Afghanistan-Desaster: Wer war und ist da verantwortungslos? Die Friedensbewegung und DIE LINKE oder die Kriegsbefürworter?
Nach dem krachenden Ende des 20-jährigen Afghanistan-Abenteuers der USA und der NATO-Staaten, dem chaotischen Abzug unter Hinterlassung tausender Menschen, die als im wörtlichen Sinn Kollaborateure dieser Militärmächte berechtigte Angst vor den Taliban haben, spielt sich im Bundestagswahlkampf Groteskes ab: Wer als seriös gelten möchte bzw. sich sogar eine Regierungsbeteiligung vorstellen kann, solle als Allerwichtigstes ein „Bekenntnis zur NATO“ ablegen und somit die Kritik von Auslandseinsätzen und Waffenexporten unterlassen und das 2%-Ziel der Militärausgaben unterstützen.
Es ist festzuhalten:
- Der Kriegszustand in Afghanistan begann mit dem Einmarsch der UdSSR am 24.12.1979 zur Stützung der Regierung der Demokratischen Volkspartei Afghanistans (s.u.). Die UdSSR fürchtete ein Machtvakuum und die Hinwendung der afghanischen Regierung zu den USA. 1989 zog die Rote Armee ab, von den Mudschaheddin in einen aussichtslosen Guerillakrieg verwickelt, ohne das Land je unter Kontrolle bekommen zu haben.
- 2001 wurde der Afghanistankrieg als „Krieg gegen den Terror“ seitens der USA gegen ein Land gerichtet, das mit den Terroranschlägen vom 11. September ursächlich nichts zu tun hatte. Keiner der 19 Terroristen war Afghane, aber 15 waren Saudis. Die USA machten den Artikel 5 des Nordatlantikvertrages geltend, der den kollektiven Verteidigungsfall bei einem bewaffneten Angriff auf ein Mitgliedsland konstatiert. Die Suche nach Terroristen ist jedoch kein Thema für Kriegführung, sondern für Polizei und Geheimdienste. Tatsächlich wurde Osama Bin Laden nach 10 Jahren Krieg gegen Afghanistan von einer kleinen Spezialeinheit der UA-Army im Nachbarland Pakistan in seiner Wohnung in Nähe der größten Militärakademie des Landes getötet. Wenn schon, dann wäre das Königreich Saudi-Arabien der richtige Adressat gewesen, ein „Partnerland“ der USA.
- Der Krieg gegen den Terror war die Legende zu einem geostrategisch motivierten Krieg, bei dem es um die Zugriffsmöglichkeiten auf Rohstoffe ging. Es ging um zwei Pipelines: Die eine sollte gebaut werden, die andere nicht. Die eine sollte von Turkmenistan durch Afghanistan nach Pakistan und Indien verlaufen. Der US-Konzern Unocal hatte dies bereits 1998 über seinen Mittelsmann Hamid Karzai (späterer Präsident von Afghanistan) mit den seit 1996 herrschenden Taliban ausgehandelt. Diese schwenkten aber 2001 plötzlich um zu dem argentinischen Konzern Bridas. Ferner galt es für die USA, eine von Iran geplante Pipeline durch Afghanistan nach Pakistan und Indien zu unterbinden. Afghanistan ist darüber hinaus selbst reich u.a. an Öl und Gas sowie strategisch wichtigen Rohstoffen wie Lithium, Kupfer und Seltenen Erden.
Schon 1985 schaltete sich die Bundesrepublik verdeckt in Afghanistan ein: Der Bundesnachrichtendienst kooperierte ab jenem Jahr ebenfalls mit den von den USA gestützten Mudschaheddin, im Rahmen der „Operation Sommerregen“. Diese „dient der Unterstützung der Aufständischen in Afghanistan (…) dies geschieht durch die Lieferung von Gerät und Material“ zitiert der WDR am 23.08.21 aus BND-Unterlagen. - Je länger der Afghanistankrieg dauerte, umso klarer war allen, die sich den Tatsachen nicht verschlossen, dass dieser asymmetrische Krieg nicht zu gewinnen
So warnte 2007 der damalige militärpolitische Berater der Bundesregierung in Kabul, Oberstleutnant Jürgen Heiducoff, den damaligen Außenminister Steinmeier: „Wir sind dabei, durch diese unverhältnismäßige militärische Gewalt das Vertrauen der Afghanen zu verlieren. (…) Ich stelle dabei fest, dass die militärische Lage unzulässig geschönt dargestellt wird. Auch deutsche Generale verschweigen einige Probleme (…) Das Militär droht sich zu verselbständigen und von den politischen und völkerrechtlichen Vorgaben zu lösen…“ Heiducoff wurde 2008 nach Deutschland versetzt. (WDR-Monitor 31.5.2007: „Brandbrief aus Kabul“, zit. bei Clemens Ronnefeld, Friedensforum 5/2021).
