MVV hält an Planung für ein klimaschädliches zweites Altholz-Heizkraftwerk auf der Friesenheimer-Insel fest
Damit verhindert die MVV wirklich dekarbonisierte Fernwärme!
Im September 2021 veröffentlichte die Klimagruppe Mannheim Kohlefrei eine Stellungnahme zu der Ankündigung der MVV für ein zweites Altholz-Heizkraftwerk (1). Sie verurteilten den geplanten Neubau aus folgenden Gründen: 1. Holzverbrennung sei nicht klimaneutral und 2. seien ausreichend andere emissionsfreie Alternativen vorhanden: große Erdwärmereservoire im Oberrheingraben (Tiefengeothermie) sowie Umweltwärme in den regionalen Flussgewässern Rhein und Neckar (Großwärmepumpen). Erfolgt die dafür erforderliche Stromversorgung ausschließlich mit Wind- und Solarstrom, so ist die gewonnene Wärme klimaneutral und emissionsfrei.
Die Gemeinderatsfraktion Li.Par.Tie stellte im September 2021 eine Anfrage zu den Details der Pläne zu dem bestehenden und dem geplanten zweiten Altholzkraftwerk (BMKW). Die Antwort wurde Ende Januar 2022 veröffentlicht (2). Das bestehende Altholzkraftwerk (BMKW1) liefert seit 2005 Strom, gefördert durch das Erneuerbare-Energie-Gesetz (EEG). Ab Ende 2022 soll es Abwärme ins Fernwärmenetz einspeisen (Wärmetauscher). Bis Ende 2024 wird es auf Kraft-Wärme-Kopplung umgerüstet (Gegendruckturbine) und 300 GWh pro Jahr Fernwärme liefern. Das geplante zweite Altholz-Heizkraftwerk (BMKW2) soll 278 GWh pro Jahr Fernwärme liefern können.
Die Planungen der MVV sehen vor, dass aus dem Müll-Heizkraftwerk (MHKW) und den beiden Altholz-Heizkraftwerken (BMKW1 und BMKW2) zusammen ca. 1300 GWh Fernwärme geliefert werden könnten. Nach Äußerungen vom Vorstandsvorsitzenden der MVV Müller in Glasgow 2021, sollen damit Zweidrittel der Fernwärmelieferung bestritten werden, und dies bereits ab 2026. Das restliche Drittel könne durch Nutzung von Geothermie und Flusswärme gedeckt werden.
Außerdem wurde in der Anfrage (siehe oben) nach der Umweltbelastung gefragt. Obwohl die gesetzlich vorgeschriebenen derzeit gültigen Grenzwerte (17. Bundes-Immissionsschutzverordnung (BImschV)) beim BMKW1 unterschritten wurden, ist doch festzustellen, dass die Stickoxid-Belastung (NOx) mit 127g/Nm3 (Jahresmittelwert) 2021 nur 15% unter dem Grenzwert für Tagesmittelwerte lag. Im Jahr 2021 wurden insgesamt 72,8 t NOx emittiert (Müll-HKW 183 t 2018 zum Vergleich). Außerdem ist die gesamte Staubbelastung nennenswert mit 360 kg im Jahr 2021, wobei ca. 95% davon wahrscheinlich Feinstaub sind.
Die Weltgesundheits-Organisation (WHO) hat bei NOx und Feinstaub, mit erwiesenermaßen erheblichen gesundheitlichen Auswirkungen, drastische Reduktionen der Immissions-Grenzwerte gefordert. Die Übernahme in EU- und nationale Rechtsnormen wird allerdings dauern. Die MVV bezieht sich in ihrer Antwort lediglich auf derzeitiges Recht. Darüber hinaus fallen auch Schwermetallemissionen und hochtoxische Emissionen wie beispielsweise Dioxine und Furane an.
Durch eine zweite Anlage (BMKW2) würden sich die Emissionen in etwa verdoppeln. Im Zuge einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) in einem Genehmigungsverfahren müssten auf jeden Fall Prüfungen und Messungen der Immissionsbelastungen der örtlichen Umgebung erfolgen.
Prinzipiell sollten an diesem Standort keine weiteren und zunehmenden Umweltbelastungen erfolgen.
Der klimakritische Punkt sind natürlich die CO2 Emissionen. Immerhin wurden 2021 im BMKW1 bereits 153.000 t Altholz verbrannt; Tendenz steigend bis 160.000 t pro Jahr. Für beide Anlage wird mit der doppelten Menge, also 320.000 t gerechnet. Das Altholz wird dabei teilweise aus weiter Entfernung herangeschafft. Demnach muss mit einer CO2 Emission von 400.000 t pro Jahr gerechnet werden (Müll-HKW 630.000 t 2018 zum Vergleich).
