Kulturdemo: Tanzen gegen Beschränkungen
„Kulturelle (Frei)Räume schaffen und erhalten“ – dafür gingen am Mittwoch, 27. Juli hunderte Menschen mit lauten Musikwägen auf die Straße. Zur Tanzdemo hatten das Mannheimer Kollektivnetzwerk, der Kulturtragflächen e.V. und das Bündnis Kulturschaffender Mannheims aufgerufen. Anlass der Demo sind blockierte Verhandlungen mit der Stadt um die Vergabe von Freiflächen für Kulturveranstaltungen unter freiem Himmel.
Tragflächen für unkommerzielle Kultur
Rückblick: Die Corona-Pandemie brachte 2020 die Kulturszene mächtig ins Straucheln. Viele Kulturschaffende verloren ihre Existenzgrundlage, die Partyszene ihre liebste Freizeitbeschäftigung und es wurde still in der Stadt. Zur Wiederbelebung und mit den Gedanken, dass ein dauerhaftes Sterben der Szene unbedingt verhindert werden müsse, gab es von der Stadt Angebote für kostenlose Spielstätten im Freien, beispielsweise im Schlosspark, auf der Neckarwiese oder im Taylor Park. Bei geringerem Infektionsrisiko fanden zahlreiche Kulturveranstaltungen im Freien statt, Konzerte, Kunst, Technopartys. Anschub kam auch über die finanzielle Kulturförderung der Stadt, aber auch vom Bund.
Das Open Air Veranstaltungskonzept erfreute sich großer Beliebtheit und der Verein Kulturtragflächen, der aus einem Netzwerk Kulturschaffender hervor ging, koordinierte 2021 eine beachtliche Veranstaltungsreihe unter dem Namen „Mannheimer Kulturtragfestival“. Nach eigenen Angaben wurden mehr als 500 Veranstaltungen und 14 000 Besucher*innen gezählt, außerdem hatten „unzählige pandemiegeschädigte Künstler*innen“ eine Auftrittsmöglichkeit. Vom Gemeinderat gab es für die unkommerziellen Veranstaltungen Rückendeckung. Am Ende wurde der Verein sogar mit einem Ehrenamtspreis für sein Engagement ausgezeichnet.
Keine Zukunft für unkommerzielle Kultur?
Doch nun scheint eine Fortsetzung ungewiss. Zwar arbeitet der Verein Kulturtragflächen zusammen mit dem Mannheimer Nachtbürgermeister und dem Netzwerk der subkulturellen Kollektive an einer Fortsetzung des Ganzen, doch von Seiten der Stadtverwaltung sehe man sich dermaßen mit bürokratischen Hürden konfrontiert, dass es bisher zu keinen Veranstaltungen kommen konnte – obwohl man seit April in den Startlöchern stehe, sagen die Demo-Organisator*innen.
Es geht um Auflagen für Naturschutz, Sicherheit, Lärm, Toiletten, Absperrungen und die Übernahme von Kosten. Favorisierte Flächen würden mittlerweile von der Stadt als ungeeignet abgelehnt. Immer neue Gutachten würden den Prozess verzögern.
Während die Veranstalter*innen die Zusammenarbeit im letzten Jahr als unbürokratisch lobten, üben sie nun massiv Kritik an der neuen Linie der Stadt, die alle Veranstaltungsplanungen zunichte mache.
„Nun geht der Sommer bald zu Ende und die Zeit rennt uns davon“ beklagen die Kollektive die aktuelle Situation.
Dann wird eben bei einer Demo getanzt
Ihre Forderungen trugen die Kulturschaffenden dann am Abend des Mittwoch, 27. Juli auf die Straße. „Wir möchten, dass die Flächen auch in den kommenden Jahren den Kollektiven, Künstler*innen und Besucher*innen zur Verfügung stehen“ forderten die Demonstrant*innen.
Sechs Musikwägen wurden aufgebaut und trafen sich um 18 Uhr am Schloss. Die Route führte durch die Quadrate und den Jungbusch bis zum Alten Messplatz. 700-900 Menschen zählten die Veranstalter*innen, die sich durch die heiße Stadt tanzten. Mit dabei waren die Kollektive Stoffwechsel, Wiesogeradeschräg, Exil, Clocked. Mannheim, Tief_bauamt, Mosaik frei & draußen und weitere Unterstützer*innen.
Die Stadt versteckt sich währenddessen vor allem hinter Auflagen zu Lärm- und Naturschutz. Im Mannheimer Morgen kündigt ein Stadtsprecher an, dass es vier Veranstaltungen unter der Riedbahnbrücke auf der Neckarwiese geben könne. Das sei auch eine Zusage der zuständigen Bürgermeisterin Pretzell, mit der Nachtbürgermeister Robert Gaa im Gespräch ist. Er steht hinter dem Konzept der Kulturtragflächen. Aber vier Veranstaltungen in 2022? Das ist nicht das, was sich das Kollektivnetzwerk für dieses Jahr erhofft hatte.
Was ist die Alternative? Ohne Kooperation mit der Stadt, ohne realistische Angebote und Zusagen für Flächen, wird die Szene vermutlich zu ihren Wurzeln zurück kehren und Partys wieder unangemeldet und damit illegal veranstalten. Aber vielleicht sind das ja sowieso die besseren Undergroundpartys.
(Text: cki | Fotos: Natascha Zahn)