Rechtspopulisten waren in der Pfalz absolut nicht willkommen (mit Bildergalerie)
Am 5. und 6.5.18 fanden in Neustadt/Weinstraße, Kandel und Germersheim drei rechtspopulistische Veranstaltungen statt, die von Gegenprotesten begleitet wurden. Bereits am Freitagabend, 4.5., fand eine Mahnwache auf dem Rathausplatz in Neustadt statt. Insgesamt haben rund 1.400 Menschen an den rechtslastigen Veranstaltungen und antifaschistischen Gegenprotesten teilgenommen. Über tausend Polizeikräfte aus Rheinland-Pfalz und Niedersachsen waren an diesem Wochenende an den drei Veranstaltungsorten im Einsatz.
Neustadt/Weinstraße
Bereits am 4.5.18 beteiligten sich 100 Personen an einer Mahnwache auf dem Neustadter Rathausplatz, um damit ihren Protest gegen die Veranstaltung „Neues Hambacher Fest“ kund zu tun. Das regionale „Bündnis gegen Rechts“ protestierte gegen die „Vereinnahmung des Hambacher Festes“ durch rechte Kräfte und rief zur Gegen-Demonstration am Samstag auf dem Schloss-Parkplatz auf.
DGB-Regionsgeschäftsführer Rüdiger Stein, machte in seiner Rede klar, dass die Referenten um Max Ottes „Neuen Hambacher Festes“ genau für das Gegenteil stehen, wofür die 30.000 Teilnehmer aus verschiedenen Ländern vor 186 Jahren gestritten haben. Der Ökonom Otte ist Mitglied der CDU und nach eigenem Bekunden zuletzt zum überzeugten AfD-Anhänger geworden.
Für eine kurze Störung der Mahnwache sorgte eine Gruppe um Hertha J., die versuchte mit islamfeindlichen, ausländerfeindlichen und dumpfen „Die-da-oben-Parolen“ die Besucher der Mahnwache zu provozieren. Herta J. (alias „Ingrid“ in sozialen Netzwerken) bewegt sich seit Jahren im Südwesten in rechten Kreisen und wird aufgrund ihrer ausländerfeindlichen Einstellung von AfD und Rechtsradikalen gelobt.
Am Samstag hatte Otte die rechten „Systemkritiker“ wie Jörg Meuthen und Thilo Sarrazin aufs Hambacher Schloss zum Neuen Hambacher Fest eingeladen. Zu der von national-patriotischen Kräften initiierten Veranstaltung kamen allerdings bei weitem nicht so viele Teilnehmer als erwartet.
Das „Neue Hambacher Fest“ sorgte im Vorfeld für reichlich Trubel. Die Veranstaltung selbst und mehrere angekündigte Gegenproteste hatten zur Folge, dass das Schloss in Neustadt an der Weinstraße am Samstag bis zum Spät-Nachmittag für Besucher komplett gesperrt war. Ins Innere des Schlosses kam nur, wer eine Einladung hatte bzw. von der AfD akkreditiert war. Die Schlossstiftung hat die Schließung des Schlosses für die Öffentlichkeit am Samstag ausdrücklich bedauert und sich damit vom rechtspopulistischen Fest distanziert. Es half wenig. Das Schloss ist laut Satzung zu vermieten, egal ob für Hochzeiten, Tagungen oder eben auch für politische Propaganda-Veranstaltungen. Nach Angaben der Stiftung Hambacher Schloss wurden etwa 1.450 Menschen erwartet, die Polizei sprach in ihrer Presseinformation von gerademal 500 TeilnehmerInnen.
Am frühen Samstagmorgen machten sich die TeilnehmerInnen unter dem Motto „Marsch der Patrioten“ auf den Weg zum Schloss. Wer als Patriot zu Fuß gehen will, kommt im Vorfeld schon mit Fahne. Die Farben Schwarz-Rot-Gold auf dem Parkplatz in Hambach sind schon recht präsent am frühen Morgen. Frauen und Männer ohne Schwarz-Rot-Gold können vor Ort Fahnen kaufen, kleine Fahnen gibt es für zwei Euro, große für zehn und die Schlange ist lang. Dezent ignoriert wird von den deutschen Patrioten, dass auf den Fahnen „Made in China“ draufsteht. Beim Absingen der Nationalhymne haben sich manche Patrioten nicht nur in der Tonlage vergriffen, sondern auch in der Strophe. Zumindest war das „über alles“ nichts.