2009 erklärte Peter Scholl-Latour auf einer Vorlesung an der Uni Düsseldorf-Essen zum Thema „Siegen in Afghanistan?“ (https://www.youtube.com/watch?v=LRWi6jn7yuQ) haargenau, dass dies nicht möglich sein werde und warum. Er nannte diverse militärische Argumente, aber auch solche, die in der afghanischen Gesellschaft begründet liegen.
Man muss keineswegs Scholl-Latours politische Orientierung billigen und auch nicht seine mehr journalistische denn wissenschaftliche Arbeitsweise gutheißen. Er hatte aber den eindeutigen Vorteil, über militärisches Wissen zu verfügen, häufig vor Ort gewesen zu sein und mit den wichtigsten Akteuren persönlich gesprochen zu haben. Er stellte damals u.a. fest, dass in Afghanistan militärische Interventionen zunächst einen Durchmarsch binnen 3 Tagen machen: Die Rote Armee 1979, die Taliban 1996, die USA 2001.
Sein Vortrag hört sich heute gespenstisch an, da sich eigentlich alles so entwickelte, wie er es 2009 analysiert hatte. - Primat der Politik und der Diplomatie gegenüber militärischen „Lösungsansätzen“ sind wohl das Mindeste, was man von einer dem Frieden und der Deeskalation der zahlreichen Konflikte in der Welt dienenden Politik erwarten darf; eben „verantwortungsvolle Politik“ seitens Aller, die sich für regierungsfähig halten.
Dass auf den Mega-Terroranschlag vom 11.9.2001 sofort militärisch reagiert wurde und man auch gleich den Schuldigen kannte (Osama bin Laden), weil man ihn schon vorher als vermeintlichen Freund kannte, und dass die NATO-Staaten sofort die bedingungslose Unterstützung im ausgerufenen „Krieg gegen den Terror“ schworen, war eine Verletzung des Primats der Politik. Spätestens nach der Tötung bin Ladens 2011 war der angebliche Grund für diesen Krieg hinfällig.
Dass sich der Westen – wenn es gar nicht mehr anders geht, der Diplomatie als „ultima ratio“ dann doch bedient, kann man seit dem Fall Kabuls beobachten. Außenminister Maas reist hektisch in die Türkei, nach Usbekistan, Tadschikistan, Pakistan und Katar – das sind genau solche Adressen, die spätestens 2001 hätten angesteuert werden müssen, plus Saudi Arabien, Moskau, Peking und Delhi. Inzwischen kommen durch diplomatische Bemühungen unter dem Dach der UNO erste zivile Versorgungs- und Rückholungsflüge zustande. Und man ist auf einmal der Meinung, man müsse auch mit den Taliban sprechen – ohne sie damit als legitime Regierung anzuerkennen. - Unter dem Motto: Wir können nicht überall sein, um unsere Interessen selbst durchzusetzen, bedienen sich die USA immer wieder der Feinde ihrer Feinde. Um dann festzustellen, dass diese „Helfer“ ihrerseits eigene Interessen verfolgen, die denen der USA und der NATO zuwiderlaufen.
Das war so im ersten Golfkrieg, in dem u.a. die USA den Irak Saddam Husseins ab 1980 bei seinem Angriffskrieg gegen den Iran unterstützten.
Das war so bei Osama bin Laden, dessen Mudschaheddin im Bosnienkrieg u.a. von den USA ab 1993 gegen die Serben unterstütztet wurden. Er bekam sogar Staatsbürgerschaft und Pass von Bosnien und Herzegowina.
Natürlich wurden die Mudschaheddin, eine international zusammgewürfelte Truppe von islamistischen Kämpfern, bei ihrem Kampf gegen die Rote Armee von 1979 bis 1989 von den USA finanziell und mit Waffen unterstützt. Nicht weniger dann die Taliban, die als kämpfende Truppe erst vom pakistanischen Geheimdienst ISI und der CIA ab 1994 formiert, ideologisch aufgeladen und mit Waffen versorgt wurden, bis die Unterstützung und Instrumentalisierung durch die USA schließlich in Feindschaft zu den USA umschlug – nicht jedoch zu Pakistan.
