80 Jahre Befreiung vom deutschen Faschismus- OAT Mannheim organisiert Veranstaltungsreihe

Am 8. Mai jährt sich die Befreiung von der faschistischen Herrschaft der Nationalsozialisten zum 80. Mal. Das Offene Antifaschistische Treffen Mannheim und weitere Organisationen haben haben dies zum Anlass für eine Veranstaltungsreihe genommen und wir haben ihnen dazu ein paar Fragen gestellt.

Warum ist das Erinnern für euch so wichtig und welche Schlüsse für heute lassen sich überhaupt aus der Geschichte ziehen?

Am 8. Mai 1945 wurde das nationalsozialistische Deutschland durch die Alliierten besiegt. Deutschland, Europa und die Welt wurden vom Hitlerfaschismus befreit. Diese Befreiung hatte einen sehr hohen Preis: Der Zweite Weltkrieg forderte über 60 Millionen Tote. Über 17 Millionen Menschen wurden gezielt durch das NS-Regime getötet und der Holocaust markiert den grausamen Tiefpunkt: 6 Millionen Jüd:innen wurden systematisch durch die Nazis ermordet.

Erinnern ist für uns eine politische Notwendigkeit. Der Aufstieg der Nationalsozialisten ist nicht wie eine Naturkatastrophe über Deutschland hereingebrochen, sondern entwickelte sich  Schritt für Schrittherbeigeführt durch konservative Eliten, wirtschaftliche Interessen, die Fragilität der Weimarer Republik und vor allem durch große Teile der Bevölkerung – sei es durch aktive Unterstützung oder durch gleichgültiges Akzeptieren politischer Entwicklungen. Antisemitismus, Rassismus und autoritäres Denken waren keine Randerscheinungen, sondern tief in der Gesellschaft verankert.

Das darf niemals aus unserem Bewusstsein verschwinden. Wenn wir vergessen, wozu Menschen in der Lage sind, kann uns nichts mehr vor solchen Entwicklungen schützen. Wir haben die Chance, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen. Angesichts der Folgen dieser Irrtümer ist das unsere Pflicht.

Die Gedenkkultur ist in der BRD stark ritualisiert und meist von Sonntagsreden geprägt, die kaum politisch wirksam werden und auch dazu dienen von tatsächlicher Aufarbeitung zu entlasten. Was sind eure Ziele mit einer solchen Veranstaltungsreihe?

Für uns ist zentral, dass die Opfer und Betroffenen im Mittelpunkt von  Gedenken stehen. Wir erinnern an sie durch: Stadtrundgänge, das Reinigen von Stolpersteinen, einen Besuch der Gedenkstätte des Konzentrationslagers Sandhofen, Vorträge und weitere Formate. Uns ist bewusst, dass von staatlicher Gedenkkultur kaum politische Wirksamkeit ausgeht. Die geringe politische Tiefe staatlicher Gedenkkultur ist keine Überraschung, wenn man allein auf die Geschichte des 8. Mai blickt: Während dieser Tag in der DDR früh als „Feiertag zur Befreiung des deutschen Volkes vom Hitlerfaschismus“ begangen wurde, galt er in der BRD jahrzehntelang als „Tag der Niederlage“. Erst 1985, mit der Rede von dem damaligen Bundespräsident Richard von Weizsäcker, wurde der 8. Mai öffentlich als „Tag der Befreiung“ anerkannt. Diese mangelnde Bereitschaft zur tiefergehenden Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte ist bis heute spürbar. Aufarbeitung  findet von staatlicher Seite nur sehr begrenzt statt – sie muss immer wieder erkämpft werden. Das zeigt sich nicht nur in der hohen Kontinuität von NS-Täter*innen im Staatsdienst, sondern auch in aktuellen Fällen wie dem NSU-Komplex oder dem rassistischen Anschlag in Hanau, bei denen staatliches Versagen und strukturelles Wegsehen deutlich wurde.

Deshalb rufen wir dazu auf, diese Gedenkarbeit selbst zu leisten. Wir bieten auch über diese Veranstaltungsreihe hinaus Bildungsarbeit und Erinnerungskultur an. Wir möchten an dieser Stelle auch auf die zahlreichen Partnerorganisationen hinweisen, die Teil dieser Kampagne sind. 

Unser Ziel ist die Solidarität mit den Opfern und Betroffenen. Wir wollen das Bewusstsein dafür wecken, das wir alle in jener Zeit Opfer und Betroffene gewesen wären, dass es keine Sicherheit geben kann. Damals wie heute gilt: Zu glauben, es treffe nur andere und nicht mich selbst, ist nicht nur naiv und gefährlich, sondern führt mit Sicherheit in den Untergang.

