Grünzug Nordost – Demokratisches Grün
Der Gemeinderat hat am Dienstag, 1. März, einen wesentlichen Schritt Richtung Grünzug Nordost beschlossen: Er hat gegen die Stimmen der FDP u
nd dreier ML-Vertreter grünes Licht gegeben für die Beauftragung des Landschaftsplanungsbüros RMP Stephan Lenzen mit einer vertiefenden Planung für den Grünzug Nordost. Lenzen hatte im europaweiten Wettbewerb „Grünzug Nordost und Bundesgartenschau 2023“ den 1. Preis für den landschafts- und freiraumplanerischen Teil gewonnen.
In der im Rahmen der Verhandlungen nochmals modifizierten Vorlage V054/2016 heißt es:
„Die grundlegenden Planungen sind vom Büro „RMP Stephan Lenzen“ so zu erarbeiten, dass die Straße „Am Aubuckel“ verbleiben kann. Bei der Ausarbeitung sind folgende Punkte zu beachten, die im Rahmen des Informationsgesprächs am 16.01.2016 gemeinsam vom Gemeinderat und der Verwaltungsspitze erarbeitet worden sind:
- Biotope: Die Erkenntnisse aus der Biotopkartierung im Bereich des „Grünzug Nordost“ und der Spinelli Barracks werden bei den weiteren Planungen berücksichtigt und einbezogen.
- Frischluft: Die Frischluftzufuhr für die Innenstadt muss in ausreichendem Maße gewährleistet sein. Der „Grünzug Nordost“ ist entsprechend so herzustellen, dass auch in dem Bereich „Wingertsbuckel – Käfertal Süd“ die vom Klimagutachter empfohlenen 10.000m³ Luft pro Sekunde erreicht werden und absehbar nach der vorhandenen Engstelle schnell ein Freiraum von 500 m und mehr erreicht wird. Die günstigen Belüftungseffekte der Feudenheimer Au bleiben im Rahmen der weiteren Planungen erhalten. Die Au behält ihre Funktion als Kalt- und Frischluftreservoir weiterhin bei.
- Gewässer: Das Gewässer wird entsprechend der Vorgaben des Landschaftschutzgebietes als naturnahes Gewässer angelegt.
- Kleingartenanlage: Für die Weiterentwicklung im Bereich nördlich der Feudenheimer Straße werden Planungsvarianten erarbeitet. Diese werden dem Gemeinderat vorgestellt und zur Abstimmung vorgelegt.
- Kostentransparenz: In einer Bilanz werden die Kosten sowohl für die notwendigen Maßnahmen zur Umsetzung des „Grünzug Nordost“ als auch der Bundesgartenschau aufgeführt und differenziert gegenübergestellt.
Der Gemeinderat wird bereits in der Bearbeitungsstufe 1 (Grundlagenermittlung + Vorplanung) in den Prozess eingebunden. Nach Abschluss des Verfahrens wird dem Gemeinderat das Arbeitsergebnis zur Entscheidung vorgelegt.“
Mit diesem Beschluss ist die Fortsetzung des „iterativen Planungsprozesses“ sichergestellt. Die Bürgerschaft wird weiterhin an dem Verfahren beteiligt und der Gemeinderat muss wesentliche Planungsbestandteile wie die Behandlung der Kleingärten eigens und die Planung dann in Gesamtheit entscheiden. Der Gemeinderatsbeschluss vom 1. März war u.a. in einer Klausur des Gremiums vorbereitet worden, an der auch der Planer teilnahm. Dabei wurde nochmals klargestellt, dass ein Planer Auftragnehmer ist und sich den Wünschen des Auftraggebers anzupassen hat – für den Planer ein üblicher Vorgang. Also wird er nun entgegen der ursprünglichen Ausschreibung das Verbleiben der Straße am Aubuckel in seine Arbeiten einbeziehen müssen.
Was bedeutet der Gemeinderatsbeschluss für die BUGA?
Der Auftrag des Planers bestand darin, eine dauerhafte Planung für den Grünzug zu erstellen, die über Jahrzehnte Bestand haben soll. Eine vorübergehende BUGA im Jahr 2023 soll in die Planungen integrierbar sein. Die Firma, die die Bundesgartenschau Mannheim planen und durchführen soll, die „Bundesgartenschau Mannheim 2023 gGmbH“ ist bereits gegründete und hat ihre im jetzigen Stadium noch sehr bescheidene Arbeit aufgenommen. Die rechtliche Grundlage dafür ist der BUGA-Bürgerentscheid vom 22.09.2013. Die bisher „weggedachte“ Straße am Aubuckel muss jetzt berücksichtigt werden. Von Seiten der Deutschen Bundesgartenschaugesellschaft liegt kein Einwand oder gar eine Kündigungsabsicht wegen des Verbleibs der Straße vor. Insofern hat es viel Lärm um die BUGA gegeben, aber der Plan, eine BUGA als Beschleunigungs- und Finanzierungshebel für Gestaltung des Abschnitts „Spinelli“ im Grünzug Nordost einzusetzen, hat sich nichts geändert.
