Stabwechsel bei den LINKEN im Gemeinderat – Interview mit Thomas Trüper und Dennis Ulas

Stabwechsel bei den LINKEN im Gemeinderat  Mannheim 

Was bleibt- was kommt?

 

Seit einigen Wochen ist nun auch einer breiteren Mannheimer Öffentlichkeit bekannt: Thomas Trüper wird am 2. Februar als Fraktionsvorsitzender der Fraktionsgemeinschaft LI.PAR.Tie. (DIE LINKE, Die PARTEI, TIERSCHUTZPARTEI) aus dem Gemeinderat ausscheiden. Dennis Ulas wird als erster Nachrücker den Platz von Thomas Trüper einnehmen. Der Stabwechsel ist aber auch ein Generationenwechsel. Trüper ist zwar immer noch sehr agil, aber inzwischen 70 Jahre, Ulas erst 31 Jahre alt. Über die Bedeutung des Wechsels sprach Kommunalinfo mit Beiden.

 

Frage an Thomas Trüper :

Stabwechsel bei der LINKEN im Gemeinderat – was für Außenstehende zum Teil überraschend gekommen ist, ist intern doch schon lange geplant?

Antwort TT:

Genau. Es war für mich eine Bedingung für meine nochmalige Kandidatur. Eigentlich war ich der Meinung: 10 Jahre, zwei Amtszeiten, reichen. Für einen persönlich – 

wenn man auch noch andere Erwartungen an das Leben hat, als Politik in einem Wahlamt zu machen. Andererseits auch politisch: Flüssiger Generationenwechsel, neue Sichtweisen ermöglichen und andere Erfahrungen sich einbringen lassen – das kann nicht schaden.

Dass ich dann doch nochmal kandiert habe und auch gewählt wurde, war der Tatsache geschuldet, dass Gökay Akbulut (die linke Stadträtin mit den meisten Stimmen) n

ach der Bundestagswahl 2017 ihr Gemeinderatsmandat aus guten Gründen abgelegt hatte. Wenn ich (mit den zweitmeisten Stimmen) nach zwei Jahren dann auch verschwunden wäre, hätte die Nachrückerin von Gökay, Nalan Erol, mit zwei Jahren Kommunalerfahrung die Hauptlast des Kommunalwahlkampfes tragen müssen, ohne viele Chancen gehabt zu haben, als Stadträtin einer breiteren Wählerschaft bekannt zu werden. Also habe ich dann doch nochmal kandidiert mit dem Ziel, einen geordneten Übergang in der linken Gemeinderatsarbeit auf die nächste Generation zu ermöglichen. Und ich glaube, das klappt jetzt auch.

 

Frage an Dennis Ulas:

Du kommst neu in den Gemeinderat, und dann gleich Fraktionsvorsitzender. Ein richtiger Kaltstart, um dann unmittelbar auf Betriebstemperatur zu kommen. Wie bist du da vorbereitet?

Antwort DU:

Zunächst möchte ich betonen, dass ich mich nicht um den Posten des Fraktionsvorsitzenden gerissen habe. Im Gegenteil, ich wurde dafür von den Fraktionsmitgliedern vorgeschlagen. Ich habe mit den beiden Fraktionskolleginnen der LINKEN lange gesprochen, was die Alternativen wären. Sie sind aber zum Schluss gekommen, dass man mir den Posten zutraut. Auch von den beiden anderen Fraktionsmitgliedern von Die PARTEI und Tierschutzpartei habe ich die Unterstützung erhalten. Also habe ich dem so zugestimmt und ich freue mich über das mir entgegengebrachte Vertrauen.

Ein Sprung ins kalte Wasser ist es durchaus, allerdings nicht in Eiswasser. Durch meine Tätigkeit im Bezirksbeirat Neckarstadt-Ost seit Sommer 2014 konnte ich viel kommunalpolitische Erfahrung sammeln. Auch habe ich das kommunalpolitische Geschehen über die Mitarbeit in der LINKEN verfolgt. Mit Beginn der aktuellen Legislaturperiode im Sommer 2019 habe ich regelmäßig an den Fraktionssitzungen der LI.PAR.Tie. teilgenommen und die Arbeit begleitet.

 

Frage an Dennis Ulas:

Thomas gehört dem Gemeinderat seit 2009 an und hat die kommunalpolitische Arbeit der LINKEN entscheidend geprägt. Die Schuhe, in die du da steigst, sind zweifellos groß?

Antwort DU:

Bei über elf Jahren Erfahrung und Arbeit in solch einem Gremium kann ich natürlich nicht mithalten. Natürlich muss ich auch erst meine Erfahrungen machen und in die Arbeit hineinwachsen. Aber durch meine bisherigen kommunalpolitischen Tätigkeiten habe ich zumindest keine Kinderschuhe mehr an.