Diejenigen, die sich tatsächlich noch Erinnern können, werden immer weniger. Somit geht die Aufgabe das Erinnern zu pflegen auf die nachfolgenden Generationen über. Glaubt ihr das verändert etwas an dem Gedenken und wie kann es gelingen gerade junge Menschen davon zu überzeugen?

Mit dem Versterben der Zeitzeug:innen verändert sich das Erinnern – aus persönlichem Erleben wird eine Geschichte. Diese wirkt möglicherweise weniger verbindend als ein direkter Austausch mit einer Person, die diese Zeit selbst miterlebt hat. Zeitzeug:innen konnten von alltäglichen Dingen sprechen. Zum Beispiel von Nachbarn:innen, die feixend zusahen, als Menschen gedemütigt, verschleppt oder ermordet wurden, um sich dann deren Habseligkeiten anzueignen und nach dem Zusammenbruch des Nationalsozialismus von nichts gewusst haben wollten. Die obersten Kriegstreiber und Menschenvernichter waren nicht die einzigen Beteiligten an den Verbrechen. Es waren auch der Postbote, der Milchmann, die Nachbarn:innen.

Diese Dimension fehlt oft in der historischen Erzählung. Sie ist aber wichtig für das Verständnis, dass auch Menschen aus dem direktem Umfeld zu grausamen Taten fähig sind tun, wenn sie die gesellschaftliche Erlaubnis dazu bekommen.

Wir sprechen junge Menschen dadurch an, indem wir darüber sprechen, dass es eben nicht nur Geschichten von „früher“ sind, die längst Vergangenes oder gar Überstandenes erzählen. Nein, diese Tatsachen gehen uns alle an, weil die Ideologie sich nur verborgen hat. Sie ist wieder auf dem Vormarsch und diesen gilt es zu stoppen. Denn junge Menschen dürfen sich nicht die Zukunft stehlen lassen. Wir denken, dass dieses Gefühl gerade sehr stark ist. Deshalb möchten wir daran anknüpfen.

Hat sich mit dem Erstarken der Rechten für euch etwas im Umgang mit Gedenken und Erinnern verändert? Spürt ihr die gesellschaftliche Bewegung nach rechts auch in eurer tägliche Arbeit, zum Beispiel bei der Organisierung solcher Veranstaltungen?

Wir sehen die Schändung von Stolpersteinen, den Angriff auf Gedenkorganisationen als Bestätigung der Wichtigkeit, weiterhin für Erinnerung und Gedenken einzutreten.

Unsere Arbeit wird zunehmend eingeschränkt, besonders durch die Delegitimierung und Kriminalisierung durch die Behörden. Gerade bei unseren Protesten gegen die AfD erleben wir immer wieder Repression. Die Partei, die immer wieder versucht, die Erinnerungskultur anzugreifen und den Tag der Befreiung als Tag der Niederlage darzustellen oder von den Verbrechen der Deutschen abzulenken, indem sie den Fokus auf die Verbrechen der Roten Armee legt. Also eine klassische Täter-Opfer-Umkehr. Und das ist noch eine der harmloseren Formen der Relativierung der NS-Verbrechen. Nicht wenige Menschen in Deutschland leugnen den Holocaust komplett – und wenn sie ihn nicht leugnen, dann feiern sie ihn.

Es ist unerträglich mitanzusehen, wie viele Menschen in Deutschland die Aussagen der AfD teilen, normalisieren oder ihnen gleichgültig gegenüberstehen – und damit das Gedenken und die Würde der Opfer des Nationalsozialismus mit Füßen treten. Dabei meinen wir nicht nur die Wähler:innen der AfD, sondern auch jede einzelne Person, die sich einer Zusammenarbeit mit der AfD – sei es nur auf kommunaler Ebene – nicht entschieden entgegenstellt. In Mannheim ist dies bereits geschehen: In der Gemeinderatssitzung vom 1. Oktober 2024 stellte die AfD einen Antrag, das Jugendzentrum Friedrich Dürr von Energiekostenzuschüssen auszuschließen. Der CDU-Stadtrat Claudius Kranz unterstützte die AfD-Fraktion, indem er ihr rechtliche Hinweise zur Formulierung des Antrags gab.

Wir stellen uns als Antifaschist:innen trotz der wachsenden staatlichen Repression und des gesellschaftlichen Rechtsrucks entschlossen dagegen und möchten mit allen, die sich an diesen Entwicklungen stören, gemeinsam das Gedenken begehen.

Eine Liste der einzelnen Termine und die weiteren Kooperationspartner findet ihr auf der Homepage des OAT Mannheim unter www.oatma.de sowie in unserer Rubrik Termine.

Fragen: DeBe

Bild: OAT Mannheim