Der Blick des Westens auf Afghanistan hat koloniale Züge
In den heutigen Erzählungen über Afghanistan beginnt die Geschichte erst 2001 mit 9/11 und der Reaktion der USA. Die Regierung ist zu diesem Zeitpunkt von den terroraffinen Taliban getragen, also von grausamen und rückständigen bärtigen Islamisten. Die Frauen sind jeglicher Rechte beraubt.
Diese Erzählungen unterschlagen die bis dahin gewesene gesellschaftliche Entwicklung dieses Landes und führen geradewegs zu dem Mantra: Der Westen ist berufen und verpflichtet, Afghanistan einer lichten, aufgeklärten und emanzipierten Zukunft mit einer Demokratie westlicher Prägung zuzuführen. Dieses Mantra gleicht – wenn man das Versprechen der westlichen Demokratie weglässt – der Begründung der Kolonialmächte im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert, warum sie berechtigt, ja verpflichtet seien, den „dunklen“ afrikanischen Kontinent mit ihrer Anwesenheit zu beglücken, und den althergebrachten Aberglauben der „Wilden“ durch ein arbeitsames Christentum zu ersetzen. Der Raub der Bodenschätze und der Früchte der Plantagen, die Versklavung der Arbeitskräfte wurden als gerechte Entlohnung des zivilisatorischen Einsatzes gewertet.
Mit ähnlichem Pathos wurde der Afghanistankrieg – selbst nach der Tötung Osama bin Ladens – von der großen Mehrheit des Bundestages als moralisches Muss und als Beitrag zur Solidarität innerhalb des NATO-Bündnisses begründet – bis zuletzt, als der Bundestag die absehbar notwendige aber vollkommen vernachlässigte Heimholung des militärischen und zivilen Personals dadurch zu retten versuchte, dass er die Bundeswehr in Afghanistan erstmals seit 2014 wieder mit einem robusten Kampf-Mandat versah, rückwirkend und für zwei weitere Tage. Es war die Absegnung eines unverantwortlichen Versagens der Bundesregierung. Im Juni noch hatte der Bundestag Evakuierungsforderungen der Grünen und der LINKEN mehrheitlich abgelehnt.
Afghanistan hatte 2001 bereits eine eigenständige aber schwierige gesellschaftliche Entwicklung hinter sich
In einem Interview des Mannheimer Morgen vom 31.8. äußerte Bundestagspräsident Schäuble: „So schrecklich das Ende war, der Einsatz war es nicht. (…) wir haben die Saat der Freiheit gesät, und man wird sehen, was daraus wird, ob daraus eine Pflanze wächst.“
Welch eine Anmaßung! Die Saat der Freiheit wurde von diesem Volk selbst gesät. Fast 60 Jahre erlebte Afghanistan eine Zeit stürmischer Entwicklung bis Ende der 70er Jahre. 1963 wird das aktive und passive Wahlrecht der Frauen eingeführt. Die Universität Kabul entwickelt sich zu einer der angesehensten Universitäten Asiens. Als in Paris, Berlin, New York die Student:innenbewegung auf den Plan tritt, ist auch Kabul voller Erneuerungsbegeisterung. Afghanistan wird Ziel des Hippy-Tourismus, wie sich die Älteren sicherlich noch erinnern. Das alles unter einer liberalen konstitutionellen Monarchie.
Allerdings hält die Entwicklung auf dem Land nicht Schritt. 80% der Bevölkerung leben dort in mehreren Ethnien. Als es zu einer Hungersnot kommt, stürzt 1973 Daoud Khan, Mitglied der königlichen Familie und Ministerpräsident, mit Unterstützung der Demokratischen Volkspartei Afghanistans König Sahir Shah. Afghanistan ist jetzt eine parlamentarische Republik und schließt sich der Blockfreien-Bewegung an. Die wirtschaftliche Entwicklung in den großen Städten verläuft positiv.
Anhängerinnen der Demokratischen Volkspartei 1978 in Kabul. (Screenshot aus der sehr sehenswerten vierteiligen arte-Serie „Afghanistan – das verwundete Land“ https://www.arte.tv/de/videos/081554-001-A/afghanistan-das-verwundete-land/)
1978 putscht die linke Demokratische Volkspartei mit Hilfe des Militärs; Daoud wird erschossen. Nun werden verstärkt Alphabetisierungskampagnen auf dem Land und eine Landreform verordnet. Die Partei bekämpft die Armut auf dem Land jedoch weniger entschieden als die in Afghanistan tief verwurzelte muslimische Religiosität. Die Partei beachtet nicht, dass viele Geistliche auch Großgrundbesitzer sind. Die Sozialreformen stoßen auf den Widerstand dieser einflussreichen religiösen Würdenträger. Es kommt zu zahlreichen und zunehmenden lokalen Aufständen mit Unterstützung der niederen Geistlichkeit. Die neue Regierung entfaltet jenseits aller Rechtsstaatlichkeit einen strengen bis terroristischen sekularen und antiklerikalen Kurs.
