Mannheim/Brühl: Anwerbeversuche durch den Verfassungsschutz
Der Inlandsgeheimdienst “Verfassungsschutz” hat Anwerbeversuche bei politischen Aktivist*innen in der Region durchgeführt. Das berichtet die Rote Hilfe in einer Pressemitteilung. In Mannheim und Brühl soll es in den letzten Monaten Versuche gegeben haben, Personen aus der linken Szene als Informant*innen zu gewinnen.
Gescheiterte Anwerbeversuche in Mannheim und Brühl
In Mannheim wurde im Stadtteil Jungbusch ein junger Mensch angesprochen, der sich in sozialen Bewegungen engagiert. Ein Mann mittleren Alters soll direkt vor seiner Tür gestanden haben, zu einem Zeitpunkt, als er gerade alleine war. Er habe wegen seiner politischen Aktivitäten mit ihm reden wollen. Der angesprochene beendete das Gespräch jedoch sofort.
In Brühl wurde bereits letzten Herbst ein Antifaschist beim Gassigehen mit seinem Hund von einem mutmaßlichem Verfassungsschutz-Mitarbeiter angesprochen. Man kenne ihn aus Worms, seine Identität sei dort am 6. Juni 2020 festgestellt worden. Damals hatte es zahlreiche Ingewahrsamnahmen von Menschen gegeben, die sich einer Nazi-Demo in den Weg gestellt hatten (KIM Berichtete). Der Geheimdienstmitarbeiter soll Informationen über „gewaltbereite Demonstrant*innen“ angefragt und sogar Hilfe beim Studium angeboten haben. Auch diese Zusammenarbeit sei abgelehnt worden.
Dass es weitere Anwerbeversuche gegeben habe könnte, ist nicht unwahrscheinlich. Wenn solche Gespräche erfolgreich verlaufen, müssen die zukünftigen Spitzel natürlich über ihre Tätigkeit stillschweigen bewahren. Erkenntnisse über die Praxis der Geheimdienste gab es immer wieder im Rahmen von Gerichtsverfahren und parlamentarischen Untersuchungsausschüssen. Der Geheimdienst selbst erteilt dazu keinerlei Auskünfte.
Kontinuität der Geheimdienste
Während im Kalten Krieg die DDR ihre „Stasi“ in Stellung brachte und das politische und private Leben von Oppositionellen durchleuchtete, wurde in der BRD der „Verfassungsschutz“ aufgebaut. Auch dieser Geheimdienst sammelt Informationen aus dem privaten und politischen Umfeld von Aktivist*innen. Die Spitzel werden V-Leute genannt. Während über die Arbeit der nicht mehr existenten „Stasi“ viel bekannt ist, agiert der „Verfassungsschutz“ immer noch weitgehend unbekannt.
Einen guten Einblick in dessen Arbeit und die Bedeutung eines Systems der Bespitzelung, gibt die gerade erschienene ARD Reportage „Geschichte im Ersten: Jagd auf Verfassungsfeinde“. Beim „Radikalenerlass“ in den 70er und 80er Jahren, der hunderte Berufsverbote für Lehrer*innen und andere Staatsbedienstete nach sich zog, kam dem „Verfassungsschutz“ eine besondere Bedeutung zu. Auch heute gibt es noch Regelanfragen beim Verfassungsschutz, der anhand des Extremismusbegriffs politische Oppositionelle stigmatisiert. Im Film werden auch aktuelle Beispiele gezeigt.
Befürworter*innen des „Verfassungsschutz“ bezeichnen ihn als „Frühwarnsystem“ der Demokratie. Doch hier hat der Geheimdienst immer wieder versagt. So konnte er nicht die furchtbaren Anschläge vom Breitscheidplatz, von Hanau oder Halle verhindern und er war mit seinen V-Leuten jahrelang in die rassistische Mordserie des NSU verstrickt, ohne sie aufzuklären.
Für Aufklärung sorgt man besser mit demokratischen Mitteln. Investigative Recherchen von Journalist*innen und zivilgesellschaftlichen Organisationen haben gezeigt, dass sie das bessere Frühwarnsystem sind und dabei ganz ohne Bespitzelung, Telefonüberwachung und Staatstrojaner auskommen. (cki)
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