Flächendeckende antifaschistische Asphalt- Botschaften mit Straßenkreide erzürnte den einen oder anderen Rechtspopulisten auf dem Weg nach oben. Ein Hambacher Bürger machte seinem Ärger über diesen Aufzug Luft und schüttete einige Liter übelriechende Flüssigkeit auf die Straße, die Polizei konnte einen körperlichen Angriff unterbinden so blieb es bei aggressiven verbalen Attacken. Sehr lange hing der Gestank den Patrioten nach. Ansonsten blieb der Aufmarsch zum Schloss alles in allem störungsfrei.
Die Themen unter den Patrioten auf dem Weg nach oben waren: Flüchtlinge, Migration, Ausländer.
Unterhalb der Zufahrt zum Schloss fanden sich rund 120 Menschen zusammen und demonstrierten nach Polizeiangaben ruhig gegen die Veranstaltung. „Das Hambacher Fest soll instrumentalisiert werden für rechtskonservative Politik in Deutschland. Das hat unserer Meinung nach nichts mit dem ursprünglichen Hambacher Fest zu tun“, sagte ein Demonstrant vom regionalen „Bündnis gegen Rechts“ in Neustadt. Viele Demonstranten warfen Otte vor, er stelle zu Unrecht einen Bezug zu dem historischen Ereignis her. Im Mai 1832 demonstrierten Tausende Menschen am Hambacher Schloss für die Einheit des Landes, für Bürgerrechte und Freiheit. Otte und diverse Redner aus dem rechtspopulistischen Lager missbrauchten das historische Fest für ihre politischen Ziele.
Die „Patrioten“ kamen, um Redner wie AfD-Chef Jörg Meuthen oder den früheren SPD-Politiker Thilo Sarrazin zu hören. Auch die AfD nahe Vera Lengsfeld und der Islamkritiker Imad Karim (aus Mannheim und als Filmemacher für die AfD tätig, Betreiber der geheimen, islamophoben Facebook-Gruppe „Deutschland mon amour“) waren als Redner geladen. Unter den Gästen befanden sich von der AfD Bundestagfraktion Nicole Höchst, Dr. Bernd Baumann, Leif-Erik Holm, Martin Renner sowie der rheinland-pfälzische Landeschef der AfD, Uwe Junge. Aus der Metropolregion waren beispielsweise Anja Markmann und Jens Zeller als AfD-Vertreter anwesend (beide aus Heidelberg).
AfD Parteipolitiker, Eurokritiker, Islamkritiker, Migrationskritiker alle wollten sie auf dem Kastanienberg Stärke demonstrieren und das Vaterland wachrütteln und beschützen, letztendlich war nur ein laues Lüftchen mit den alten bekannten Parolen oben auf dem Berg zu spüren. Obwohl jetzt schon wieder überall in Hambach Schilder für „Hambach Schwarzrotgold“ stehen, Werbung für ein patriotisches Weinfest in der Schlossstraße, darf Ottes Idee aus dem Fest eine feste Veranstaltungsreihe zu machen, eine Tradition so wie er sagt, bezweifelt werden.
Kandel
Zum wiederholten Male protestierte das sogenannte „Frauenbündnis Kandel – Zusammenhalt für Deutschland“ unter Leitung von Marco Kurz am 5.5.18 in der südpfälzischen Kleinstadt. (wir berichteten) Wegen dieser Demo-Kundgebung auf dem Marktplatz musste die Musikschule aus Sicherheitsgründen ihre alljährliche und seit langer Zeit geplante Veranstaltung in der Stadthalle absagen.
