LI.PAR.Tie-Fraktion: Gemeinsame rot-rot-grüne Forderungen durchsetzen!
Ergänzend zur Pressemitteilung der LI.PAR.Tie. und den dortigen politischen Forderungen an die beiden relevanten OB-“Neuwahl”-Kandidaten erklärt LI.PAR.Tie. Kommunalinfo gegenüber:
Durchwachsene Bilanz im Gemeinderat
Die Fraktionsmitglieder der LI.PAR.Tie. können aus den fast vier Jahren Erfahrung im Gemeinderat bestätigen, dass die Übereinstimmung mit den Zielen aller drei Specht-Unterstützter-Parteien CDU, FDP und ML deutlich geringer ist als mit den Grünen und der SPD, bei der Riehle momentan den Posten des Fraktionsvorsitzenden begleitet. Gemeinsam mit den Fraktionen der SPD und der Grünen hat LI.PAR.Tie. wichtige Forderungen, die teilweise schon seit vielen Jahren von der LINKEN im Gemeinderat eingebracht wurden, „durchgebracht“. Dazu gehören u.a. die Sozialquote bei Wohnungsneubauten, ein Sozialmonatsticket, die Stadt als „Sicherer Hafen“, die Konzeptionierung eines Bürgerbüros Wohnen sowie eine ganze Reihe von Tierschutzforderungen und konkrete kleinere Verbesserungen in den Bereichen Soziales, Familien, Bildung, Queer, Klimaschutz und Verkehr.
Umgekehrt hat die Fraktion LI.PAR.Tie. immer wieder zum Teil frustrierende Abstimmungsniederlagen hinnehmen müssen, weil ihnen mal die Grünen, häufiger die SPD und nicht selten beide Fraktionen ihre Zustimmung zu Anträgen verweigert haben. Das betraf sowohl soziale wie ökologische Themen, zuletzt etwa die LI.PAR.Tie.-Forderung nach einer Sozialquote in Höhe von 50 statt 30 Prozent für preiswerte Mietwohnungen in Neubauten. Und dass die SPD-Fraktion eine klimagerechte Verkehrswende anstrebt, muss ihrem Abstimmungsverhalten für die ausschließlich autogerechte Speckweg-Sanierung und Neubau der BBC-Brücke sowie Verzögerung bei der teilweisen Verstetigung der verkehrsberuhigenden Maßnahmen aus dem Verkehrsversuch Innenstadt zufolge stark angezweifelt werden. Aber auch bei der Abstimmung für drei verkaufsoffene Sonntage in diesem Jahr statt wie sonst üblich nur einem kam die Mehrheit durch große Teile der SPD-Fraktion zustande (bei Ablehnung von Grünen und LI.PAR.Tie.), obwohl Gewerkschaften diese Ausweitung strikt ablehnen.
Während bei Tierschutz-Themen LI.PAR.Tie. immer wieder das Problem hat klarzustellen, dass Erfolge auf ihre Anträge zurückgehen und nicht auf die von SPD oder Grünen, bleibt der Fraktion vor allem bei den Themen Teilhabe, Daseinsvorsorge, soziale und Bildungsgerechtigkeit meistens nur die Rolle der Mahnerin, nicht der Macherin. Der Fraktionsvorsitzende Dennis Ulas räumt ein: „Wir haben uns von der politischen Mehrheitskonstellation von SPD, Grünen und uns im Gemeinderat deutlich mehr erhofft. Selbst die Erfolge, die wir oft nach jahrelangem Dicke-Bretter-Bohren bei der Verwaltung erzielen, werden von den anderen Fraktionen teilweise aufgeweicht. Von einem starken rot-rot-grünen Block kann leider oftmals nicht gesprochen werden. Da wäre bisher noch deutlich mehr drin gewesen.“
Neue, schwer abschätzbare Situation
Durch den vorläufigen Wahlerfolg des Kandidaten Specht im ersten OB-Wahlgang am 18. Juni hat sich eine neue Situation ergeben. Um nicht den Oberbürgermeister-Posten, jahrzehntelang fest in SPD-Hand, an die CDU zu verlieren, versucht das Mitte-links-Lager zusammenzurücken. SPD und Grüne, bisher unterschwellig mehr Konkurrenten als Verbündete, unterstützen den SPD-Kandidaten Thorsten Riehle. Dafür machen er und seine Partei gewisse Zugeständnisse vor allem bei den Klimaschutzmaßnahmen und der Verkehrswende. Den Berichten aus dem Kreis der Beteiligten an den Gesprächen zwischen einer SPD-Delegation um Riehle mit Vertreter*innen des Bündnisses Isabell Belser zufolge soll auch dort die SPD in vielen Fachfragen Zugeständnisse gemacht oder klargestellt haben, dass es ihr häufig gar nicht um das „Ob“, sondern nur um das „Wie“ gehen würde. Also alles paletti?
