BASF Aktionärshauptversammlung 2024 (2): Über die Steueroptimierung der BASF und Ludwigshafener „Drecklöcher“

Weltgrößter zusammenhängender Chemiekomplex in einer verarmten Stadt. Wie geht das zusammen? (Bild: KIM-Archiv)

Eine ehemalige Beschäftigte der BASF und Bürgerin von Ludwigshafen, wandte sich an die Aktionärsversammlung und die BASF-Leitung angesichts der fast katastrophal zu nennenden Entwicklung der Stadt und forderte die Hauptversammlung auf, Vorstand und Aufsichtsrat aufgrund seiner Steuerpolitik nicht zu entlasten.

 

„Ludwigshafen ist mit 1,5 Mrd. Euro verschuldet – und damit an der Spitze der verschuldeten Kommunen in der Bundesrepublik. Ludwigshafen ist zugleich eine Stadt der Mangelwirtschaft, in der der allgemeine Zerfall offensichtlich ist.

Einige wenige Beispiele: Die Fensterrahmen in den Schulen werden festgeschraubt, weil das Holz morsch ist und die Scheiben sonst herausfallen könnten. Die Schultoiletten können nicht mehr renoviert werden, der Straßenbahnverkehr wird reduziert, die Grünflächen werden nicht mehr ausreichend gepflegt, an der Rattenbekämpfung wird eingespart, die Gemeindehäuser verfallen. 10% Kürzung bei der Kultur, der Etat des Kulturbüros wurde um 25% gekürzt. Straßen sind marode, an Maßnahmen zur Klimaanpassung ist nicht zu denken. Der Sanierungsstau beträgt inzwischen mehrere Hundert Millionen Euro. Dies alles ist für die Bürger/innen verbunden mit ständig steigenden kommunalen Steuern und Gebühren.

 

Ludwigshafen ist aber zugleich der Hauptsitz des weltgrößten Chemiekonzerns mit dem weltweit größten Verbundstandort, mit mehr als 35.000 Beschäftigten vor Ort und nochmals Tausenden von Leiharbeitskräften.

Die BASF SE schüttet dieses Jahr erneut rund 3 Mrd Euro an Dividende aus, 3.000 Millionen Euro, das ist das Doppelte der Schulden von Ludwigshafen.

Und doch ist Ludwigshafen arm wie eine Kirchenmaus. Wie kann dies sein? Ludwigshafen müsste doch gewaltige Gewerbesteuereinnahmen haben und recht wohlhabend sein.(…)

Die BASF hütet das Geheimnis ihrer Gewerbesteuerzahlen an die deutschen Kommunen wie ihren Augapfel. Berechnungen ergaben, dass sie auch in guten Ertragsjahren, maximal 50 Mio. Euro, Gewerbesteuer in Ludwigshafen – wahrscheinlich noch weniger entrichtete. (…).

Warum? Weil die BASF die Kunst der sogenannten Steueroptimierung – ein ausgeklügeltes System des Verschiebens von Gewinnen in ausländische Gesellschaften, um Steuern zu vermeiden – hervorragend beherrscht. Deshalb ist auch das behauptete schlechte Betriebsergebnis in Ludwigshafen nicht glaubwürdig.“

Die kritische Aktionärin wies auf die Steuerstudie von 2016 der Grünen im Europaparlament hin, die unwidersprochen von der BASF herausgearbeitet hatte, dass BASF in vier Jahren von 2010 – 2014 fast 1 Mrd Euro Steuern am Fiskus vorbeigeschleust hatte.

 

Ein Steuerexperte der BASF erklärte damals vor einem Ausschuss der Europäischen Union, dies sei im Interesse der Anteilseigner. Diese wollen wenig Kosten und das heißt: wenig Steuern bezahlen. „Wollen wir alle hier dies wirklich?“, fragte die Aktionärin die Versammelten.

 

Leider sei „diese Art der Steuervermeidung legal. Nicht umsonst gibt die BASF allein in Deutschland 4 Millionen Euro für Lobbyarbeit aus – mehr als sie in Deutschland Steuern bezahlt. Im Lobbyregister werden die Steuern als ein Interessenfokus der BASF genannt (Rheinpfalz 04.04.2024).“ Man müsse wohl davon ausgehen, dass auf diesem Wege die legalen Steuerlöcher weiterhin offen bleiben werden.

 

„Dies ist noch nicht alles. Fast ein Viertel Jahrhundert (seit 2001) führte die BASF eine juristische Auseinandersetzung gegen die Landesfinanzbehörde Rheinland-Pfalz um die Höhe der sowieso schon mickrigen Gewerbesteuern. Es endete letztes Jahr mit einem Sieg für das Unternehmen.