Nach Polizeiangaben nahmen an der rechtspopulistischen Veranstaltung anstatt der erwarteten 800 nur etwa 300, mehrheitlich männliche, Personen teil. Neben einigen wenigen besorgten WutbürgerInnen rekrutierte sich das Unterstützerumfeld, wie bei vorangegangenen Aufzügen, aus AfD- und PEGIDA-Anhängern, Identitären, NPD-Funktionären (u.a. René Schrade aus Esslingen und Christian Hehl aus Mannheim), Neo-Nazi’s und Reichsbürgern. Als Redner konnte Frauenbündnis-Chef Kurz u.a. Inge Steinmetz (ex CDU-Mitglied und Internet-Bloggerin) und Homib Mebrahtu alias „Hyperion“ (AfD Rhein-Neckar) gewinnen. Thematisch ging es um „Migration und Innere Sicherheit“. Vorgetragen wurden erneut ausländerfeindliche, rechtspopulistische und islamophobe Inhalte verwoben mit den wiederholten Rücktrittsforderungen der beiden Kandeler Bürgermeister Volker Poß und Günter Tielebörger.
Kontrapunkte setzten das Bürgerbündnis „Wir sind Kandel“ (WsK) und Die Partei.
Bereits am Freitagabend ein privat organisiertes gut besuchtes Grillfest mit musikalischer Begleitung statt. An der Kundgebung am Saubrunnen, welche von der Bündnisregionalgruppe Aufstehen gegen Rassismus Südpfalz unterstützt wurde, nahmen neben den Bürgermeistern Volker Poß und Günter Tielebörger (beide SPD), auch Politprominenz mit RP Innenminister Roger Lewentz (SPD), dem Bundestagsabgeordnete Thomas Hitschler (SPD), dem SPD-Landtagsabgeordneten und Fraktionschef Alexander Schweitzer, sowie dem Landtagsabgeordneten Landau/Südliche Weinstraße, Wolfgang Schwarz (SPD) teil. Insgesamt zählte diese Protestveranstaltung, die sich gegen die regelmäßigen rechtslastigen Aufzüge in der Stadt wandte, zwischen 100 und 150 TeilnehmerInnen.
Die Partei mobilisierte mit Unterstützung verschiedener Linksjugend solid- Gliederungen und antifaschistischer Gruppen rund 100 Demonstranten für verschiedene Aktionen. Am Vormittag fand zum Demoauftakt bereits ein Frühstück auf dem Marktplatz statt zudem auch AnwohnerInnen eingeladen waren. Eine dort gehaltene Rede veröffentlichen wir am Ende des Artikels. Am Nachmittag folgte dann die Kundgebung an der Gemeindeverwaltung, welcher ein Demozug durch die Stadt bis in die Rheinstraße folgte. Dort wollte man in Ruf- und Sichtweite dem Aufzug des Marco Kurz klare Kante zeigen. Während der rechten Kundgebung auf dem Marktplatz wurde unter Polizeischutz vor der Stadthalle „Volksbingo“ gespielt. Am Spätnachmittag wurde noch eine Spontanversammlung am Kandler Bahnhof abgehalten, die sich mit den rassistischen Inhalten des Frauenbündnis Redners „Hyperion“ (Homib Mebrahtu, AfD Rhein-Neckar) auseinandersetzte.
Nach Polizeiangaben verliefen die Versammlungen ohne besondere Vorkommnisse. Lediglich bei der Anreise wurden fünf Fahnen mit Holztragegriff sichergestellt, da diese aufgrund ihrer Beschaffenheit nicht den Auflagen entsprachen. Welche Gruppe hiervon betroffen war wurde nicht berichtet.
Germersheim
Die AfD-Initiative „Kandel ist überall“ (Kiü) hielt vor der Gemeindeverwaltung auf dem Luitpoldplatz eine Kundgebung mit 200 TeilnehmerInnen ab. Als RednerInnen traten auf: AfD-MdL Carola Wolle (Landtag Baden-Württemberg), AfD-MdL Gabriele Bublies-Leifert (Landtag Rheinland-Pfalz), Christiane Christen (Kandel ist überall-Mitinitiatorin und AfD Speyer) sowie Karl Heinz Schurder (Bürgerwille – Verein für Verfassungstreue e.V. in Speyer und AfD KV Südliche Weinstraße).
