Kandel: Starker Protest gegen erneuten Aufzug des rechten Frauenbündnis / Zahlreiche Verletzte bei Polizeieinsatz [mit Video und Fotogalerie]

Gegenproteste in der Überzahl. Das rechte “Frauenbündnis” konnte nach Angaben eines Mitarbeiters der Ordnungsbehörde Germersheim etwa 150 Menschen mobilisieren. Die Bündnisse “Kandel gegen Rechts”, “Wir sind Kandel” und weitere Gruppierungen zeigten dem “Frauenbündnis” laut und deutlich, dass dieses auch 2019 in Kandel nicht willkommen ist. Das Demonstrationsgeschehen wurde von mehreren Hundertschaften der Polizei und einem Polizeihubschrauber begleitet. Bei einem Polizeieinsatz wurden zahlreiche, zum Teil minderjährige, AntifaschistInnen durch Schlagstock- und Pfeffersprayeinsatz verletzt.

 

„Dem Spuk ein Ende bereiten – Partei ergreifen“

Als Überraschungsgast sprach der ehemalige Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz Kurt Beck (SPD) bei den Auftaktkundgebungen der Bündnisse „Kandel gegen Rechts“ und „Wir sind Kandel“. Engagierte pro-demokratische und kritische Ansprachen wurden auch von Jutta Paulus (Landesvorsitzende Bündnis 90/Die Grünen RLP) und RednerInnen von Aufstehen gegen Rassismus Südpfalz e.V. (Landau), vom Bürgerbündnis Wörth und vom OAT Landau gehalten. Die Initiative „Omas gegen Rechts Kandel“ organisierte eine weitere Kundgebung in relativer Sichtweite zur Marschroute des Frauenbündnis, auf Höhe des SBK-Parkplatz. Verschiedene antifaschistische Gruppen aus der Rhein-Neckar-Region verstärkten den Protest vor Ort. Deutlich wurde, dass es für die BürgerInnen in Kandel höchste Zeit ist den monatlichen rechten Aufzügen durch ihre Präsenz auf der Straße eine noch klarere Absage zu erteilen. Erfreulich zu beobachten war es, dass Anwohner in diversen Straßen entlang der Marschroute des Frauenbündnis, welches seit Dezember 2018 als Verein eingetragen ist, ihre Ablehnung durch Transparente und das Aufstellen von Sperrholzfiguren zum Ausdruck brachten. Aus einem Haus erklang deutlich vernehmbar das Lied „Antifaschist“ der Band Irie Révoltés.

Alter Wein in noch älteren Schläuchen

Das rechte Frauenbündnis mit ihrem demagogisch agierenden Anführer Marco Kurz verharrte in altbekannten Verhaltensmustern. Nur etwa 150 Menschen, erneut mehrheitlich Männer fortgeschrittenen Alters, den PEGIDA-. Reichsbürger- und Verschwörungstheoretiker-Szenen zuzuordnen, konnte diese Gruppe animieren. NPD-Plakate (ohne die Nazi-Partei zu nennen) wurden mitgeführt. Was das erneute Zeigen der Flagge des Saarlands (1947-1956) bezwecken sollte, erschloss sich dem Beobachter nicht. Skandiert wurden wieder abgedroschene Parolen wie  „Merkel muss weg“, „Poß, Thielebörger und Dreyer müssen weg“, „Festung Europa – macht die Grenzen dicht“, „Widerstand“. In einer Redepassage wurde der Treff Max und Moritz in Kandel als „Ort der Verkupplung“ bezeichnet. Kurz und seinen Patrioten scheint daran gelegen zu sein, ganz in Manier der bereits gescheiterten „Marsch 2017“-Idiologie, die Gelbwestenbewegung aus Frankreich nach Kandel importieren und dort manifestieren zu wollen. Das Frauenbündnis ist seit Mitte Dezember 2018 ein eingetragener Verein. Dem Vernehmen nach steht in der Vereinssatzung etwas von „Umweltschutz, sozialen Themen und Brauchtumspflege“. Die beiden Vorsitzenden des Vereins leben in Kandel. Wenn man den Reden, die bei Aufzügen dieses „Vereins“ gehalten werden aufmerksam zuhört, wird dort mehrheitlich der Widerstand gegen die verfassungsgemäß gewählten Parlaments- und RegierungsvertreterInnen, gegen lokale Bürgermeister, gegen die Migrationspolitik proklamiert. Wenn eine Rednerin des sogenannten „Frauenbündnis“ mit fast schon weinerlicher Stimme über ihre vermeintlichen Ängste vor „Araber-Clans“ und „gewalttätigen männlichen Ausländern“ spricht und im gleichen Atemzug aber nicht als Nazi bezeichnet werden möchte, dann sollte auch der/die Letzte hellhörig werden.