Ist mit der Beauftragung de Büros Lenzen der Grünzug nun gesichert?
Das ist aus zweierlei Gründen nicht der Fall.
Erstens ist der politische Entscheidungsprozess – wie oben dargestellt – keineswegs abgeschlossen. Nach mühseligen und zermürbenden Diskussionen, in denen die Frage BUGA Ja oder Nein dominierte, hat der Gemeinderat jetzt wieder zu einer großen Mehrheit in Sachen Grünzug gefunden. Es gibt jedoch „hotspots“ der politischen Kontroverse, die das Zeug haben, je nach Opportunität der teils sehr volatil abstimmenden politischen Kräfte im Gemeinderat die ganze Sache doch noch zum Scheitern zu bringen. Solche Punkte sind:
- Der Verbleib bzw. teilweise Verbleib der U-Halle, die Randbebauung in Käfertal Süd mit Wohnungen und die Breite der durch beide Faktoren definierten Freifläche. Hier hat man sich jetzt auf 500 Meter festgelegt, nachdem die späte Erkenntnis griff, dass der status quo eine Engstelle von 409 Metern zwischen Gewerbegebiet Talstraße und dem Rott aufweist, die bisher auch von keiner Partei durch entsprechende Anträge (Abriss der Gewerbebauten) in Frage gestellt wurde.
- Das „Auengewässer“, welches längs des Höhensprungs in der Au angelegt werden soll.
- Die Gestaltung des Höhensprungs selbst (Einbau von Rampen oder Treppen)
- Eventuelle Umgestaltungen der Kleingartenanlagen, z.B. um die Zutrittspassage vom Pfeifferswörth kommend großzügiger zu gestalten.
Nicht zu vergessen ist, dass 2019 ein neuer Gemeinderat gewählt wird, bei dem die Mehrheitsverhältnisse möglicherweise wieder ganz andere sind als gegenwärtig.
Zweitens gehört Spinelli zu 80% noch der BIMA und dient einschließlich der nach den Planungen abzureißenden Hallen als Flüchtlingsunterkunft. Ob der Bund das Spinelli-Gelände überhaupt in absehbarer Zeit verkaufen möchte, weiß niemand, da die Zukunft der Flüchtlingsbewegung nicht eingeschätzt werden kann. Wäre der Planungsprozess Grünzug Nordost jetzt nicht fortgesetzt worden, hätte man mit Sicherheit davon ausgehen müssen, dass sowohl Bund wie auch das für die Flüchtlingsunterbringung verantwortliche Land auf „Halten“ setzen würden. Nun ist die Sache wenigstens noch offen.
Wie ist das jetzt mit den Finanzen?
Ein Hauptargument der BUGA-Gegner war ja immer, der ganze „Buga-Quatsch“ sei viel zu teuer, der Grünzug ließe sich auch billiger herstellen. Gerne wurden die Kosten des Grünzugs und der BUGA gleich zusammengezogen auf die Gesamtsumme von gut 145 Mio Euro „BUGA-Kosten“. Diese Vermischung ließ die Verwaltung allzu lange so im Raume stehen, weil sie Grünzug und BUGA im Junktim sieht. Im Januar forderte das Umweltforum, „eine Kostenschätzung für die Entwicklung des Grünzuges mit und ohne Bundesgartenschau unter Darlegung sämtlicher möglicher Fördermittel mit und ohne Bundesgartenschau zu erstellen.“( Auf dem Weg zum Grünzug Nord-Ost, Januar 2016). Dieser Forderung ist die Verwaltung inzwischen und endlich nachgekommen (siehe Grafik)
Die Buga selbst soll einschließlich vorübergehender Investitionen (z.B. Zelte für Gastronomie, Hallen für Blumenschauen, spezielle Verkehrsinfrastruktur etc.) und einschließlich des Personalaufwandes etc. 41,35 Mio. Euro kosten. Die Stadt Mannheim als Mehrheitsgesellschafterin der BUGA Mannheim 2023 gGmbH hat sich verpflichtet, 6,8 Mio. Euro dieser Kosten zu übernehmen. Das ist der Beitrag der Stadt zum Wirtschaftsplan der BUGA 2023 gGmbH, ausdrücklich ohne Nachschusspflicht für die gGmbH (§3 des Gesellschaftsvertrags, V098/2014). Der Rest muss durch Eintrittsgelder und Sponsoring erwirtschaftet werden. Es gibt keinen Ergebnisabführungs- (bzw. Verlustübernahme)vertrag zwischen Stadt und gGmbH. Die BUGA kostet also aus Sicht der Stadt 6,8 Mio. Euro.