Massive Konflikte innerhalb der DVPA bis hin zur Spaltung sind Folge dieser Krise. Beide Seiten wenden sich an die KPdSU, deren Politbüro zunächst ein Eingreifen ablehnt. Ein abermaliger Putsch, bei dem der amtierende Ministerpräsident im September 1979 von seinem Kontrahenten ermordet wird, veranlasst die Regierung der UdSSR am 26.12.79 zum Einmarsch in Afghanistan, was der neue afghanische Präsident Hafizullah Amin seinerseits nicht überlebt. Die Interventionsstreitkräfte befreien als erstes 10.000 politische Gefangene.
Die nachfolgenden Präsidenten der Demokratischen Republik Afghanistan kommen weiterhin aus der Demokratischen Volkspartei, deren letzter, Mohammed Nadschibullah, kann sich auch nach dem Abzug der UdSSR 1989 bis 1992 halten.
Der amerikanische Geheimdienst CIA unter Mitwirkung des pakistanischen Geheimdienstes ISI fördert die systematische Schulung und Ausrüstung der oppositionellen Mudschaheddin in ihrem Kampf gegen die UdSSR und die „kommunistische“ Regierung in Kabul. So entwickelt sich Ende 70er Jahre, spätestens nach Einmarsch der UdSSR-Streitkräfte, ein waschechter Stellvertreterkrieg als heiße Zone innerhalb des Kalten Krieges. Die Mudschaheddin sind regional operierende Guerillas unterschiedlicher Ethnien, die sich teilweise auch untereinander bürgerkriegsartig bekämpften. Die Sowjetarmee operiert hauptsächlich aus der Luft und erlebt schließlich ihr eigenes Vietnam.
Nach deren Abzug 1989 gibt es durchaus konstruktive Bemühungen zur nationalen Versöhnung seitens Nadschibulla und dem tadschikischen Mudschaheddin-Führer Ahmad Schah Massoud. Die weitere Zeit bis zum Einmarsch der USA 2001 ist jedoch durch den Bürgerkrieg geprägt. Die Geheimdienste der USA und Pakistans installieren nun die Taliban. Es handelt sich um überwiegend paschtunische Koranschüler, die z.T. traumatisiert in pakistanischen Flüchtlingslagern leben. Sie werden religiös aufgehetzt und an Waffen ausgebildet. Die Mudschaheddin erweisen sich mehrheitlich als erbitterte Gegner der Taliban.
Achmad Schah Massoud tritt im Frühjahr 2001 vor dem Europaparlament auf und legt sein politisches Programm dar: Moderater islamischer Staat, Frauenwahlrecht, Durchführung einer Loja Dschirga. Im Sommer warnt er die USA vor einem massiven Anschlag der Al Kaida in den USA. Am 9.9.2001 wird er von zwei Al Kaida-Selbstmordattentätern umgebracht.
Am 11.9.2001 verübt Al Kaida die Terroranschläge in den USA von nie gekannter Größe und Brutalität. Al Kaida ist ursprünglich eine saudische Kreation, die ohne den Zerfall Iraks und Libyens im Rahmen der Ölkriege und Kriege um die „Neuordnung der Welt“ nicht denkbar gewesen wären.
Über die Frage der Auslieferung oder nicht-Auslieferung bin Ladens nach dem 11.9. durch die Taliban, die kein besonderes Verhältnis zu ihm hatten und in dessen Umfeld kein einziger Afghane aktiv war, überziehen die USA und die NATO-Staaten ab Oktober 2001 Afghanistan mit einem erneuten Luftkrieg. Als Fußtruppen nutzen sie die Mudschaheddin der Vereinten Front aus dem Norden Afghanistans. Die seit 1996 bestehende Talibanregierung löst sich rasch auf und verschwindet aus Kabul in den paschtunischen Teil Pakistans.
