1. Mai Mannheim: Polizeieinsatz beim Gewerkschaftsfest – viel Rauch um nichts
Es hätte ein völlig friedlicher 1. Mai bei bestem Wetter werden können. Zu Beginn der traditionellen Kundgebung des DGB auf dem Marktplatz sorgte aber ein rabiater Polizeieinsatz für Unruhe. Was war geschehen?
Festnahmen nach Pyrotechnik
Polizeieinsatzleiter Jörg Lewitzki, Leiter des Polizeireviers Innenstadt, schilderte die Situation gegenüber dem KIM folgendermaßen. Im Verlauf der friedlichen Gewerkschaftsdemo seien zwei Rauchtöpfe gezündet worden. Die Polizei ermittle daher wegen Verdacht des „Verstoßes gegen das Sprengstoffgesetz“. Man habe eine Person, die einen Rauchtopf hochgehalten habe, identifizieren können und nach Beendigung der Demonstration am Marktplatz habe die Polizei diese Person dann festnehmen wollen. Da sich die Person jedoch entfernte, sei die Polizei hinterher. Ein Mann habe sich in den Weg gestellt und die Beamten angegriffen. Dieser habe einen Polizisten geschubst und versucht, mit einem Schild zu schlagen. Daraufhin sei er vorläufig festgenommen worden und werde nach Feststellung der Personalien wieder frei gelassen. Ermittelt werde gegen ihn wegen Widerstand und versuchtem tätlichem Angriff auf Polizeibeamte. Ein mutmaßlicher Rauchtopf-Halter und eine Frau, die Polizisten beleidigt haben soll, seien ebenfalls zur Personalienfeststellung mitgenommen worden. Lewitzki betonte, dies sei sein aktueller Informationsstand kurz nach dem Ereignis, der auf den Aussagen seiner Kollegen beruhe. Er sei selbst nicht zugegen gewesen.
Die Version des Veranstalters
Nach dem Vorfall traten die Sekretäre der Gewerkschaften geschlossen auf die Bühne. Jürgen Lippl, stellvertretender Geschäftsführer von ver.di Rhein-Neckar ergriff das Wort. Der Polizeieinsatz mache es leider erforderlich, eine gemeinsame Stellungnahme von der Bühne abzugeben. Zunächst sei es wohl richtig, dass auf der Demonstration Rauchtöpfe gezündet wurden. Das sei wohl nicht erlaubt, aber es kam dabei zu keinen Störungen und niemand kam zu schaden. Für solche Fälle habe man Ordner. Die Polizei könne sich jederzeit an sie wenden und mit solchen Regelverstößen kann der Veranstalter umgehen.
Dann aber mit einem Polizeieinsatz später auf auf dem Fest dermaßen zu eskalieren, da sei das Maß der Verhältnismäßigkeit bei weitem überschritten worden. Gewerkschaftssekretäre, die versucht hätten, zu klären und zu deeskalieren seien heftig angegangen worden. Der 1. Mai sei der Tag der Gewerkschaften und nicht dazu da, Gewerkschafter zu schnurriegeln. Der Vorfall müsse im Nachgang mit den Verantwortlichen aufgearbeitet werden.
KIM konnte später mit dem Festgenommen sprechen. Er sei ein Mitveranstalter der Gewerkschaftskundgebung und damit auch für Probleme aller Art verantwortlich. Er habe die Situation klären und Deeskalieren wollen, daher sei er den Polizisten entgegen gegangen und wollte mit ihnen sprechen. Dann seien mehrere Polizisten auf ihn gesprungen, hätten ihn zu Boden gerungen, fixiert und Handschellen angelegt. Es gehe ihm soweit wieder gut und er sei froh, dass so viele umstehende den Vorfall beobachtet hätten.
Deeskalation, Rauchtöpfe und Hitlergrüße
Dass sich die zwei Versionen von Polizei und Veranstalter nicht decken ist nicht unüblich. In diesem Fall hat auch ein Mitarbeiter des KIM den Vorfall gesehen und kann bestätigen, dass der Festgenommene nicht gerade durch aggressives Auftreten aufgefallen ist. Im Gegenteil ging er mit erhobenen Hände auf die Polizisten zu, versuchte die Situation zu beruhigen und gab sich als Veranstalter zu erkennen. Ein schubsen oder gar ein versuchter tätlicher Angriff mit einem Schild wurde nicht beobachtet. Eine bis dahin friedliche Veranstaltung wurde auf einmal von Gewalt überschattet.
Nun geriet die Mannheimer Polizei erst vor wenigen Tagen in die Kritik, da sie bei einem Hitlergruß, der bei einer Kundgebung der „Jungen Alternative“ gegen eine Veranstaltung der Grünen gezeigt wurde, nicht eingeschritten sei. Ein Beamter stand direkt daneben, doch laut Polizeisprecher habe man den Vorfall nicht gesehen. Auch als Anzeige von den Grünen erstattet wurde, sei die rechte Kundgebung nicht aufgelöst worden.
Die Rauchtöpfe auf der Gewerkschaftsdemo registrierte die Polizei jedoch genau. Sie hatten dafür eigens Kamerateam, Ermittlungs- und Festnahmegruppen abgestellt, die auch später alles filmten und noch vor Ort akribisch nach Handlungen suchten, die eine Beleidigung gegen Polizeibeamte darstellen könnten. So kam es dann auch zur Festnahme der dritten Person wegen Beleidugung.
Der Vorwurf, dass immer mehr Polizeibeamte ihre rechtsextreme Gesinnung offen im Dienst ausleben (wie beispielsweise in Frankfurt/Main) und die Polizeiarbeit dahingehen beeinflussen können, wird durch solche Vorfälle nicht gerade entkräftet. Die politischen Präferenzen der Polizeibeamten und Einsatzgruppen prägen ganz offensichtlich die Art und Weise, wo hart eingeschritten und bei welchen Vorfällen das eine oder andere Auge zugedrückt wird. Anders lässt sich der Umgang mit Rauchtöpfen und Hitlergrüßen schwer erklären. Es ist nun an der Zeit, dass sich diejenigen durchsetzen, die den rechten Stimmungsmachern in der Polizei nicht tatenlos zusehen wollen. Die Aufklärung der beiden Vorfälle der letzten Tage wäre eine Gelegenheit für den neuen Polizeipräsidenten Andreas Stenger sich hier zu positionieren. Er hatte am 1. Mai seinen ersten Arbeitstag.
(cki)
Siehe auch:
Mannheim: Erfolgreiche 1. Mai Feier der Gewerkschaften [mit Bildergalerie]