Nicht ganz, wie die Entscheidung des Bündnisses zeigt, trotzdem Riehle nicht direkt zu unterstützen. Erstens hat die SPD ihren Ruf als Jein-Partei weg, die auf allen Ebenen seit Jahrzehnten den Kompromiss eher mit dem konservativen als mit dem progressiven Lager sucht. Zweitens können die im Gemeinderat seit vier Jahren im Mehrheitsbündnis SPD-Grüne-LI.PAR.Tie. sich angesammelten atmosphärischen Störungen nicht mit einem einzigen Gespräch vom Tisch gewischt werden – auch nicht mit ein, zwei weiteren. Im Vorfeld der OB-Wahl wollte Riehle sich als Kandidat der Mitte darstellen und hat auch nicht wirklich den Kontakt zum linken Lager gesucht. Schließlich ist die SPD erst am Wahlabend aktiv auf die Fraktion LI.PAR.Tie. und DIE LINKE zugegangen und hat um ein Gespräch gebeten. Eine Abstimmung viel früher wäre sicherlich hilfreich gewesen, um aufeinander zuzugehen und auf gemeinsame Ziele – bzw. ein gemeinsames Ziel, nämlich ein fortschrittlicher Oberbürgermeister – hinzuarbeiten. Vertrauen braucht Zeit. Und das hat offenbar eine Mehrheit der Beteiligten an der Abstimmung im Bündnis, an der auch Stadträt*innen beteiligt waren, nicht in ausreichendem Maße.
Mit Christian Specht als Oberbürgermeister würde, trotz aktuellen Mehrheitsverhältnissen im Gemeinderat, ein wesentlich anderer Wind wehen. Mit dem inhaltslosen Slogan „Dein Mannheim kann mehr“ meint er sicherlich „mehr für die bürgerlichen Schichten“. Alles bis dato Erreichte in Sachen progressiver Politik, was CDU, ML und FDP ohnehin schon immer ein Dorn im Auge ist, würde durch ihn abgewürgt werden, um seine bzw. ihre Klientel zu bedienen – auch wenn er vorgibt, „Oberbürgermeister für alle“ zu sein. Allen voran würde er am Nettoneuverschuldungsverbot festhalten und wichtige Investitionen v.a. in preiswertes Wohnen und Klimaschutz notfalls unterlassen. Und so würde er lieber ein neues Fußballstadion bauen lassen anstatt der beschlossenen neuen Stadtbibliothek. Eine Sanierung des Haushalts über mehr Grundstücksverkäufe ist ebenso zu befürchten wie eine Umkehr bei der Wohnungspolitik – mehr Einfamilienhäuser, weniger Sozialwohnungen – oder auch Rückschritte in der Verkehrs- und Bildungspolitik. Der Fokus würde künftig auf die eigene Klientel in Feudenheim, Neuostheim und Sandhofen gelegt werden anstatt auf Neckarstadt-West oder Jungbusch, wo Specht bei enorm niedriger Wahlbeteiligung auch kaum Stimmen bekommt.
Der Ball liegt bei der SPD
Da sich aber niemand aus den Parteien im Bündnis, die eine große Verantwortung als aktuelle und vielleicht zukünftige Vertretungen im Gemeinderat tragen, als Steigbügelhalter*in für den CDU-Kandidaten anschwärzen lassen will, hat das Wahlkampfbündnis Isabell Belser beschlossen, ausdrücklich Specht nicht zu unterstützen und seine Positionen nicht zu teilen. Dabei spielen auch Überlegungen eine Rolle, dass der zukünftige Gemeinderat, der 2024 neu gewählt wird, keine so große Mehrheit für Mitte-links-Anliegen mehr wie der jetzige haben könnte. Nicht vergessen: Der Oberbürgermeister hat die 49. Stimme im Gemeinderat und kann bei knappen Abstimmungen das „Zünglein an der Waage“ sein. Außerdem kann er mit seinen Befugnissen, z.B. in sämtlichen Gremien Tagesordnungspunkte abzusetzen und so Entscheidungen bis zum Sankt-Nimmerleinstag hinauszögern zu können, großen Einfluss auf das kommunalpolitische Geschehen nehmen. LI.PAR.Tie. bekommt das seit Monaten drastisch vor Augen geführt, weil der amtierende OB Kurz (SPD!) eine Abstimmung über den LI.PAR.Tie.-Antrag zur Streichung des Namensteils Engelhorn aus den Reiss-Engelhorn-Museen verschleppt.
Auch deshalb muss die anstehende OB-Stichwahl in Zusammenhang mit der Kommunalwahl 2024 gesehen werden. Das Bündnis ist sich mit seiner Empfehlung, nicht Specht zu wählen, seiner Verantwortung bewusst. Die Fraktion wird das vorsichtige Zugehen Riehles auf LINKE und verbündete Parteien gerne als Grundlage für mehr Durchsetzungskraft linker Themen im Gemeinderat in den kommenden Monaten aufgreifen. Zu beackernde Themen gibt es mehr als genug. Im verbleibenden Jahr, bis der jetzige Gemeinderat Geschichte sein wird, können noch viele Nägel mit Köpfen gemacht werden, was Bildungs- und soziale Gerechtigkeit, bezahlbare Wohnungen für alle, Klima- und Verkehrswende etc. betrifft.
Der Ball liegt bei Grünen und vor allem der SPD, die auch im Fall einer Wahlniederlage für ihren Kandidaten beweisen kann, dass auch sie wieder in engerer Abstimmung mit Grünen und LI.PAR.Tie. bzw. deren Nachfolge-Fraktion fortschrittliche Politik für Menschen, Tiere und Umwelt in unserer Stadt zu machen bereit ist. An den Stadträtinnen und -räten der Fraktion LI.PAR.Tie. wird es ebenso wenig scheitern wie an der Klimaliste. Sie alle wollen ein sozialeres und klimagerechteres Mannheim. Deshalb ihr Appell:
Nein zu Specht!
Riehle soll zeigen, wofür er steht!
4. Juli 2023