Während des folgenden 20-jährigen Krieges, der über große Strecken auch ein Bürgerkrieg ist, wird mühsam ein politischer Prozess aufgelegt, eine Regierung zu bilden und Parlamentswahlen durchzuführen. Hamid Karzai wird erster Präsident der „Islamischen Republik Afghanistan.“ Mehrere Milliarden Dollar werden auf internationalen Afghanistankonferenzen an Aufbauhilfe zugesagt. Der afghanische Regierungsapparat erweist sich jedoch als äußerst korrupt. Der von den Taliban unterdrückte Opiumanbau wird wichtigster Wirtschaftszweig des Landes (95% der Weltproduktion).
Letztlich hat Afghanistan nun 42 Jahre Krieg, Bürgerkrieg und Terroranschläge hinter sich. Lt. NZZ vom 19.8.21 hat der Krieg ca. 240.000 Menschenleben gekostet, die Hälfte davon Taliban, die Opfer der ersten 22 Jahre Krieg ab 1979 nicht mitgezählt. Millionen Menschen aus Afghanistan sind geflohen, in die Nachbarländer und weltweit. Die Kosten des US-Militäreinsatzes werden auf 2 Billionen US-Dollar geschätzt.
Selbstbestimmung war in den letzten 42 Jahren nicht möglich. Davor gab es eine Art Revolution. Jetzt gibt es eine Herrschaft, die ohne die Machenschaften der Geheimdienste der USA und Pakistans sowie des Einwirkens Saudi-Arabiens so niemals möglich gewesen wäre, und die jetzt über ein riesiges erbeutetes NATO-Waffenarsenal als letzten Gruß einer merkwürdigen „Wertegemeinschaft“ verfügt.
„Hinterher ist man immer schlauer“? – Nein, es geht um Grundsätzliches
Die Friedensbewegung hat schon 2001 z.B. auf dem Kasseler Friedensratschlag festgestellt:
„Außer zur Selbstverteidigung ist Krieg selbst Terror und schon deshalb kein geeignetes Mittel zur Terrorbekämpfung. (…) Der weltweit auftretende Terrorismus muss im Rahmen einer international anerkannten Rechtsgrundlage unter Verantwortung der Vereinten Nationen bekämpft werden. (…) Ein Recht auf Rache gibt es international ebenso wenig wie im nationalen Bereich ein Recht auf Selbstjustiz. Mehr Schutz gegen den Terrorismus erwächst vor allem aus sozialer Gerechtigkeit und Solidarität. Die verheerenden Folgen einer neoliberalen Globalisierung, die ausschließlich die reichen Industrieländer begünstigt, müssen beseitigt werden, gerechte Handelsbeziehungen und mehr Entwicklungshilfe sind notwendig, Abrüstung statt Aufrüstung kann Mittel für humanitäre Programme freisetzen.“
Der historische Moment ist gekommen, ernsthaft das imperialistische und stets auf militärische Überlegenheit setzende Gebaren zu überdenken und aufzugeben.
Die wirtschaftlichen Konkurrenzen um Märkte und Rohstoffe und daraus resultierende Konflikte lassen sich nur kooperativ auf dem Boden UN wirklich regeln, ohne Katastrophen zu provozieren, seien es Kriege, atomare Bedrohungen, oder ökologische Katastrophen. Und nur so können Lebensumstände in den Herkunftsländern der Flüchtenden geschaffen werden, die nicht 80 und bald 100 Millionen Menschen in die Flucht schlagen.
Statt „Bekenntnisse zur NATO“ zu verlangen, sollten die Parteien, die im Bundestag bisher jeden Auslands-Militäreinsatz der Bundeswehr ermöglicht haben, ihre Außen- und Verteidigungspolitik überdenken. Regime Change und Nation Building sind neokoloniale Abenteuer und gehen meistens sowieso schief. Vielleicht ist das der Grund, dass US-Präsident Joe Biden in seiner „historischen Rede an die Nation“ zum Abzug der USA aus Afghanistan der Welt am 31.8. verkündete:
„Wir müssen Fehler, die wir gemacht haben, korrigieren. Die Ära großer militärischer Einsätze, um andere Länder zu erneuern ist vorbei.“
Das sollte doch beim Überdenken bisheriger Positionen Mut machen. Ein „Weiter so“ darf es auch in der Außen- und Militärpolitik nicht geben. Diese ist auch nicht zu trennen von der Klima-, Energie- und Sozialpolitik. Es sind kommunizierende Röhren. Der bisherige Verlauf des Bundestagswahlkampfes macht jedoch auf solche Erkenntnisse wenig Hoffnung.
Thomas Trüper
Überarbeiteter Beitrag auf der Kundgebung zum diesjährigen Antikriegstag auf dem Mannheimer Marktplatz