Schon wieder eine Absage einer Veranstaltung mit Nahostbezug zum Krieg in Israel und Gaza

Hinweis der Redaktion: Der Artikel besteht aus vier Teilen: 1) Die Nahost-Gruppe zum Raumverbot 2) Fake News der DIG 3) Facebook-Eintrag der DIG 4) Kommentar aus der KIM-Redaktion

Israels Gewalt gegen Bäuer:innen im Westjordanland soll totgeschwiegen werden – Wieder ein Raumverbot!

Die Mannheimer Naturfreunde haben uns den zugesagten Saal ihres Hauses für den Vortrag von Rudolf Rogg am 3.6. kurzfristig entzogen. Das trifft uns besonders, denn Mitglieder der Nahostgruppe sind auch Mitglieder der Naturfreunde. Wir haben mündlich von mehreren Personen erfahren, wie es zu der neuen Vorstandsentscheidung kam. Vertreter der Jüdischen Gemeinde Mannheim und der Naturfreunde Ludwigshafen diffamierten die Nahostgruppe als antisemitisch und den Holocaust-relativierend. Als Beispiel führten sie an, im Ausstellungspavillon der Nakba-Gedenkveranstaltung auf dem Marktplatz sei auch die Webseite www.palestineremembered.com/ gezeigt worden, und auf dieser Seite gebe es Hitlerbilder.

Die genannte Seite bietet detaillierte Informationen über die 1948 zerstörten 500 Dörfer und ihre Bewohner:innen. Diese stellten wir im Pavillon als Service für aus Palästina stammende Besucher:innen zur Verfügung. Einige erkannten Dörfer bzw. Personen ihrer Familie und waren gerührt und dankbar für das Angebot.

www.palestineremembered.com informiert außerdem auch über die Geschichte und das Selbstverständnis der zionistischen Bewegung. In Zusammenhang mit Informationen über das Haʿavara (hebräisch für Übertragung)-Abkommen zwischen der zionistischen Bewegung und dem NS-Regime zwischen 1933 und 1941 zeigt sie auch ein Bild von Hitler. Nach diesem Abkommen konnten vermögende deutsche Jüd:innen nach Palästina ausreisen und dort über einen Großteil ihres Vermögens verfügen. Im Gegenzug verpflichteten sich die zionistischen Organisationen, Waren aus Deutschland zu kaufen. In der zionistischen Bewegung setzte sich damals eine pragmatische, an Eigeninteressen orientierte Haltung durch, die z.B. Ben Gurion vertrat. Ende 1938 bezeichnete Ben Gurion die deutsche Judenverfolgung als „Hebel“ zur Gründung des jüdischen Staates. „Wenn ich wüsste, dass es möglich wäre, alle [jüdischen] Kinder Deutschlands zu retten, indem man sie nach England transportiert, und nur die Hälfte, indem man sie nach Israel bringt, würde ich mich für Letzteres entscheiden, denn wir müssen nicht nur das Leben dieser Kinder, sondern auch die Geschichte des Volkes Israel abwägen.“ (zitiert nach Teveth Shabtai, Ben-Gurion: The Burning Ground, 1988)

Fürsprecher:innen der zionistischen Politik Israels fühlen sich vermutlich unwohl, wenn dieser Teil der Geschichte Israels diskutiert wird. Die Briefeschreiber an die Naturfreunde Mannheim setzten sie sich allerdings nicht mit der Darstellung des Ha’avara-Abkommens auf der Webseite auseinander, sondern leiteten aus der Tatsache, dass Hitler abgebildet wurde, abstruse Vorwürfe gegen die Mannheimer Nahostgruppe ab. Es gelang ihnen, im Vorstand der Mannheimer Naturfreunde Verwirrung zu stiften und eine große Gefahr an die Wand zu malen: Holocaust-Relativierer und Judenfeinde in unserem Haus!! So musste nicht über die geplante Veranstaltung oder ihren Referent gesprochen werden, und es brauchte auch keine Beweise für den „Antisemitismus“ der Nahostgruppe. Fake News und Stimmungsmache reichten aus.

Der Vorstand der Naturfreunde hat uns um Verständnis und um Gespräche gebeten. Wir sind wie immer gesprächsbereit. Aber die Absage trifft uns hart. Wieder müssen wir uns wenige Tage vor der Veranstaltung um einen anderen Raum bemühen.

Die Veranstaltung mit Rudolf Rogg fand nun am 3. Juni in Frankys Farm in G7,18 statt. Thema war die Siedlergewalt im Westjordanland.