Kiü scheiterte am 06.05.18 binnen weniger Tage erneut in grandioser Art und Weise. Offenburg war eine Blamage; wurde aber als Megaerfolg nach- und abgefeiert. Nur etwa 200 Besorgt- und WutbürgerInnen, germanische Biker, Identitäre und Nazi-Hools konnte Christiane Christen (AfD Speyer) mobilisieren. Sie und drei weitere RednerInnen skandierten die üblichen abgedroschenen rassistischen und demokratiefeindlichen Phrasen. „Ihr“ Volk antwortete auf Ansage „Merkel muss weg.“ „Dreyer muss weg.“ „Wir sind das Volk. Wichtigstes Anliegen war ein angestrebtes Bürgerbegehren, um u.a. eine Altersfeststellung bei minderjährigen Geflüchteten mittels einem „international anerkannten DNA-Test“ von den Behörden in Germersheim zu erzwingen. Es würden, so meinte Schurder in seiner Rede nur 5% der wahlberechtigten Bürgerstimmen genügen, um die Verwaltung in die Gänge zu bekommen. „Das müsste drin sein“, meinte er sinngemäß. Irgendwer nuschelte dann noch ins Mikrofon, dass man wiederkommen werde. Leute aus Germersheim sagten unseren Reportern, dass an der rechtspopulistischen Kundgebung nahezu keine Menschen aus dieser Stadt teilgenommen haben.
Spontan versammelten sich rund 40 GegendemonstrantInnen, um der AfD-Hass- und Hetzveranstaltung klare Kante zu zeigen. Die AntifaschistInnen kritisierten u.a. die rassistische Positionierung der AfD: „Gewalt an Frauen und Kindern hat nichts mit Migration und Geflüchteten zu tun, sondern ist ein generelles gesellschaftliches Problem.“ Als diese Demonstrierenden von der Rednerbühne herunter noch als „die neuen Nazis“ diffamiert wurden, lauteten die Antworten „Alerta, Alerta Antifascista“ – „Rassismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen“ – „Haut ab, haut ab“.
Die Polizeikräfte trennten die Lager, als es kurzzeitig danach aussah, dass eine Situation eskalieren könnte.
Angemeldet worden war die „Kandel ist überall“-Kundgebung für drei Stunden. Nach knapp 60 Minuten war der Spuk bereits beendet.
Auch diese Veranstaltung verlief nach Polizeiangaben ohne nennenswerte Zwischenfälle.
Kandel 5.5.18 Antifaschistische Marktplatzrede (es gilt das geschriebene Wort):
„Guten Tag zusammen,
wir sind heute Morgen rübergekommen aus Baden, aus Karlsruhe, hierher, in die Pfalz. Wir kommen öfter über den Rhein, meistens zum Wandern, oft auch mit einem Abstecher ins Elsass. Heute sind wir hier als Gewerkschafterin und antifaschistische Geschichtsforscher.
Morgen, am 6. Mai, kamen vor 84 Jahren auch Leute aus Baden in die Pfalz, auch zum Wandern, so sahen sie jedenfalls aus. Sie hatten sich mit Gleichgesinnten aus der Pfalz verabredet.
Ihr Ziel war der Asselstein bei Annweiler – viele werden ihn kennen. Dort trafen sie sich 1934, sie waren Nazi-Gegner, die mit der Politik der großen Arbeiterparteien nicht einverstanden waren. Es waren Leute von der Sozialistischen Arbeiter-Partei, der Rechberg-Gruppe, aus Gewerkschaften und auch örtlichen SPD-Gruppen. Sie waren bereit, mit anderen Nazi-Gegnern wie z.B. Kommunisten zusammenzuarbeiten. Diese Zusammenarbeit in der Aktion gegen alte und neue Nazis, damals gegen die NSDAP, heute gegen die Rechten aller Schattierungen, mittendrin immer die AFD, ist auch heute leider immer noch bzw. wieder nötig! Lassen wir die Fehler unserer VorkämpferInnen hinter uns! Ob Christ oder Kommunist, ob links oder liberal, gemeinsam gegen alte und neue Nazis, egal, wie sie sich nennen!