Rund ein Dutzend Verletzte forderte ein Polizeieinsatz – Fragwürdige Taktik der polizeilichen Einsatzkräfte

In einer Pressemitteilung der Polizei ist zu lesen (Zitat): „Im Bereich der Robert-Koch-Straße / Humboldtstraße versuchte eine Gruppe von etwa 20 Personen eine Polizeiabsperrung zu durchbrechen. Um das zu verhindern, mussten die Polizeikräfte Schlagstock und Pfefferspray einsetzen. Verletzte sind der Polizei nicht bekannt.“

Anwohner und vom Polizeieinsatz direkt betroffene Personen schildern den Hergang vollkommen anders. Im Nachgang zu den Geschehnissen von uns befragte Anwohner sagen, dass sich die Polizeikräfte in einer Nebenstraße befanden und es keine Polizeiabsperrung in diesem Bereich gab. Erst als die Gruppe der zum Teil minderjährigen AntifaschistInnen sich dem Bereich in schneller Schrittweise genähert hatte (die Gruppe war dem Weg vom SBK-Kundgebungsort zurück zum Bahnhof) seinen in loser Formierung Polizeibeamte aufgezogen und hätten den Straßenbereich dicht gemacht. Nachdem diese Gruppe sofort nach dem Aufeinandertreffen mit den Polizeikräften einen Stopp auf ihrem Weg eingelegte, wurden von Polizeikräften unvermittelt Gebrauch von Schlagstöcken gemacht und massiv Pfefferspray gegen diese Personengruppe eingesetzt worden. Dies wird uns in dieser Form auch von direkt betroffenen Personen aus der Gruppe berichtet. Eine weitere Anwohnerin berichtete uns auf Nachfrage, dass sie selbst zunächst irrtümlich davon ausging, dass es sich bei der Personengruppe um „Leute aus dem rechten Lager“ handeln würde und sie die Verletzten von ihrem Privatgrundstück (Garageneinfahrt) vertreiben wollte. Ihr Ehemann habe den Irrtum rasch aufgeklärt und das Paar habe nach eigenen Angaben den hauptsächlich durch den Pfeffersprayeinsatz Verletzten spontan mit Wasser geholfen. Ein Demosanitäter war im Einsatz, um die Verletzten zu versorgen.

Video: Antifa-Protest und Pfefferspray-Attacke der Polizei


Direktlink zu Youtube: https://youtu.be/bEysjZ1SFCY

Weitere von uns befragte AnwohnerInnen sagen, dass sie den Vorfall nicht mitbekommen hätten oder zur Sache der Presse gegen über keine Angaben machen wollen.

Eine schriftliche Anfrage beim Polizeipräsidium Rheinpfalz bleibt bis zur Veröffentlichung dieses Berichts unbeantwortet.

Durch Foto- und Videoaufnahmen ist belegt, dass Polizeikräfte massiv und weiterhin mutmaßlich unbegründet gegen eine Personengruppe vorging und es dabei zahlreiche Verletzte gab. Zudem haben Polizeikräfte diesen Bereich „gefilmt“ und haben mitbekommen müssen, dass es Verletzte gab. Aus welchen Gründen dies in der Pressemitteilung anders dargestellt wird ist mehr als fragwürdig.

Eine Sitzblockade als Zeichen des zivilen Protests gegen den Aufzug des rechten Spektrums wurde von der Polizei geräumt. Die Demonstrierenden wurden erkennungsdienstlich behandelt und erhielten für den restlichen Tag ein Aufenthaltsverbot in Kandel. Diesem wären die Betroffenen gerne unmittelbar nachgekommen. Problem: Polizeikräfte scheinen nicht untereinander zu sprechen. Erst nach größerem Gesprächsbedarf mit am Bahnhof positionierten Polizeikräften konnten die Leute den Bahnsteig erreichen und dem Verbot folge leisten.

Äusserts fragwürdig erscheint uns, weshalb während einer taktischen polizeilichen Einsatzbesprechung am Kandler Kreisel Nähe SBK, festgelegt wurde, dass (sinngemäss) „man die oben nicht mehr rauslassen wolle…; (Absperrgitter in Doppelreihe aufgestellt) …sie da sollen schön oben rumlaufen“…Wurde durch diese Absprache bereits die Eskalation im Bereich „Robert-Koch-Straße / Humboldtstraße“ bewusst gesucht oder sollte damit nur allgemein verhindert werden, dass Gegendemonstranten schnell und unbehindert ihre Wege zurück zur Gartenstraße am Bahnhof finden?

 

(Bericht: c.r. / Fotos/Video: M.D., Aufstehen gegen Rassismus Südpfalz e.V., d.k. und c.r.)

 

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