Kandel in Ohnmacht: Rechtes Frauenbündnis demonstriert am Todestag von Mia V. (mit Bildergalerie)
Am 27.12.17 wurde Mia V. von ihrem Ex-Freund ermordet (Wir berichteten https://kommunalinfo-mannheim.de/2018/01/04/schweigemarsch-in-kandel-suedpfalz-von-rechten-instrumentalisiert-polizeikraefte-am-rande-ihrer-moeglichkeiten/ ). Den ersten Todestag nutzten etwa 200 Neo-Nazis, Hooligans und Anhänger des sogenannten Frauenbündnis Kandel um ihre Wut gegen Bundesregierung und Lokalpolitiker auf die Straße zu bringen. Im Vorfeld des 27.12.18 hatten die Bündnisse „Wir sind Kandel“ und „Kandel gegen Rechts“ mitgeteilt, aus Gründen der Rücksichtnahme den Angehörigen und Freunden von Mia V. gegenüber, auf Protestveranstaltungen gegen den Aufzug des Frauenbündnis zu verzichten. Laut einer Pressemitteilung der Polizei verlief die Demonstration störungsfrei; es wurden keine Straftaten bekannt. Ein massives Polizeiaufgebot begleitete das Demonstrationsgeschehen.
Angereister Pfarrer spricht von „Beihilfe zum Mord“ – „Oh, du fröhliche“ wird angestimmt – Hooligans attackieren Passanten
Die Demonstranten des rechten Frauenbündnis versammelten sich vor dem DM-Drogeriemarkt in Kandel, in dem Mia V. vor einem Jahr von ihrem Ex-Freund mit einem Messer angegriffen und tödlich verletzt worden war. Der Täter, ein zur Tatzeit vermutlich minderjähriger Geflüchteter und Asylantragsteller, wurde inzwischen rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von 8 Jahren und 6 Monaten verurteilt.
Kerzen und Kränze waren vor dem Markt zu sehen. Zu sehen waren aber auch bekannte Neo-Nazis, gewaltbereite Hooligans, Vertreter der Reichsbürgerszene und zahlreiche weitere Personen, die 2018 bei den regelmäßig stattgefundenen Aufzügen des rechten Spektrums in Kandel bereits präsent waren. Die Polizei berichtete von rund 250 TeilnehmerInnen; unseren Beobachtungen nach waren es nur 150-200.
Als Hauptredner des sogenannten Frauenbündnis sprach der aus Franken stammende, seit Jahren in der Schweiz lebende, evangelische Pfarrer Lothar Mack. Mack ist kein unbeschriebenes Blatt. Ihm werden Verbindungen zu Ernst Cran, einem ehemaligen evangelischen Pfarrer, PEGIDA Nürnberg-Aktivisten und regelmäßigem Redner beim Frauenbündnis Kandel, nachgesagt.
Die schweizer Kirchengemeinde Heiden gab im Mai 2016 bekannt, dass man das Arbeitsverhältnis mit Mack zum Jahresende aufgelöst habe. Mutmaßlich wegen islamophober Äußerungen, die Mack getätigt hatte. Lothar Mack engagiert sich in der Schweiz an vorderster Front beim Verein „Sichtwechsel“. Der Verein offeriert „Beratung bei falschen Missbrauchserinnerungen“ (zusammengefasst: das Motto lautet Tat ohne Täter – falsche Erinnerungen könnten beschuldigten oder angeklagten Tätern in Missbrauchsfällen juristisch schaden). Artikel von Mack verfasst werden beim national-völkischen Blog „Schweizergeschichte“ publiziert. Laut einer Mitteilung der evangelischen Kirche in der Schweiz steht Mack als Vertretungspfarrer für Sonntagsgottesdienste und für den Bereitschaftsdienst zur Verfügung.
Als Beihilfe zum Mord bezeichnete der angereiste Pfarrer die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung. Damit bezog er sich auf den tragischen Tod von Mia V. . Weiter sagte Lothar Mack sinngemäß: „Omas, Frauen und Mädchen könnten nur gebückt umherlaufen, weil sie ungeschützt seien…dies wäre der illegalen Migration kulturfremder Menschen geschuldet…um den christlichen Frieden zu finden, müssen die Menschen gegen die Obrigkeit aufstehen…“
In seiner Rede monierte Mack auch die „Dreifaltigkeit“ christlicher Kirchen in Deutschland. Diese würden sich seiner Meinung nach u.a. nicht vom Islam distanzieren.
Wer auf die Idee kam das Weihnachtslied „Oh, du fröhliche…“ anzustimmen, bei der als Gedenkveranstaltung für Mia V. angekündigten Kundgebung, welche kaschiert für andere Zwecke missbraucht wurde, erschloss sich kritischen Beobachtern vor Ort nicht.
Weitestgehend ruhig und störungsfrei verlief der „Spaziergang“ der Wutbürger und Regierungskritiker. Als sich der Aufzug der „Spaziergänger“ auf dem Rückzug zu ihrem Versammlungsort in der Lauterburger Straße befand, brachen auf Höhe des Bahnübergangs unvermittelt vier bekannte Hooligans aus und versuchten eine Person auf dem Bürgersteig zu attackieren. Die angegriffene Person war augenscheinlich Begleiter von BM Volker Poss. Der versuchte Angriff wurde von Polizeikräften rigoros unterbunden; die Angreifer wurden zurückgedrängt.
In der Sankt Georgs-Kirche in Kandel trafen sich zahlreich Menschen, um der verstorbenen Mia V. zu gedenken. Darunter auch die beiden zu Unrecht gescholtenen Bürgermeister der Stadt und weitere LokalpolitikerInnen. An diesem Tag, dem 27.12.18, wies ein Schild an der Kirche darauf hin, dass fotografieren und filmen in der Kirche untersagt ist.
Die traurige Vorausschau auf 2019 – Kandel bleibt bis auf weiteres im Fokus rechter Agitatoren
Marco K. und sein „Frauenbündnis“ haben nach eigenen Angaben ganzjährig, monatlich Aufzüge in Kandel angemeldet.
Am 12.01. soll die erste Kundgebung im neuen Jahr in Kandel stattfinden. Die Woche darauf in Wörth/Rhein.
Das Bündnis „Kandel gegen Rechts“ mobilisiert bereits für einen Gegenprotest am 12.01.19 ab 12 Uhr am Bahnhof in Kandel. Verschiedene Redebeiträge sind angekündigt.
(Bericht: Christian Ratz / Fotos: Christian Ratz und weitere Fotografen)
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