 

Frage an Thomas Trüper:

Über 11 Jahre im Gemeinderat. Was waren die wichtigsten bleibenden Dinge in deiner Amtszeit, wo du sagen würdest: Ja, da haben wir etwas erreicht.

Antwort TT:

Zunächst ein Wort zu der Frage an Dennis von wegen: „Thomas hat die kommunalpolitische Arbeit der LINKEN entscheidend geprägt“: Ich war nach dem Ausscheiden von Gökay vielleicht das Gesicht der LINKEN im Gemeinderat und zuletzt ja auch Fraktionsvorsitzender. Aber hinter der Fassade muss man schon sehen, dass die LINKE in Mannheim seit Bestehen eine beachtliche Struktur von Facharbeitskreisen gebildet hat und äußerst diskutierfreudig ist und auch immer über die Partei hinaus mit politisch engagierten Menschen das Gespräch und Unterstützung gesucht hat. Und auch überörtlich gibt es immer wieder wichtige Impulse für eine linke Kommunalarbeit.

Was wir erreicht haben? Wenn man Kommunalpolitik als Prozess begreift, so möchte ich behaupten, wir haben auf die positive Veränderung der Wohnungspolitik, weg von der Sicht „Mit der guten alten GBG sind alle Probleme erledigt“ hin zu gemeinwohlorientierter aktiver Wohnungs- und Bodenpolitik einiges erreicht. Durch jahrelanges Drängen, aber auch durch die Fähigkeit, Bündnisse einzugehen, selbst wenn damit nicht alles so zu verändern ist, wie wir uns das vorstellen. Das Umlenken in der Wohnungspolitik ist ausgesprochen zäh. Aber es geht in die richtige Richtung und absolut nicht in die bei konservativen Mehrheiten denkbare Richtung: Privatisierung öffentlicher Wohnungsunternehmen und Schwerpunkt auf Reihenhäuschen und Hebung der „Eigentumsquote“ auf 50% oder mehr, wie das die CDU immer wieder fordert.

Im jahrelangen Kampf um ein für unterschiedliche Bedürfnisse passendes Angebot von „Sozialtickets“ haben wir nur die 10 Einzelfahrscheine zu 1 Euro je berechtigter Person und Monat – neuerdings 20 solche Tickets – erreicht. Aber aus Grundsicherung leistbare verbundweit gültige Monatstickets als Tarifangebot des VRN, oder gar ein Landes-Sozialticket? Davon sind wir noch meilenweit entfernt.

Dass die MVV Energie AG jetzt allmählich umschwenkt in Richtung Dekarbonisierung und Klimaneutralität ist sicher auch unserem beharrlichen Engagement gegen den Irrtum „Block 9“ zuzuschreiben, natürlich aber vor allem der neu erwachten Umweltbewegung mit FFF als (elektrischer) Lokomotive.

Natürlich haben wir auch mal „kleine Dinge“ durchgesetzt wie den hinteren Aufzug in der neuen Kunsthalle, ohne den der Billingbau nicht barrierefrei zugänglich gewesen wäre. Das war eine lange und entschiedene Zusammenarbeit mit der Aktion Barrierefreiheit, in deren Verlauf sogar ein Bündnis mit den konservativen Kulturpolitiker*innen im Gemeinderat hergestellt werden konnte.

Auch auf dem vielleicht für viele abgelegen erscheinenden Feld der Erinnerungskultur gibt es positive Entwicklungen. Auch in der Abwehr völkischer, rassistischer Umtriebe.

Wenn wir hier über Erfolge reden, darf man aber vor allem nicht vergessen, dass die LINKE zwischen 2004 und 2019 die meiste Zeit über nur von einer Person, und von 2014 bis 2019 durch zwei Personen vertreten war. Was will man da an spektakulären „Erfolgen“ erreichen können? Erst seit eineinhalb Jahren können wir gemeinsam mit der Vertreterin der PARTEI und dem Vertreter der Tierschutzpartei als Fraktion agieren, als viertgrößte von sieben Fraktionen.

 

Frage Thomas Trüper:

Mit Sicherheit aber gab es natürlich auch Enttäuschungen, wo du sagen würdest, da haben wir unser Ziel weit verfehlt?

Antwort TT:

Wie gesagt: Wie will man da aus einer absoluten Minderheitenposition heraus groß enttäuscht sein? Da wo die Erfolge liegen, sind gleichzeitig die Enttäuschungen verortet: Sozialticket – aber sehr bescheiden, und weit weg von „Nulltarif“. Wohnungspoltische Wende – aber verdammt langsam und bisher ohne massive Förderung von dauerhaft leistbaren Wohnungen. Weitere Gemeinschaftsschulen – so weit weg wie schon immer. Verkehrswende? Langsam, langsam.