 

Folge: Die hoch verschuldete Stadt Ludwigshafen muss 170 Mio. Euro an Gewerbesteuer zurückzahlen, darunter allein Zinszahlungen von über 32 Mio. Euro. ‚Wir sind bei den Gewerbesteuereinnahmen jetzt auf dem Niveau einer Kleinstadt angelangt‘, sagt der Kämmerer, ‚und haben Ausgaben wie eine Großstadt‘. Im Jahr 2023 hat die Stadt nur noch Gewerbesteuereinnahmen von ca. 12 (11,8) Millionen Euro zur Verfügung.“

 

Da die Herren des Vorstands von sich behaupteten, in ihrer Arbeit stets einen hohen ethischen Standard einzuhalten, sollten sie sich verpflichtet fühlen, die Stadt, in der die BASF gegründet und groß wurde, wo sie ihren Stammsitz hat, die Stadt, die attraktiv sein sollte, um hoch-qualifizierte Arbeitskräfte zu gewinnen, mit einer ethischen, das heißt nicht-optimierten Gewerbesteuer zu unterstützen.

Die Aktionärin wies darauf hin, dass das erst vor wenigen Tagen veröffentlichte Untersuchungsergebnis der Studie im Rahmen der BASF-Aktion LUunited – ein Programm zur Zusammenfassung und Aktivierung von Ludwigshafener Ehrenamtlichen – u.a. ergab, die Ludwigshafener Sporthallen seien „Drecklöcher. „Allein dies könnte man mit dem Verzicht auf die Gewerbesteuerrückzahlung abschaffen.“

 

„Frage: Wie verträgt sich Ihr postulierter hoher Anspruch der sozialen Verantwortung mit der Steuervermeidungsstrategie zum Nachteil der Stadt Ludwigshafen und ihrer Bürger?“

 

Kamieth, der neue Vorstandsvorsitzende, erklärte zu Beginn der Versammlung, ihm sei Offenheit wichtig. Hier schloss die Aktionärin die Frage zum Transparenzanspruch der BASF an, die in ihren Unternehmensleitlinien betone: „Wir alle sind dafür verantwortlich, dass wir mittels einer korrekten Buchführung und Rechnungslegung eine wahre, transparente und vollständige Darstellung unserer geschäftlichen Aktivitäten erreichen.“

Wieso werde aber die Steuertransparenz davon gänzlich ausgenommen? Aus Angst vor Imageverlust ob der erschreckend niedrigen Steuern?

 

Eine weitere Frage betraft die Regelungen zur globalen Mindestbesteuerung („Pillar-Two“), die ab 2023 in Deutschland in Form des Mindeststeuergesetzes („MinStG“) in Kraft getreten sind, auf die Höhe der Steuerzahlungen der BASF in Deutschland (Alle Unternehmen haben demnach mind. 15 % an Steuern zu bezahlen) in geschätzten Euro.

 

Antwort des Vorstands auf die Fragen:

Zu letzteren war die Antwort ernüchternd, man erwarte eine Erhöhung der Steuern um einen zweistelligen Millionenbetrag. Dieser werde aber nicht notwendigerweise in Deutschland anfallen.

Geradezu unverfroren war die Antwort von Finanzvorstand Dirk Elvermann auf die Situation in Ludwigshafen: Man sei sozial engagiert und die Stadt erhalte aufgrund der BASF hohe Steuerzahlungen in Form der Lohn- und Einkommenssteuer der Beschäftigten (Sic!). Er vergaß zu erwähnen, dass die hoch dotierten Angestellten es vorziehen, nicht in LU zu wohnen. Und er bestätigte einen „tatsächlichen Steuerwert“ von 3 Mio. € (Kapitalertrag- Gewerbesteuer und Solidaritätszuschläge zusammengerechnet) insgesamt an den Standorten in Deutschland, verwies zudem auf die damit erfolgte Erhöhung, denn in 2022 hätte dies nur bei 2 Mio. Euro gelegen.

Man betrachte diese Zahlen im Lichte eines Umsatzes von ca. 69 Mrd. Euro in 2023 und einem Ergebnis vor Steuern von 1,42 Mrd. €.

Zugleich behauptete der Vorstand, entgegen aller weithin bekannten Tatsachen, (ein internationaler Konzern hat Möglichkeiten der Steuergestaltung, heißt dies gemeinhin) eine Steueroptimierung werde nicht betrieben. Die niedrigen Steuern in Deutschland seien den schlechten Ergebnissen geschuldet aufgrund hoher Energiekosten und sonstiger Belastungen wie Regelungswut, Bürokratie etc.

Die Entstehung von schlechten und guten Ergebnissen kann ein globales Unternehmen standortbezogen steuern.

Hier kann es nur eine politische Lösung geben.

Brudermüller, der scheidende Vorstandsvorsitzende, kündigte in Deutschland Kosteneinsparungen von 1 Mrd.€ an und den Abbau von 5.000 Arbeitsplätzen, viele davon in Ludwigshafen; denn bei allen Beteuerungen zur Nachhaltigkeit war Elvermanns Aussage unmissverständlich, man konzentriere sich auf profit sustainability (Nachhaltigkeit des Profits).

(Frr)