Bericht zur Demo “Wer schützt uns vor der Polizei?”
Für Samstag den 07.05.22 hatte ein Bündnis mehrerer lokaler Gruppen zu einer Demonstration in Mannheim anlässlich des tödlichen Polizeieinsatzes in Mannheim vom 02.05.22 aufgerufen. Aus diesem Anlass versammelten sich etwa 1.000 Personen um 18:00Uhr auf dem Marktplatz, wo etwa zwei Stunden später auch die Abschlusskundgebung stattfand. Die Demo-Route beinhaltete auch die Polizeiwache H4, welche als Ausgangspunkt für den Einsatz am Montag gilt.
Die von DIDF (Föderation demokratischer Arbeitervereine) angemeldete Versammlung begann mit einer Auftaktkundgebung auf dem Marktplatz, bei der sich Vertreter*innen verschiedener Gruppen (z.B.: Bündnis 2.Mai, Linkes Zentrum Ewwe Longts, Interventionistische Linke, Copwatch/ Blackpower Frankfurt) mit Redebeiträgen zu Wort meldeten. Hierin wurde immer wieder auf die Systematik polizeilicher Übergriffe hingewiesen und dass es sich nicht nur um individuelles Fehlverhalten oder sogenannte Einzelfälle handelt, wenn die Polizei mit Gewalt eingreift. Die Forderungen der Redner*innen reichten von lückenloser Aufklärung über die Einrichtung unabhängiger Untersuchungsstellen bis hin zur Auflösung der Polizeien in ihrer jetzigen Form, die nach Meinung der Redner*innen wieder mal bewiesen habe, dass ihre Aufgabe nicht der Schutz aller sei, sondern bestimmter Interessen. Auch die bereits am vergangenen Donnerstag auf der Mahnwache als Rednerin aufgetretene Arbeitskollegin des Verstorbenen, kam mit ergreifenden und persönlichen Eindrucken zu Wort.
Im Anschluss an die Auftaktkundgebung formierte sich der Demonstrationszug vom Marktplatz aus in Richtung H4, wo ein erster kleiner Zwischenstop am dortigen Polizeirevier haltmachte. Mit Pyrotechnik und Farbbeuteln gegen das Gebäude, wurde dem Ruf aus der Menge “Blut an euren Händen” ein optischer Ausdruck verliehen.
Die Polizei hatte sich hierauf offensichtlich vorbereitet und die Rollläden des Revieres an allen Fenstern heruntergelassen. Außerdem postierte sich eine Gruppe der Einsatzkräfte zwischen H4 und H3. Diese schritten jedoch nicht ein, was der beim Gespräch zwischen Polizei und Versammlungsleitung geäußerten Aussage entspreche, dass sich die Polizei an diesem Tag zurückhalten werde.
Dies erzeugte teilweise einen deutlichen Kontrast zu sonstigem Einschreiten der Polizei, was verdeutlicht, wie willkürlich die Einsatztaktik angepasst zu werden scheint. Während die Polizei in diesem Falle in der Lage ist “ihren Kopf hin zu halten”,können bei anderen Versammlungen selbst kleinste Verstöße zum Einschreiten oder zum Stopp der Demonstration führen. Weiterhin zeigt dies auf, wie abhängig eine Demonstration, trotz der bekannten Parole “Wir demonstrieren wie wir wollen”, vom Gutdünken der Polizei zu sein scheint. Damit offenbart sich die Polizei auch als politischer Akteur bzw. in der Lage auf politische Prozesse und Ereignisse zu reagieren und Einfluss zu nehmen. Dies ist nur möglich, wenn anerkannt wird, dass die Polizei eigene Interessen verfolgen kann, was wiederum zeigt, dass es sich um keine neutrale Institution handelt. Daher bedarf die Rolle der Polizei bei Versammlungen unter den Vorgaben der Versammlungsfreiheit einer weiteren kritischen Betrachtung.
Die Route der Demonstration verlief dauraufhin durch die Quadrate in Richtung Schloss. Auch am Landgericht wurden Schriftzüge wie “Polizei Mörder” oder “ACAB” hinterlassen, um einen weiteren symbolträchtigen Ort der Justiz einzubeziehen. Daraufhin zog die Demonstration über den Paradeplatz und die breite Straße wieder zum Marktplatz, um dort mit einer Abschlusskundgebung zu enden. In der gut besuchten Innenstadt zeigten sich viele Passant*innen interessiert an der Demnstration und äußerten immer wieder ihre Betroffenheit und Anteilnahme. Eine Gruppe bekannter Personen aus der politischen Rechten und dem Umfeld selbsternannten Querdenker hat sich zwar zu Beginn der Auftaktkundgebung versucht in die Menge zu begeben, was allerdings schnell und ohne übermäßige Aufmerksamkeit zu erzeugen von Ordner*innen unterbunden wurde. Weitere Zwischenfälle dieser Art sind derzeit nicht bekannt. Laut Angaben der Polizei sei diese mit dem Verlauf der Versammlung einigermaßen zufrieden, da niemand verletzt wurde und es zu keinen schlimmeren Zwischenfällen gekommen sei.
Die überregionale Mobilisierung und Teilnahme vieler Gruppen aus weiter entfernten Städten und Regionen hat sicher zum Erfolg der Versammlung an diesem Tag beigetragen. Außerdem fanden in mehreren Städten in Deutschland ebenfalls Versammlungen statt, die sich auf den Vorfall in Mannheim bezogen. So wurde z.B. ein Grußwort Mannheimer Aktivist*innen bei einer Versammlung in Magdeburg übertragen.
Wichtig bleibt nun den Erfolg der Veranstaltung nicht zu einem einmaligen Strohfeuer werden zu lassen, sondern den schwelenden Unmut, der sich aus der ungleichen und ungerechten Behandlung verschiedener Gruppen durch die Polizei speist, nachhaltig und solidarisch aufzugreifen. Die Ermittlungen gegen die Beteiligten Polizeibeamten dürften sich noch in die Länge ziehen und auch was die Anerkennung systematischer Fehler in Behörden angeht, ist bekanntermaßen kaum mit raschen Ergebnissen zu rechnen. Um der Feststellung “kein Einzelfall” gerecht zu werden, muss der Druck demnach auch möglichst aufrechterhalten bleiben, damit Mannheim nicht tatsächlich nur zu einem weiteren Ort wird, der sich beim nächsten Fall von Polizeigewalt in eine Aufzählung einreiht.
Text: DeBe Bilder: N.N.