Dieser junge Mann heißt Alfons Pfirrmann. Er stammt aus Wörth, also nicht weit von hier. Er war Kommunist und in der Weimarer Zeit auch Mitglied der „Roten Hilfe“. Die Rote Hilfe war vor 1933 eine überparteiliche Hilfsorganisation für politische Gefangene und ihre Familien: Sie wurde unterstützt von dem Physiker Albert Einstein, der Künstlerin Käthe Kollwitz, den Schriftstellern Heinrich und Thomas Mann, Carl von Ossietzky, Kurt Tucholsky und dem Künstler Heinrich Zille.
Die Zusammenarbeit gegen die Repression und gegen den drohenden Faschismus war damals leider zu schwach, die Arbeiterparteien marschierten getrennt gegen die Nazis. Gemeinsam saßen sie dann im Konzentrationslager, nicht weit von hier in Neustadt oder in Osthofen. Wenn die Gedenkstätten dort einen Sinn machen sollen, dann doch den, nicht allein der Opfer der Nazis zu gedenken, sondern ihren Auftrag hier und heute zu erfüllen: Nie wieder! Keine Hetze gegen Geflüchtete! Keine Ausgrenzung von Schwachen!
Was hat das mit Kandel zu tun? Nun, der Zimmermann Alfons Pfirrmann steht 1933 vor dem Amtsgericht Kandel: Leider haben wir kein Foto des Gerichtsgebäudes auftreiben können. Pfirrmann bekommt 3 Monate Haft wegen „Beschaffung von Waffen“.
1934 wird er wieder verhaftet und sitzt in Untersuchungshaft in Landau. Es folgt die Anklage vor dem Oberlandesgericht München – hier im Bild – gegen ihn und weitere Nazi-Gegner. Die Vorwürfe lauten auf Fortführung des verbotenen Rot-Frontkämpfer-Bundes und Sammlungen für die Rote Hilfe. Das Gericht verurteilt ihn zu 2 ½ Jahren Gefängnis, die er bis Ende 1936 im Gefängnis Bernau am Chiemsee absitzen muss.
1937 flieht er bei Scheibenhardt über die Grenze nach Frankreich. Er kämpft in Spanien gegen die Franco-Faschisten und die Nazi-Söldner der „Legion Condor“. Nicht umsonst heißen die Gegner Francos „Internationale Brigaden“: Anti-Faschisten aus 53 Ländern kommen der spanischen Republik zu Hilfe. Der Kommunist Pirmin kämpft im Bataillon 12. Februar – hier das Titelblatt der Bataillons-Zeitung – zusammen mit Sozialdemokraten aus Österreich. Sie haben nicht gegeneinander, sondern gemeinsam gekämpft!
Ihre Niederlage hat viel mit der mangelnden Unterstützung der Verteidiger der spanischen Republik zu tun: Franco bekam Waffen von Hitler und Mussolini. Es reicht eben nicht, gegen den heutigen Nazi-Aufmarsch zu protestieren. Deshalb protestieren wir auch gegen Waffenlieferungen an Erdogan, an die Saudis, an alle möglichen diktatorischen Regime, egal wo!
Für Alfons Pfirrmann beginnt 1939 ein 6 Jahre langer Weg durch Lager in Frankreich, das Gefängnis in Neustadt, das Gefängnis Ludwigsburg und das Konzentrationslager Dachau. Er wird von der US-Armee befreit und kann in die Pfalz, nach Wörth, in die Freiheit zurückkehren.
Diese Freiheit gilt es zu verteidigen, auch hier und heute!