 

Frage an Thomas Trüper:

Du erwähntest, dass die LINKE im Gemeinderat seit 2019 mit drei Stadträt*innen vertreten ist und jetzt mit PARTEI und Tierschutzpartei sogar eine fünfköpfige Fraktion bildet. Das war für viele positiv überraschend, dass das offensichtlich so reibungslos geklappt hat. Wie hat sich denn die Zusammenarbeit so bewährt?

Antwort TT:

Gut und bisher problemlos, im gegenseitigen Respekt. Für alle beteiligten Kräfte eine win-win-Situation – und das wissen auch alle drei Parteien. Ich stelle als Linker fest, dass der Tierschutz inzwischen eine sehr große Bedeutung bekommen hat und wesentlich politischer geworden ist. Ich habe da auch persönlich sehr viel dazugelernt: Viele große Weltprobleme gehen einher mit der Misshandlung der Tierwelt: Aktuell macht uns das Covid-19 sehr deutlich, was die Zerstörung des Lebensraums wilder Tiere betrifft. Die schon verbrecherisch zu nennende Abfackelung des Regenwaldes ist eine der Produktionsbedingungen für die Überproduktion und den Überkonsum von Fleisch aus Massentierhaltung, die wiederum zu Klima- und Grundwasserproblemen und beispielsweise auch zur Verbreitung multiresistenter Keime führt…

Ich höre hier mal auf. Die Zusammenarbeit ist sehr gut, und hier gibt es auch bundesweit beachtete Erfolge wie z.B. die Abschaffung der Hundesteuer für aus Tierheimen übernommene Hunde auf deren Lebenszeit.

 

Frage an Dennis:

Als Fraktionsvorsitzender hat man ja eine große Aufgabe, um den Laden zusammenzuhalten. Überwiegt die Freude in der Herausforderung oder die Angst vor den Mühen?

Antwort DU:

Von Angst würde ich nicht sprechen, die habe ich auch nicht. Ehrfurcht vor diesem Amt und den Aufgaben trifft es meiner Meinung nach besser. Aber ich finde, diese muss man zu einem gewissen Teil auch haben. Denn schließlich bedeutet das viel Verantwortung gegenüber der eigenen Partei, aber vor allem gegenüber den Wähler*innen und der Stadtgesellschaft, und das sollte man nicht auf die leichte Schulter nehmen. Ich freue mich aber auch auf die Arbeit im Gemeinderat mit dieser Fraktion. Die Zusammenarbeit unter Thomas hat meines Erachtens sehr gut funktioniert, die Fraktion hat sich als gutes Team erwiesen. Und diese gute Zusammenarbeit möchte ich stärken.

 

Frage an Dennis Ulas:

Wenn Du auch neu im Gemeinderat bist, so ganz neu bist du ja nicht in der Kommunalpolitik. Du arbeitest hierzu schon seit langem in der LINKEN und bist in der zweiten Legislaturperiode als Bezirksbeirat in der Neckarstadt-Ost tätig. Was werden Deine Schwerpunkte im Gemeinderat sein? Was deine Arbeit in der Fraktion angeht, gilt hier das Prinzip Kontinuität, oder willst du neue Akzente setzen?

Antwort DU:

 In der Neckarstadt habe ich mich bisher überwiegend mit den Themen Wohnungspolitik – Gentrifizierung, Entmietung, Mangel und Verlust an preiswertem Wohnraum, rasant steigende Mieten – und Verkehr auseinandergesetzt. Wohnungspolitik ist der Schwerpunkt der kommunalpolitischen Arbeit der LINKEN der vergangenen Jahre gewesen, bei dem wir auch einige Erfolge vorzuweisen haben. Daran möchte ich auf jeden Fall anknüpfen und diese Arbeit fortführen, da die Wohnungsfrage auch künftig von Bedeutung für Mannheim sein wird. Weiteres Herzensthema von mir ist die Verkehrspolitik: Wir müssen die Autos in der ganzen Stadt reduzieren. Dass das nicht von heute auf morgen geht und dabei sehr dicke Bretter zu bohren sind, ist klar. Aber in einer Stadt mit weniger Autoverkehr und Pkws profitieren alle: Mensch, Tier und Umwelt. Wo wir auch beim nächsten Thema wären, dem Klimaschutz. Hier gibt es in Mannheim noch viel zu tun, allen voran die Fernwärmeversorgung. Unser Ziel sollte es sein, das Großkraftwerk schnellstmöglich abzuschalten, aber dabei auch den Beschäftigten eine Perspektive zu geben. Es müssen Maßnahmen getroffen werden, um im Zuge der Klimaerwärmung gesundes, gutes und günstiges Wohnen in der Stadt zu ermöglichen. Und schließlich möchte ich mich dafür einsetzen, dass Mannheim (weiterhin) eine weltoffene Stadt ist: Niemand soll wegen seiner wirtschaftlichen Situation, seiner Herkunft, seines Glaubens, seines Geschlechts, seiner Sexualität oder seines Aufenthaltsstatus diskriminiert oder ausgegrenzt werden. Im Gemeinderat möchte ich also sowohl die bisherige gute Arbeit fortsetzen, aber sicherlich auch mit der Fraktion neue Akzente setzen, wo es sinnvoll ist.

