Darfs noch etwas weniger sein? – ZeroCovid für null Neuinfektionen – mit aktuellem Veranstaltungshinweis

Aktueller Veranstaltungshinweis:

Kundgebung: „Solidarität in Zeiten der Pandemie“

Samstag, 10. April 2021, 13 Uhr, Paradeplatz MA

Veranstalter: #ZeroCovid-Rhein-Neckar


Bei Betrachtung des politischen Nebelflugs der vergangenen Wochen und Monate, scheint immer offensichtlicher zu werden, dass die Verantwortlichen in Bund und Ländern mit der Pandemiebekämpfung auf vielen Ebenen überfordert sind. Nichts macht dies deutlicher, als Jens Spahns Ignoranz gegenüber der Berechenbarkeit von Infektionsgeschehen oder dem Hoffen Armin Laschets auf besseres Wetter und seiner genervten Reaktionen auf Kritik seiner Lockerungsvorstellungen. Dass die Impfungen im internationalen Vergleich so schleppend vorankommen liegt sicher  nicht nur am Umgang mit dem Impfstoff eines bestimmten Herstellers. Dass ein Großteil der Bevölkerung hinter Schutzmaßnahmen steht oder sogar härtere Maßnahmen befürwortet, bedeutet auch nicht, dass die Befragten auch hinter der Politik stehen, die das Auf und Ab und Auf der Infektionszahlen mitverursacht und uns alle seit November im Dauerlockdown hält. Nach einem Jahr Pandemie-Erfahrung lässt sich nicht mehr jedes Versagen ohne Weiteres auf das Virus schieben. Doch welche Alternativen gibt es?

ZeroCovid

Neben der im letzten Artikel vorgestellten NoCovid- Strategie, wollen wir uns heute ansehen, was die zweite prominente Kampagne ZeroCovid ausmacht. Unter dem Motto “Das Ziel heißt Null Infektionen! Für einen solidarischen europäischen Shutdown” hat sich der Aufruf zu ZeroCovid zum Ziel gesetzt für einen konsequenten Shutdown auf euopäischer Ebene zu werben, der nicht nur überwiegend das Privatleben der Menschen einschränken, sondern auch nicht systemrelevante Wirtschaftsbereiche umfassen soll.

Forderungen und Ziele

Die Kampagne startete zunächst mit einem Aufruf auf der Petitionsplattform “weAct” des kapitalismuskritischen Vereins Campact und hat bis heute (04.04.2021) 109.249 Unterzeichner:innen. Darunter finden sich Unterzeichner:innen aus vielen Teilen der Gesellschaft, wie Kultur, Pflege- und Gesundheit, Politik oder auch der Wissenschaft, womit ZeroCovid im Gegensatz zu NoCovid eher auf eine breitere Unterstützung weiter Bevölkerunsteile setzt, als das wissenschaftliche Gewicht, wie es bei NoCovid der Fall ist. Dadurch entsteht der Eindruck, dass es sich hier eher um eine Initiative von unten nach oben handelt, was auch durch das Aktionsformat vermittelt werden soll. Begleitet wird die Petition nämlich auch von der Arbeit von Ortsgruppen, einem eigenen Youtube-Kanal und einem ZeroCovid- Aktionstag mit Online-Demo am 10. April. Ähnlich wie bei NoCovid soll auf eine europäische bzw. internationale Vernetzung hingearbeitet werden, um gemeinsame Strategien zu erarbeiten und umzusetzen.

In dem Aufruf zu ZeroCovid (https://weact.campact.de/petitions/zerocovid-fur-einen-solidarischen-europaischen-shutdown) wird ein “radikaler Strategiewechsel” in der Coronapolitik gefordert der das “kontrollierte Weiterlaufen der Pandemie” beenden soll. Dazu gehört das Ziel  Neuinfektionen auf null zu reduzieren, um dann Lockerungen mit einer Kontrollstrategie zuzulassen. Hier geht ZeroCovid in der Forderung also deutlich weiter als NoCovid. Die Stilllegung soll auch Fabriken, Büros, Betriebe, Schulen und weitere Bereiche betreffen, wobei die Gewerkschaften miteinbezogen und die Maßnahmen von den Beschäftigten selbst gestaltet und durchgesetzt werden sollen. Desweiteren wird ein Rettungspaket gefordert, was die ökonomisch schwachen und von Ausgrenzung betroffenen Menschen unterstützen soll, die unter den Maßnahmen am meisten leiden. Außerdem müssen das Gesundheits- und Pflegewesen solidarisch ausgebaut sowie dem Profitinteresse entzogen werden, was ebenso für Impfstoffe gefordert wird, die als “globales Gemeingut” aufgefasst werden. Das Ganze solle mit einer Covid-Solidaritätsabgabe finanziert werden, die hohe Vermögen und Einkommen sowie Unternehmensgewinne und Finanztransaktionen betreffen soll.