Adelante Libertad!“
(Bericht und Fotos: John Brambach und Christian Ratz)
Germersheim
Die AfD-Initiative „Kandel ist überall“ (Kiü) hielt vor der Gemeindeverwaltung auf dem Luitpoldplatz eine Kundgebung mit 200 TeilnehmerInnen ab. Als RednerInnen traten auf: AfD-MdL Carola Wolle (Landtag Baden-Württemberg), AfD-MdL Gabriele Bublies-Leifert (Landtag Rheinland-Pfalz), Christiane Christen (Kandel ist überall-Mitinitiatorin und AfD Speyer) sowie Karl Heinz Schurder (Bürgerwille – Verein für Verfassungstreue e.V. in Speyer und AfD KV Südliche Weinstraße).
Kiü scheiterte am 06.05.18 binnen weniger Tage erneut in grandioser Art und Weise. Offenburg war eine Blamage; wurde aber als Megaerfolg nach- und abgefeiert. Nur etwa 200 Besorgt- und WutbürgerInnen, germanische Biker, Identitäre und Nazi-Hools konnte Christiane Christen (AfD Speyer) mobilisieren. Sie und drei weitere RednerInnen skandierten die üblichen abgedroschenen rassistischen und demokratiefeindlichen Phrasen. „Ihr“ Volk antwortete auf Ansage „Merkel muss weg.“ „Dreyer muss weg.“ „Wir sind das Volk. Wichtigstes Anliegen war ein angestrebtes Bürgerbegehren, um u.a. eine Altersfeststellung bei minderjährigen Geflüchteten mittels einem „international anerkannten DNA-Test“ von den Behörden in Germersheim zu erzwingen. Es würden, so meinte Schurder in seiner Rede nur 5% der wahlberechtigten Bürgerstimmen genügen, um die Verwaltung in die Gänge zu bekommen. „Das müsste drin sein“, meinte er sinngemäß. Irgendwer nuschelte dann noch ins Mikrofon, dass man wiederkommen werde. Leute aus Germersheim sagten unseren Reportern, dass an der rechtspopulistischen Kundgebung nahezu keine Menschen aus dieser Stadt teilgenommen haben.
Spontan versammelten sich rund 40 GegendemonstrantInnen, um der AfD-Hass- und Hetzveranstaltung klare Kante zu zeigen. Die AntifaschistInnen kritisierten u.a. die rassistische Positionierung der AfD: „Gewalt an Frauen und Kindern hat nichts mit Migration und Geflüchteten zu tun, sondern ist ein generelles gesellschaftliches Problem.“ Als diese Demonstrierenden von der Rednerbühne herunter noch als „die neuen Nazis“ diffamiert wurden, lauteten die Antworten „Alerta, Alerta Antifascista“ – „Rassismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen“ – „Haut ab, haut ab“.
Die Polizeikräfte trennten die Lager, als es kurzzeitig danach aussah, dass eine Situation eskalieren könnte.
Angemeldet worden war die „Kandel ist überall“-Kundgebung für drei Stunden. Nach knapp 60 Minuten war der Spuk bereits beendet.
Auch diese Veranstaltung verlief nach Polizeiangaben ohne nennenswerte Zwischenfälle.
Kandel 5.5.18 Antifaschistische Marktplatzrede (es gilt das geschriebene Wort):
„Guten Tag zusammen,
wir sind heute Morgen rübergekommen aus Baden, aus Karlsruhe, hierher, in die Pfalz. Wir kommen öfter über den Rhein, meistens zum Wandern, oft auch mit einem Abstecher ins Elsass. Heute sind wir hier als Gewerkschafterin und antifaschistische Geschichtsforscher.
Morgen, am 6. Mai, kamen vor 84 Jahren auch Leute aus Baden in die Pfalz, auch zum Wandern, so sahen sie jedenfalls aus. Sie hatten sich mit Gleichgesinnten aus der Pfalz verabredet.
Ihr Ziel war der Asselstein bei Annweiler – viele werden ihn kennen. Dort trafen sie sich 1934, sie waren Nazi-Gegner, die mit der Politik der großen Arbeiterparteien nicht einverstanden waren. Es waren Leute von der Sozialistischen Arbeiter-Partei, der Rechberg-Gruppe, aus Gewerkschaften und auch örtlichen SPD-Gruppen. Sie waren bereit, mit anderen Nazi-Gegnern wie z.B. Kommunisten zusammenzuarbeiten. Diese Zusammenarbeit in der Aktion gegen alte und neue Nazis, damals gegen die NSDAP, heute gegen die Rechten aller Schattierungen, mittendrin immer die AFD, ist auch heute leider immer noch bzw. wieder nötig! Lassen wir die Fehler unserer VorkämpferInnen hinter uns! Ob Christ oder Kommunist, ob links oder liberal, gemeinsam gegen alte und neue Nazis, egal, wie sie sich nennen!