Frage an Thomas Trüper:

Bei aller politischen Klarheit und Prinzipienfestigkeit, die du im Gemeinderat vertreten hast, warst du auch von einer praktischen Herangehensweise getragen. Wie kann man Mehrheiten im Gemeinderat finden, denn nur so ist etwas zu erreichen? 

Antwort TT:

Wie gesagt: Wenn man etwas aus der kleinen Minderheit heraus erreichen will, muss man erstens einen verdammt langen Atem haben, zweitens muss man auf Sachkenntnis und Argumentation bauen, stets Bündnismöglichkeiten ausloten und man braucht vor allem die Unterstützung aus der Gesellschaft. Wenn man sich – weil man nur alleine, zu zweit oder zu dritt ist, lediglich auf die Verkündung einiger – vielleicht durchaus richtiger – Parolen beschränkt, und das möglichst ätzend, hat man von vornherein kapituliert. Ich glaube, die Wählenden erwarten mehr.

 

Frage an Dennis Ulas:

Schaufensterpolitik war Thomas immer zuwider. Wie geht es dir dabei und wie wichtig ist dir die fraktionsübergreifende Arbeit?  

Antwort DU:

Klar ist, dass wir als linke Fraktion LI.PAR.Tie. nach außen hin wahrnehmbar sein müssen. Dazu zählt auch, dass wir uns mit weitergehenden Forderungen nach links hin von den anderen Parteien abgrenzen. Dennoch wollen wir auch etwas für die Stadt erreichen, und das funktioniert in der Kommunalpolitik oft nur mit Kooperation. Sofern wir zusammen mit anderen Parteien gute Projekte und Maßnahmen beschließen können, arbeite ich gerne zusammen – außer mit der AfD. Ich möchte aber auch betonen, dass uns hier ein strategischer Vorteil zugutekommt, denn für viele soziale und ökologische Projekte benötigen Grüne und SPD uns für eine Mehrheit im Gemeinderat.

 

Frage an Thomas Trüper:

Dein Leben war immer auch ein politisches, für das Du viel Lebenszeit aufgebracht hat. Am 2. Februar wird auch für dich persönlich ein ganz neues Kapitel aufgeschlagen. Fehlt dir dann was, oder freust du dich auf die persönlich gewonnene Zeit?

Antwort TT:

Ich freue mich auf eine Zeit mit sehr viel weniger von Anderen gesetzten Terminen. Mehr Freizeit, vor allem mit meiner Frau, im Garten, und vielleicht auch mal wieder Reisen… Und trotzdem nicht weniger gesellschaftliches, politisches Interesse.

 

Frage an Dennis:

Thomas hat in die Gemeinderatsarbeit viel Zeit reingesteckt, das war ja praktisch mindestens ein Halbtagsjob und das ehrenamtlich mit einer Aufwandsentschädigung. Entgegen gekommen ist Thomas dabei, dass er in den letzten Jahren nicht mehr anderweitig berufstätig war. Du bist berufstätig. Wie willst Du das alles unter einen Hut bringen? Und was machen hierbei deine persönlichen Interessen? 

Antwort DU:

Mit der Gemeinderatsarbeit kommt tatsächlich viel Arbeit auf mich zu und ich werde in den ersten Wochen und Monaten sehen, wo ich anderweitig kürzertreten muss: Ob ich beruflich meine Wochenarbeitszeit dauerhaft auf 30 Stunden belasse, ob ich bei Hobbies, wie z.B. dem Tanzen, reduzieren muss oder ob ich andere Aktivitäten einschränken muss, wird sich zeigen. Ich bin mir aber sicher, dass ich das hinbekommen werde. Denn schließlich gibt es auch viele andere Berufstätige im Gemeinderat und Kommunalpolitik darf nicht nur für Menschen im Ruhestand oder für diejenigen, die es sich leisten können, möglich sein!

 

Kommunalinfo:

Vielen Dank für das Gespräch!

(Die Fragen für das Kommunalinfo stellte Roland Schuster)