Kundgebung für bezahlbaren Wohnraum in Heidelberg
Auftaktdemo am Universitätsplatz
Das zivilgesellschaftliche Wohnraumbündnis Heidelberg rief heute zu einer Auftaktkundgebung auf, zu der trotz schlechtem Wetter rund 60 Teilnehmer*innen kamen. Die Redner*innen der Kundgebung zeichneten mit lebensnahen Beispielen ein Bild der Situation auf dem Wohnungsmarkt. Die erschwinglichen Mieten sind längst nicht mehr im stadtnahen Bereich zu finden. Das zwingt vielen erschwerte Wege zu Arbeit oder Studium auf, was die alltäglichen Ausgaben weiter erhöht. Eine Bedarfsermittlung beim Bafög, welche sich nach Mieten orientiert zum Beispiel, mit einer Mietpauschale von 250 € erscheint vielen Studenten wie Hohn. Dadurch entsteht oft die zwingende Notwendigkeit eines Nebenjobs, dieser kostet Zeit und die unrealistischen Regelstudienzeiten sind so kaum zu halten. Das Bafög wird nur innerhalb dieser ausgezahlt. Lange Bearbeitungszeiten sorgen für Unsicherheit auf Mieter- wie auch Vermieterseite. Auf Dauer leidet darunter auch das Sozialleben, für Dinge die den Alltag aufwerten fehlt die Zeit, auch Engagement ist so kaum möglich.
Bei der Wohnungssuche selbst lauern weitere Hürden. Das beginnt allein beim Namen. Klingt dieser beispielsweise arabisch oder türkisch ist das für viele Berwerber*innen um eine Wohnung bereits ein k.o. Kriterium. Das setzt sich leider auch bei Wohnungssuchenden mit Behinderungen fort, den besonderen Bedarf einer Wohnung für Rollstuhlfahrer z.B., ebenerdig, mit Türen und Räumen die groß genug dimensioniert sind um sich im Rollstuhl gut bewegen zu können, dazu ein Bad das barrierefrei gestaltet ist findet man eher im Bereich von Neubauten. Auch das ist für viele unbezahlbar. Die Heidelberger Bahnstadt ist Ausdruck dieser Problematik, hier wurde am Bedarf vieler vorbei gebaut. Investoren tun ihr Übriges dazu.
„Je mehr Wohnungsnot, desto mehr unseriöse Angebote“
Auch unseriöse Machenschaften von Vermietern Frauen gegenüber sind keine Seltenheit, finden in der öffentlichen Wahrnehmung aber nur selten Platz, nur wenige Fälle sind bekannt. Da werden unverhohlen sexuelle „Dienste“ für die Vergabe einer Wohnung gefordert oder für ebensolche ein Mietrabatt gewährt. Der Ideenreichtum mancher Vermieter ist da seltsam groß. Das alles findet wohl wissend um die Not eine Wohnung günstig, zeitnah oder überhaupt zu findet, statt. Eine „Machtposition“ in der Marktlage wird da versucht ohne Hemmungen auszunutzen, das ist unangenehm, übergriffig und verwerflich.
Alleinerziehende klar im Nachteil
Prekär stellt sich oft die Lage von Alleinerziehenden dar, 91 % aller Alleinerziehenden sind Frauen, 80 % von ihnen wohnen zur Miete, nur etwa die Hälfte der Alleinerziehenden kann ihren Lebensunterhalt mit eigenem Einkommen bestreiten ohne auf Sozialleistungen angewiesen zu sein. Alleinerziehende Mütter sind doppelt so häufig von Armut betroffen als der Rest der Bevölkerung und das Armutsrisiko steigt mit der Anzahl der Kinder, staatliche Leistungen wie Elterngeld, Wohngeld und Unterhaltsvorschuss unterstützen zwar, bieten aber kaum Aussicht auf die Gestaltung eines komfortablen Lebens, geschweige denn die Aussicht auf bezahlbaren Wohnraum in einer Stadt wie Heidelberg. Schließlich können auch Sorgerechtsfragen einer alleinerziehenden Mutter bei einem Wohnungswechsel in ein erschwingliches Preisniveau Steine in den Weg legen. Es besteht dringender Verbesserungsbedarf an der Gesetzeslage.
Auch Umweltaspekte wurden angesprochen, es gäbe weitaus weniger Pendlerverkehr auf den Straßen wenn ein Wohnen in der Stadt erschwinglicher wäre. Der öffentliche Personennahverkehr muss attraktiver und erschwinglicher werden.
Das alles zeichnet ein detailliertes Bild der Lage und rechtfertigt die Forderungen des Bündnisses an dem sich der SDS, Linksjugend, Mieterverein, Collegium Academicum und andere beteiligen. Die Politik muss ein Bewusstsein entwickeln wie vielfältig Notlagen auf dem Wohnungsmarkt sind, Benachteiligungen für Menschen mit Behinderungen oder ausländischen Namen müssen bekämpft werden. Anbindungen von umliegenden Gemeinden an Heidelberg müssen besser werden. Langfristig kostenfreier ÖPNV, die Mietpauschale im Bafög muss gerecht angepasst werden, das Antragsverfahren muss unkomplizierter werden.
Für Studierende müssen Wohnheimplätze geschaffen werden, auch durch den Ankauf von Gebäuden durch die Studierendenwerke, Bund und Länder müssen das fördern. Es muss mehr als nur die von der Stadt Heidelberg veranschlagte Hälfte der Patrick Henry Village für Wohnraum zur Verfügung gestellt werden. Die Privatisierung von Wohnungsbau soll reduziert werden, der Staat muss mehr Verantwortung übernehmen, auch um den Mietspiegel zu drücken. Hierzu ist eine funktionierende Mietpreisbremse nötig, die Marktbeherrschende Stellung von Mietriesen wie Vonovia muss gebremst werden.
Im Hinblick auf anstehende Kommunalwahlen gibt es für die Stadtpolitik in Heidelberg einiges zu tun, wenn OB Würzner mehr tun möchte als rote Bänder in (zu) teuren Neustadtteilen zu durchschneiden – hier findet er hoffentlich ausreichend Inspiration.
(Text & Bilder: Daniel Kubirski)