertreter der kurdischen Vereine und ein Vertreter der Partei die Linke, zugleich auch namens der Mannheimer Bundestagsabgeordneten der Linken, Gökay Akbulut.

Unmittelbarer Anlass der Kundgebung ist ein Abkommen zwischen der irakischen Zentralregierung und der Führung der autonomen Region Kurdistan im Irak unter Kontrolle der PDK (Bazani). Danach sollen an den Vertretungen der ezidischen Bevölkerung in der Region vorbei, die Handlanger der Türkei und der Expansionspolitik Erdogans in Nahost die Kontrolle über das Gebiet übernehmen. Die irakische Zentralregierung hat Militär nach Şengal verlegt und die PDK (Bazani) hat bewaffnete Kräfte dort zusammengezogen. „Der Großteil der Ezidinnen und Eziden steht der PDK misstrauisch oder gar feindlich gegenüber. Hintergrund ist der kampflose Rückzug der PDK-Peschmerga am 3. August 2014, als die Dschihadistenmiliz „Islamischer Staat“ (IS) einen Genozid und Femizid in Şengal verübte.“ (ANF)

 

Dagegen hatte sich der Autonomierat von Şengal (MXDŞ) mit einer Erklärung an die Öffentlichkeit gewandt. Der Autonomierat stellt darin u.a.fest:

„Die Ezidinnen und Eziden sind heute in der Lage, ihre Selbstverteidigung ohne Intervention von außen zu gewährleisten. Wir sind bei der Verteidigung unserer Existenz nicht auf die Anwesenheit fremder Truppen angewiesen. Im Übrigen handelt es sich bei denjenigen, die heute die militärische Oberhand in Şengal beanspruchen, um jene Kräfte, die sich dem IS-Überfall durch Flucht entzogen haben. Unser Volk ist nicht im Mindesten auf Konfrontation aus. Aber sollte es zu Angriffen auf unsere Errungenschaften kommen, werden wir unser legitimes Recht auf Selbstverteidigung ausüben“.

Was mit dem Abkommen geplant ist, beurteilt der Autonomierat wie folgt – geplant ist:

„- Der Bruch des Willens der ezidischen Bevölkerung, was gleichbedeutend mit der Auslöschung der Selbstverteidigung Şengals ist,

– Verhaftung der Ezidinnen und Eziden, die gegen den IS kämpf(t)en,

– Die Beschlagnahme der Waffen, die bei der Verteidigung Şengals zum Einsatz kommen,

– Die Trennung der Verbindungen zwischen den einzelnen Dörfern, Vierteln und Städten durch die Einrichtung von Kontrollpunkten,

– Die Einkesselung heiliger ezidischer Stätten und Stationierung fremder Streitkräfte durch Belagerung der Grenzen Şengals,

– Die Wiederansiedlung von ehemaligen arabischen Bewohnern, die dem IS bei der Tötung, Verschleppung und dem Verkauf von Ezidinnen und Eziden auf Sklavenmärkten Schützenhilfe leisteten.

Unsere Bevölkerung muss handeln.“

Zusammenfassend lassen die einzelnen Punkte den Schluss zu, dass es sich bei einer Umsetzung des Abkommens um den 75. Genozid an der ezidischen Gemeinschaft handeln würde. Der MXDŞ ruft die kurdische und internationale Gemeinschaft auf, umgehend aktiv zu werden: „Das, was die Dschihadisten des IS nicht vollenden konnten, wird durch das von der irakischen Regierung erlassene Dekret faktisch zum Gesetz. Unser Volk in allen Teilen Kurdistans und die politischen Parteien müssen handeln, um das neue Ferman (Genozid) zu verhindern.“

OMÍERAT VON ŞENGAL (MXDŞ)

(Alle Zitate nach ANF News, „Şengal-Rat warnt vor 75. Genozid an Eziden“ v. 24.11.2020)

 

Kundgebung am 24.11. in Mannheim gegen den erneut drohenden Völkermord an den Ezid*innen .

 

Der Vertreter der Linken forderte u.a. dass sich der Drahtzieher hinter den verbrecherischen und völkerrechtswidrigen Angriffsaktionen im Nahen-Osten, Erdogan, und sein Militärapparat, hinter die Grenzen der Türkei zurückziehen müssen. Darauf mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln hinzuwirken ist Aufgabe der deutschen Bundesregierung, der EU und der Vereinten Nationen, die den Völkermord an den Eziden geschlossen verurteilen. Die Waffenlieferung an und die politische Unterstützung der Expansionspolitik der Türkei durch Deutschland müssen sofort beendet werden. Bei allen Verfahren vor internationalen und nationalen Gerichten gegen IS-Mitglieder ist auch wegen des Völkermordes an der ezidischen Bevölkerung zu ermitteln und zu verurteilen. Geflohene Ezidinnen und Eziden in Deutschland müssen mit ihren Familien sofort und ohne schikanöse Verfahren einen gesicherten Status in Deutschland erhalten.

cc (Bild: KIM)