In der Bewertung der Klimaneutralität stellt sich die Stadtverwaltung bzw. die MVV auf den Standpunkt, dass Altholz ein erneuerbarer Brennstoff ist und daher die Verbrennung in einem Kraftwerk klimaneutral erfolgt. Lediglich Emissionen des Transportes werden anerkannt. Der Technikvorstand Dr. Roll bezog sich in der Hauptversammlung der MVV im März 2022 sogar auf die Anerkennung der Biomasse in der EU-Taxonomie als nachhaltig. Eine äußerst fragwürdige Referenz, nachdem durch die EU-Taxonomie sogar Atomkraft- und Erdgaskraftwerke als nachhaltig eingestuft wurden.
In einem Brief an Präsident Biden, Präsidentin von der Leyen und andere Präsidenten haben internationale Klimawissenschaftler gegen die Verbrennung von Holz gravierende Einwände geäußert (3).
Sie weisen auf folgende Punkte hin:
- Kurzfristig freigesetzte große CO2 Mengen werden erst in Jahrzehnten durch Baumwachstum ausgeglichen. Diese Zeit haben wir aber nicht mehr, weil die Einhaltung des Pariser Vertrages und insbesondere die Begrenzung auf 1,5 Grad keinen zeitlichen Spielraum lässt. Davon zeugt insbesondere der 2. Teil des sechsten Weltklimaberichts des IPCC.
- Die Entwicklung des Zustandes der Wälder im globalen Maßstab deuten darauf hin, dass die Aufnahmefähigkeit des Waldes durch Schädigungen erheblich nachgelassen hat. 3. Dem Wald kommt eine erhebliche Bedeutung als CO2-Speicher zu. 4. Verbrennung von Holz in Kraftwerken hat bilanziell eine ähnliche oder sogar höhere CO2-Emission als in Kohlekraftwerken.
Fazit: Die Klimawissenschaft fordert die Vermeidung der Verbrennung von Holz! Verbrennung von Altholz kann daher ebenfalls nicht als klimaneutral bewertet werden, sondern muss mit der freigesetzten CO2 Emission bilanziert werden. Substitution von Netzstrom und Wärme aus dem GKM kann demnach nicht angesetzt werden.
Die MVV verweist in ihrer Antwort auf die in der Altholzverordnung vorgeschriebene Verbrennung von stark belastetem Altholz (z.B. Bahnschwellen) hin.
Allgemein ist jedoch festzustellen, dass die Recycling-Quote in Deutschland im Vergleich mit anderen EU-Ländern sehr niedrig liegt. 2018 lag diese gar nur bei 25%, in Italien bei 82% und In Frankreich bei 67%. Im EU-Durchschnitt lag die Recycling-Quote bei 48% (4).
Diese niedrige Recycling Quote in Deutschland führt nun auch dazu, dass mehr Waldholz für Baumaterial und Möbel eingesetzt werden muss.
Eine neue Altholz-Verordnung ist in Vorbereitung, die das Manko gegenüber der EU ausgleichen muss (z.B. durch Weiterverwendung oder rohstofflicher Nutzung in der Spanplattenproduktion). Die MVV bezieht sich in ihrer Antwort jedoch auf die alte Verordnung.
Die Aussichten für die Förderung von Geothermie und Großwärmepumpen durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klima sind gut. Gleichzeitig werden wesentliche Regelungen verbessert, so dass wirtschaftliche Hemmnisse beseitigt werden. Andererseits soll auch die Verbrennung von Altholz in Kraftwerken >5 MW durch die Aufnahme in die EU-Energiesteuerrichtlinie im Rahmen des EU Green Deal verteuert werden, um CO2-Emissionen zu reduzieren.
Mit dem Plan für ein neues zweites Altholz-Heizkraftwerk auf der Friesenheimer-Insel und der geplanten weiter zunehmenden Verbrennung von Müll- und Altholz legt sich die MVV mit Duldung durch die Stadtverwaltung auf ein klimaschädliches Konzept für die Dekarbonisierung der Fernwärme fest. Damit wird für weitere Jahrzehnte der Weg zur Nutzung der emissionsfreien erneuerbaren Energien verbaut. Dies als „Grüne Wärme“ zu verkaufen ist nichts anderes als Greenwashing.
Damit wird auch den Grundsätzen einer ökologischen Kreislaufwirtschaft widersprochen, die in den nächsten Jahren weiterentwickelt werden muss und im Verbund mit einer Klimapolitik für die Einhaltung bzw. Unterschreitung der 1,5 Grad Grenze des Pariser-Vertrages sorgen kann.
Dabei sind gute wirtschaftliche Alternativen im Übermaß vorhanden und es besteht keinerlei Zwang zu noch mehr Müll- und Altholzverbrennung!
Autoren: Günther Frey, JL (Mannheim Kohlefrei)
Quellen:
1 https://mannheim-kohlefrei.de/wp-content/uploads/2021/09/Stellungnahme-zu-Biomasseheizkraftwerkes_final.pdf
2 https://buergerinfo.mannheim.de/buergerinfo/getfile.asp?id=8167458&type=do
3 https://www.klimareporter.de/images/dokumente/2021/02/ScientistLetter_WoodBurning_2021.pdf
4 https://www.biofuelwatch.org.uk/2022/altholz-informationspapier/