„Bunte Vielfalt statt völkischer Einfalt“ – Das zweite Kulturfest gegen Rechts am Schillerplatz
Erneut kamen unter den schattigen Bäumen am Schillerplatz Menschen zusammen, um die vielfältige Kultur Mannheims zu erleben und mit einer gemütlichen Matinée gegen die graue Tristesse rechter Hetzer*innen zu protestieren.
Auf Einladung der Initiative „Bunte Vielfalt statt völkischer Einfalt“ boten mehr als zehn Künstler*innen und Gruppen über zwei Stunden lang ein abwechslungsreiches Programm von Musik über Lyrik, Zauberei und Kabarett, bis Poesie und Politik.
Es saßen wohl 120 bis 150 Leute auf der Wiese, wobei ein stetiges Kommen und Gehen, wie es in der Innenstadt an einem Sommertag üblich ist, eine genaue Zählung nicht möglich macht. Auf der gedachten Bühne standen Monika-Margret Steger (Schauspielerin), die auch moderierte, Ali Insan & Band (türkische und kurdische Lieder), Andreas Rathgeber (Akkordeon), Bettina Franke (Schauspielerin), Einhart Klucke (Kabarettist), Hasan Dewran (Lyriker), Frederic Hormuth (Kabarettist), Jan Lindqvist (Musiker), Jo Bell (Zauberer), JOANA (Liedermacherin), monimates (Wort&Ton). Rüdiger Bischoff (KreativTon) kümmerte sich um die Technik.
Mit Kreativität und Gelassenheit gegen die Angriffe von Rechts
Viele hatten ihren Campingstuhl dabei und sich vom Café nebenan ein Getränk geholt. Das Wetter meinte es gut mit der Veranstaltung. Das Open Air ohne Bühne – gespielt wurde vor dem Schillerdenkmal – wurde von einem warmen Sommertag begleitet. Der Platz war mit politischen Bannern geschmückt, die vom Maler und Zeichner Uli Thul, von der Aktionskünstlerin Dorle Schimmer und von Musiker und Grafiker Bernd Köhler gestaltet wurden.
Die Künstler*innen und Kulturschaffenden einte der Einsatz für eine offene, pluralistische Gesellschaft, ohne die eine vielfältige Kultur nicht möglich ist. Wer seine Identität im völkischen Kollektiv sucht, wird nur braune Ödnis finden. In der Einladung war zu lesen: „Die Partei der Jäger sitzt mittlerweile in den Parlamenten und macht auf den Straßen, wie auch kulturell, gegen Flüchtende und Andersdenkende mobil. Und nicht nur das. Ihr Rassismus und Nationalismus erreicht zunehmend die sogenannte politische Mitte. Exemplarisch dafür steht der derzeitige politische Amoklauf der CSU oder der Versuch rechter Bündnisse, das historische Erbe des Hambacher Schlosses in ihrem Sinne umzudeuten. WIR, eine Initiative Mannheimer Künstlerinnen und Künstler setzen dagegen ein Zeichen. Kostenlos und draußen. MIT aktuellen Informationen und unserer Kultur und Lebensfreude. GEGEN den völkischen Wahn, der Deutschland schon einmal in die Katastrophe geführt hat. FÜR gelebte Menschlichkeit und Solidarität statt nationalistischer Heimatschutz-Orgien à la CSU.“
Neben den künstlerischen Beiträgen gab es auch Raum für ernste Wortbeiträge. In einer emotionalen Ansprache berichtete die Bahnhofshelferin Natice Orhan-Daibel, wie sie im Sommer 2015 die ankommenden und durchreisenden Geflüchteten am Hauptbahnhof erlebt hatte. Sie erzählte von tragischen Schicksalen und berührenden Begegnungen. Mit vielen habe sie heute noch Kontakt. Diese Monate hätten ihr Leben verändert.
„Das Hambacher Fest ist nicht beliebig interpretierbar“
Gegen Ende der Veranstaltung verließ Mitinitiator Bernd Köhler einen Text zur politischen Bedeutung des Hambacher Schlosses und der aktuellen Instrumentalisierung des Hambacher Festes, unter anderem durch Veranstaltungen der AfD. In seiner Anmoderation wies er darauf hin, dass dort deutlich wird, wie sich der Rechtsruck durch die gesamte Gesellschaft zieht: „Neu war aber die Breite (…) von Sarrazin (SPD) über Lengsfeld (CDU) bis hin zu Meuthen (AfD), das sich dort in einem rassistisch-fremdenfeindlichen Kontext versammelte“. Damit wurde eine Veranstaltung mit dem Titel „Neues Hambacher Fest“ in diesem Jahr kommentiert.
Während sich 1832 tausende für eine Modernisierung der Gesellschaft, für die Gleichheit vor dem Recht und ein Ende staatlicher Willkür gegen Einzelne auf dem Hambacher Schloss versammelten, versucht die AfD die Geschichte für ihre Zwecke nationalistisch umzudeuten und den Begriff „Demokratie“ von rechts zu besetzen – ein Kulturkampf. Der Ruf nach nationaler Einheit war damals nicht von völkischen oder rassistischen Überlegungen geprägt. Es ging um Modernisierung und demokratische Rechte, die von den Fürstenhäuser, Herzogtümern und Königreichen verweigert wurden: Nationalstaat als Schutzmacht des Individuums. Eine weitere wichtige Forderung, die auf dem Hambacher Fest vertreten wurden, war die nach Pressefreiheit, „in dem Wissen, dass man ohne pluralistische Presse von Fake-news, nämlich Gerüchten abhängig ist und sich entsprechend wirr eine oder keine politische Meinung bildet.“, hieß es im Beitrag, der verlesen wurde.
Abschließend hieß es weiter: „Daher ist das Hambacher Fest von 1832 Ausdruck einer demokratischen Emanzipationsbewegung, auch wenn die Menschen natürlich auch im Denken und Fühlen ihrer Zeit verhaftet waren. Das Hambacher Fest von 1832 ist nicht beliebig interpretierbar. Dennoch, wenn es eine Zeitmaschine gäbe, würden heute hier vielleicht ein paar Hambacher dabei sein und gelebte Demokratie mitfeiern.“
Nach einer ersten Veranstaltung der Initiative im vergangenen Jahr, war es nun die zweite erfolgreiche Kulturveranstaltung gegen den Rechtsruck auf dem Schillerplatz. Vor den Kommunalwahlen 2019 soll auf jeden Fall mit ähnlichen Aktionen gegen den völkischen Wahn vorgegangen werden. “Ich könnte mir vorstellen, in der heißen Phase des Wahlkampfes mit solchen Veranstaltungen auch in die Stadtteile zu gehen”, kündigt Bernd Köhler als Mitveranstalter schon einmal an.
(Text & Bilder: cki)