Nahostgruppe Mannheim


Fake News der Deutsch-Israelischen-Gesellschaft (DIG)

Der Ausstellungspavillon auf dem Marktplatz

Auf Facebook diffamiert die AG Rhein-Neckar der DIG am 23. Mai die Nakba-Gedenkveranstaltung auf dem Marktplatz als „ antisemitisches Straßenfest mitten in Mannheim“. Um das zu untermauern, setzt sie eine Reihe von Fake News in die Welt. Schamlos behauptet sie, es sei lauthals skandiert worden: „Juden sind Kindermörder, und es habe eine „Einführung in die Rassenlehre“ sowie „eine persönliche Analyse zu unserem Aussehen“ gegeben. Sie zitiert die Veranstaltenden mit einer frei erfundenen Aussage: „die Juden hätten es in den Gaskammern noch gut gehabt, verglichen mit Gaza heute.“

Eine Verleumdungsklage ist hier angezeigt. Denn sämtliche Veranstaltenden unterscheiden sehr genau und konsequent zwischen Israel/ Zionisten und jüdischen Menschen, und weisen jede Relativierung des Holocaust von sich. Zu den Veranstaltenden zählen auch antizionistische Jüd:innen. Ein Programmpunkt der Veranstaltung war eine Podiumsdiskussion jüdischer Antizionist:innen. Die DIG weigert sich, die Unterscheidung zwischen Zionismus und Judentum zur Kenntnis zu nehmen. Sie schreibt: „Daß es sich ja nicht um „Juden“ handelt, sondern um Zionisten und Besatzer ist eine Ausrede.“ Entsprechend deutet sie die BDS-Bewegung um in den Aufruf „Mannheim kauft nicht bei Juden. Der Webseite www.palestineremembered.com, die im Ausstellungspavillion gezeigt wurde, unterstellt die DIG zu Unrecht „übelste Nazi-Propaganda“ und behauptet, sie stelle „die Nürnberger Rassengesetze als wohlwollend oder schützend dar“. Differenziertes Denken und historisches Wissen ist offenbar nicht die Stärke der DIG. Sie kann oder will nicht unterscheiden zwischen einem Bericht über die Haʿavara-Kooperation zwischen Zionistischen Organisationen und NS-Regime und Nazi-Propaganda.

Gertrud Rettenmaier


Facebook-Eintrag der Deutsch-Israelischen Gesellschaft DIG Rhein-Neckar

Ein antisemitisches Straßenfest mitten in Mannheim

Am Samstag und Sonntag fand am Marktplatz in Mannheim eine Infoveranstaltung von Free Palestine Mannheim, der Nahostgruppe Mannheim und Zaytouna RNK statt. Es sollte um palästinensische Geschichte gehen. Wir wollten reden – schließlich heißt es ja immer, dass Dialog wichtig sei. Doch was wir dort erlebten, war eine unfassbare Bühne des Hasses.

Nakba-Veranstaltung am 17./18. März auf dem Mannheimer Marktplatz

Ein unterhaltsames antisemitisches Nachmittagsprogramm – inklusive Kinderschminken, während wenige Meter daneben die altbekannten Hassparolen erklangen. „Kindermörder Israel“ schallte es über den Platz, und als ob das nicht schon widerlich genug wäre, kam auch die uralte Ritualmordlegende zum Einsatz. „Juden sind Kindermörder“ wurde lauthals skandiert. Im Hintergrund eine Art Kunstausstellung, die an die Mauer zur Westbank erinnerte. Eine Mauer, die 2002 gebaut wurde, um die massive Welle von Selbstmordattentaten und Terroranschlägen zu stoppen , die von palästinensischen Extremisten ausgingen und bei denen hunderte israelische Zivilisten getötet und tausende verletzt wurden. Zwischen 2000 und 2003 während der Zweiten Intifada fanden über 70 Selbstmordattentate in Israel statt, bei denen Zivilisten in Bussen, Restaurants, Einkaufszentren und öffentliche Plätze gezielt angegriffen wurden. Die „Kunstwerke“ auf dieser Wand am Marktplatz verherrlichten diese Gewalt gegen Juden – und forderten mit dem Aufruf „Yallah Intifada“ noch mehr Gewalt. Steine soll man auf Juden werfen. Daß es sich ja nicht um „Juden“ handelt, sondern um Zionisten und Besatzer ist eine Ausrede.

Die von der Bundesregierung als antisemitisch und seit heute vom Berliner Verfassungsschutz als verfassungsfeindlich eingestufte BDS-Bewegung (Boycott, Divestment, Sanctions) hatte sogar eine eigene Wand – obwohl die Stadt Mannheim immer wieder versichert, so etwas werde hier nicht geduldet. Offensichtlich leere Worte. Die Realität sieht anders aus: „Mannheim kauft nicht bei Juden.“

Doch damit nicht genug: Unter dem Deckmantel „Widerstand ist legal“ wurden die Massaker vom 7. Oktober gerechtfertigt – einfach so, mitten in Mannheim, Meinungsfreiheit halt. Der Holocaust blieb natürlich auch nicht unerwähnt: Gaza sei ein KZ und die Juden hätten es „in den Gaskammern noch gut gehabt“, verglichen mit Gaza heute.