Dieser junge Mann heißt Alfons Pfirrmann. Er stammt aus Wörth, also nicht weit von hier. Er war Kommunist und in der Weimarer Zeit auch Mitglied der „Roten Hilfe“. Die Rote Hilfe war vor 1933 eine überparteiliche Hilfsorganisation für politische Gefangene und ihre Familien: Sie wurde unterstützt von dem Physiker Albert Einstein, der Künstlerin Käthe Kollwitz, den Schriftstellern Heinrich und Thomas Mann, Carl von Ossietzky, Kurt Tucholsky und dem Künstler Heinrich Zille.
Die Zusammenarbeit gegen die Repression und gegen den drohenden Faschismus war damals leider zu schwach, die Arbeiterparteien marschierten getrennt gegen die Nazis. Gemeinsam saßen sie dann im Konzentrationslager, nicht weit von hier in Neustadt oder in Osthofen. Wenn die Gedenkstätten dort einen Sinn machen sollen, dann doch den, nicht allein der Opfer der Nazis zu gedenken, sondern ihren Auftrag hier und heute zu erfüllen: Nie wieder! Keine Hetze gegen Geflüchtete! Keine Ausgrenzung von Schwachen!
Was hat das mit Kandel zu tun? Nun, der Zimmermann Alfons Pfirrmann steht 1933 vor dem Amtsgericht Kandel: Leider haben wir kein Foto des Gerichtsgebäudes auftreiben können. Pfirrmann bekommt 3 Monate Haft wegen „Beschaffung von Waffen“.
1934 wird er wieder verhaftet und sitzt in Untersuchungshaft in Landau. Es folgt die Anklage vor dem Oberlandesgericht München – hier im Bild – gegen ihn und weitere Nazi-Gegner. Die Vorwürfe lauten auf Fortführung des verbotenen Rot-Frontkämpfer-Bundes und Sammlungen für die Rote Hilfe. Das Gericht verurteilt ihn zu 2 ½ Jahren Gefängnis, die er bis Ende 1936 im Gefängnis Bernau am Chiemsee absitzen muss.
1937 flieht er bei Scheibenhardt über die Grenze nach Frankreich. Er kämpft in Spanien gegen die Franco-Faschisten und die Nazi-Söldner der „Legion Condor“. Nicht umsonst heißen die Gegner Francos „Internationale Brigaden“: Anti-Faschisten aus 53 Ländern kommen der spanischen Republik zu Hilfe. Der Kommunist Pirmin kämpft im Bataillon 12. Februar – hier das Titelblatt der Bataillons-Zeitung – zusammen mit Sozialdemokraten aus Österreich. Sie haben nicht gegeneinander, sondern gemeinsam gekämpft!
Ihre Niederlage hat viel mit der mangelnden Unterstützung der Verteidiger der spanischen Republik zu tun: Franco bekam Waffen von Hitler und Mussolini. Es reicht eben nicht, gegen den heutigen Nazi-Aufmarsch zu protestieren. Deshalb protestieren wir auch gegen Waffenlieferungen an Erdogan, an die Saudis, an alle möglichen diktatorischen Regime, egal wo!
Für Alfons Pfirrmann beginnt 1939 ein 6 Jahre langer Weg durch Lager in Frankreich, das Gefängnis in Neustadt, das Gefängnis Ludwigsburg und das Konzentrationslager Dachau. Er wird von der US-Armee befreit und kann in die Pfalz, nach Wörth, in die Freiheit zurückkehren.
Diese Freiheit gilt es zu verteidigen, auch hier und heute!
Adelante Libertad!“
(Bericht und Fotos: John Brambach und Christian Ratz)