Quelle: https://zero-covid.org/plakate-und-flyer/

Der Stufenplan

Diese Forderungen wurden letztlich auch in einen Stufenplan überführt, der in drei Stufen fünf Handlungsfelder mit bestimmten Maßnahmen unterlegt. Hierin wird die höchste Risikostufe bis zu einer Inzidenz über 10 als “Vollbremsung” beschrieben. Eine zweite “Risikostufe” wird in dem Bereich der Inzidenz zwischen zehn und fünf angesetzt und mit vorsichtigen Öffnungen versehen. Ab einer Inzidenz unter fünf wird die “Grüne Stufe” beschrieben, wobei weiterhin der Fokus auf ein Senken auf null liegen soll. In den einzelnen Stufen werden die Handlungsfelder “Freie Wirtschaft/Landwirtschaft/Soziales, Bildung/Kinderbetreuung/Familien/Care- Arbeit, Gesundheitswesen, Gemeinschaftsunterbringungen/Heime/Wohnen und Freizeit/Kultur/Gastronomie/Einzelhandel” mit jeweils eigenen Maßnahmen versehen.

In einem Positionspapier vom 22.03.2021 bekräftigt ZeroCovid noch einmal die Notwendigkeit eines radikalen Strategiewechsels mit den aktuellen Entwicklungen und der Ausbreitung der Corona- Mutante sowie die Unausweichlichkeit einer mehrwöchigen Arbeitspause.

Perspektiven

Über die bloße Bekämpfung der CoVid- Pandemie hinaus, wie sie bei NoCovid im Vordergrund steht, zielt ZeroCovid also auch auf gesellschaftspolitische Veränderungen im Hinblick auf die Bekämpfung der Pandemie und ihrer Folgen. Obwohl der Fokus damit deutlich breiter gefasst ist, lautet ein Vorwurf an ZeroCovid, lediglich Symptome in einem spezifischen Krisenfall beheben zu wollen, statt die Ursachen für die Krisenanfälligkeit unserer Gesellschaft in größerem Maßstab zu benennen und anzugehen. Allerdings handelt es sich im betreffenden Fall um einen wesentlichen gesellschaftlichen Sektor, nämlich den des Gesundheitswesens, und damit um einen, der große Teile der Gesellschaft in ihrem Leben vielfach betreffen kann und wird.

Allerdings könnte es vielleicht sogar sinnvoll sein, zu versuchen neoliberale Schreckgespenster, wie das der Umverteilung oder Vergesellschaftung, über die Durchsetzung in einzelnen gesellschaftliche Sektoren für eine breite Masse greifbarer zu machen, um sie daraufhin in einen größeren Kontext, wie klassenkämpferische oder revolutionäre politische Perspektiven einzubetten. Wie die Erderwärmung für Fridays for Future, kann die Corona- Pandemie für eine linke Bewegung als Phänomen und Initial die Möglichkeit bieten, über einen zunächst abgrenzbar erscheinenden gesellschaftlichen und ökonomischen Sektor, gesellschaftliche Kämpfe zu bündeln und somit eine Transformation insgesamt voranzubringen. Dafür kommt es wahrscheinlich weniger darauf an, wie die konkrete Strategie sich während der Pandemie ausgestaltet, als wie die zu Grunde liegende Analyse auch nach der Pandemie in progressive Politik umgesetzt werden kann. Hier bleibt auch ZeroCovid noch offen.

Text: DeBe

Quelle:

https://zero-covid.org/blog/