Die Veranstaltung war ein antisemitisches Sammelsurium: Einführung in die Rassenlehre gab es auch, damit jeder genau weiß, „was einen Juden ausmacht“. Wir bekamen vor Ort gratis eine persönliche Analyse zu unserem Aussehen.

Die Geschichtsverdrehung ging weiter: Plötzlich waren es 1948 nicht mehr die arabischen Staaten, die Israel angegriffen haben – nein, es waren die Zionisten, die die arabischen Nachbarn als erste überfallen haben. Israel? Ein zweites Nordkorea. Israelis? Halten Palästinenser als Sklaven. Jüdische archäologische Funde? Alles Lüge.

Der absolute Höhepunkt: Eine Website-Vorführung in einem der Zelte, auf der man sich fröhlich durch übelste Nazi-Propaganda klicken konnte – mitten in Mannheim, im Jahr 2025. Die Juden hatten im Dritten Reich den Antisemitismus selber geschürt um eine Flüchtlingskrise zu schaffen. Ben-Gurion hätte in einer Rede einen Monat nach dem Pogrom der Kristallnacht zur Ermordung deutscher Juden aufgerufen. Hitlers Verantwortung in der Judenverfolgung wird verharmlost, Geschichte umgedeutet und verfälscht. Die Nürnberger Rassengesetzte waren doch gut für die Juden, denn endlich wurden sie als Minderheit offiziell anerkannt. Jüdische Politiker werden die Reihe durch falsch oder aus dem Kontext heraus zitiert. Die Website stellt auch die Nürnberger Rassengesetze als wohlwollend oder schützend dar – was sie ganz entschieden nicht waren. Die Umdeutung nationalsozialistischer Rassengesetze als schützend oder großzügig ist ein klassisches Beispiel für: Verharmlosung des Holocaust, antisemitische Geschichtsrevision und moralische Umkehrung, bei der der Täter als missverstandener Wohltäter inszeniert wird. Dies ist Teil einer breiteren ideologischen Strömung, die versucht, die Brutalität des NS-Regimes herunterzuspielen oder gar zu suggerieren, die Jüdinnen und Juden trügen selbst eine Mitschuld an ihrem Schicksal – eine gefährliche und unehrliche Erzählung.

Und die Polizei? Die saß im Wagen, die Fenster zu. Weggeschaut. Geschwiegen.

Während wir versucht haben, wenigstens ein paar konstruktive Gespräche zu führen, wurden diese immer wieder von den Veranstaltern unterbrochen. Schließlich wurden wir sogar des Platzes verwiesen. Der Grund? „Mit Faschisten, Nazis und Zionisten redet man nicht.“

Der wahre Grund? Vielleicht war man lieber mit seinem Judenhass unter sich.

Wie lange wollen wir noch zuschauen, wie solche Veranstaltungen unsere Stadt vergiften? Wie lange soll Antisemitismus hier noch „Meinungsfreiheit“ heißen dürfen?

Es reicht!


Kommentar zur Absage der Veranstaltung der Nahost-Gruppe mit Rudolf Rogg

Nun also schon wieder eine Absage einer Veranstaltung mit Nahostbezug zum Krieg in Israel und Gaza

Die Absage durch die Naturfreunde erfolgte letztlich auf Grund einer Intervention seitens der Deutsch-Israelischen Gesellschaft. Wir haben eine Stellungnahme der Nahost-Gruppe Mannheim zur Absage der Veranstaltung durch die Naturfreunde und zu einem Facebook-Post der DIG veröffentlicht. Damit der Leser sich möglichst selbst ein Bild machen kann, haben wir den Facebookeintrag der DIG, der sich auf die Nakba-Veranstaltung am 17./18. Mai bezieht, ebenfalls veröffentlicht. Die DIG bezieht sich u.a. auf eine Webseite, deren Informationen Teil der Ausstellung während der Nakba-Veranstaltung gewesen seien. Wer sich die Webseite genau anschaut, wird die Vorwürfe des „Judenhasses“ nicht bestätigt sehen. Der verleumderische Bezug der DIG hat nun wieder einmal die Beendigung eines dringend notwendigen Diskurses zur Folge.

Die Naturfreunde Mannheim sahen sich in der Kürze der Zeit offensichtlich nicht in der Lage die vorgebrachten Informationen zu verifizieren. Sie haben auf ihrer Webseite angekündigt, sich mit den an sie „herangetragenen Informationen“ zu beschäftigen. Gleichzeitig wolle man in einen Dialog mit der Nahost-Gruppe treten, damit in Folge solche Veranstaltungen möglich wären. Es ist zu hoffen, dass die schwerwiegenden Vorwürfe aus dem Raum geschaffen werden können. Der Diskurs über den umstrittenen Themenkomplex Israel/Palästina/Gaza und Antisemitismus/Rassismus ist vergiftet und extrem schwierig. Er bleibt aber nichtsdestotrotz notwendig. Natürlich auf der Grundlage von Fakten.

Roland Schuster