Für die auf Dauer angelegten städtebaulichen Maßnahmen ist ein gedeckeltes Budget von 105,5 Mio. Euro beschlossen. Mindestens 40 Mio. Euro erwartet die Stadt vom Land Baden-Württemberg als Zuschuss, in der gleichen Höhe, wie ihn das Land der Stadt Heilbronn für ihre Buga 2019 zugesagt hat. Das Land hat seine Bereitschaft hierzu auch erklärt. Die Hälfte des Zuschusses ist nach Aussage des OB direkt an die Durchführung einer Buga geknüpft. Die andere Hälfte ist an die Realisierung übergeordneter städtebaulicher Projekte gebunden, wie eben die Herstellung eines durchgehenden Grünzuges. Die Buga erbringt also der Stadt netto 13,2 Mio. Euro (20 Mio. minus 6,8 Mio. Eigenanteil an der Buga).
Zur Frage, ob der Grünzug nicht auch billiger herzustellen sei („Grünzug light“) stellte der OB im Gemeinderat fest: Natürlich könne man z.B. auf den Brückenschlag über die Sudentenstraße zur Vogelstang verzichten oder auf die Durchwegung von Spinelli für Radfahrer. Das sei dann „light“ aber weniger qualitätvoll für die Bevölkerung.
Das Umweltforum, das sich offenbar immer noch schwertut mit dem Planungsprozess Grünzug, brachte in seiner Stellungnahme das Grünzugskonzept der Stadt aus 1992 ins Spiel – als Alternative. Bei näherer Betrachtung ist das damalige Konzept ein Teil der Vorarbeiten zur jetzigen Beschlusslage. In der Tat beschäftigt sich dieses Konzept mit den Möglichkeiten eines Grünzugs Nordost in dem Sinne, dass es Konfliktfelder benennt und diverse Verbindungsachsen für Fuß- und Radverkehr definiert, darunter eine neue Neckarüberbrückung. Insgesamt werden 13 Überquerungen und Überbrückungen benannt zur „gezielten Überwindung von Raum- und Verkehrsbarrieren, die bei weiterer Bearbeitung mit andern Fachdisziplinen zu lösen sind“ (Rahmenplan Grünzug Mannheim Nord-Ost, S. 42)
Diese Skizze aus 1992 enthält keine ausgearbeitete Raumplanung, wie sie jetzt in Auftrag gegeben wurde, und sie äußert sich in keiner Weise zu finanziellen Aufwänden. Fast muss man vermuten, eine Umsetzung des Konzepts wäre noch aufwändiger als die gegenwärtige Beschlusslage. Was das Konzept nur als Aussicht in weiter Ferne andeutet, ist die Freigabe von Spinelli durch die USA. Entsprechend finden sich auch kaum Gestaltungsvorschläge für Spinelli. Einschließlich des Abrisses von Bauwerken und der Bodenentsiegelungen dürften die 105 Mio Euro für eine Umsetzung des Konzepts aus 1992 kaum ausreichen. Es ist also nicht ganz erfindlich, worin hier die große Alternative zur jetzigen Planung stecken soll. Im Literatur-und Quellenverzeichnis zum Rahmenplan aus 1992, den der Gemeinderat 1993 billigte, findet sich übrigens auch folgender Titel: „Stadt Mannheim. Einzugsbereich BUGA – Mögliche Grünachse zur Bundesgartenschau Mannheim – Ludwigshafen 2007.“ (Diese zum Stadtjubiläum geplante BUGA wurde 1998 abgeblasen).
Welche Interessen stoßen eigentlich in der ganzen Auseinandersetzung aufeinander
Man kann es drehen und wenden wie man will: Die Planungen der Stadt bezüglich eines „erlebbaren Grünzugs“ sind Planungen für ein „demokratisches Grün“, für jedermann betretbar und zur Naherholung und zu vielfältigen Bewegungsaktivitäten nutzbar. Es soll kein abgeriegeltes Naturschutzgebiet werden und auch keine verbaute Betonwüste.
Am klarsten hat sich die FDP gegen diese Form des Grünzugs ausgesprochen. Er sei in den Unterhaltskosten zu teuer. Konsequent verfolgt die FDP das Leitbild der billigen Stadt, die sich auf die Pflichtaufgaben beschränkt, und der man dann – wie in den Haushaltsberatungen versucht – durch großzügige Senkung der Gewerbe- und Grundsteuer mal eben 12 Mio. Euro pro Jahr vorenthalten will. Was die ML möchte, weiß sie wohl selber nicht. Sie hat aber auch immer mit dem Hinweis auf die städtische Verschuldung letztlich gegen die BUGA-Ambitionen und einen erlebbaren Grünzug argumentiert.
Die Bürgerinitiative „Keine BUGA 2023 – Konversion statt BUGA“ argumentierte auch mit dem angeblich über Mannheim kreisenden Pleitegeier. Eigentlich müsste sie über den Nettogewinn aus Landesförderung minus kommunalem Finanzanteil an der BUGA zugunsten der Konversion von Spinelli frohlocken.
Das „demokratische Grün“, öffentlich zugänglich, klimaökologisch leistungsfähig, ist ein Projekt, welches von linker Seite unbedingt unterstützenswert ist.
Thomas Trüper