Rhein-Neckar-Blogger auch in zweiter Instanz verurteilt
Im Januar 2019 wurde der Herausgeber eines Internetblogs für „Nachrichten und Informationen“ am Amtsgericht Mannheim wegen des Verbreitens von Falschnachrichten und der Störung des öffentlichen Friedens zu einer hohen Geldstrafe verurteilt. Gegen das Urteil legten der Verurteilte und die Staatsanwaltschaft Mannheim Berufung ein. Der Berufungsprozess am Landgericht Mannheim endete am 02.03.2020 erneut mit einer Verurteilung des Beklagten zu einer Geldstrafe.
(Az: 15 Ns 806 Js 10181/18)
KIM berichtete über den Prozess am Amtsgericht Mannheim 2018/19:
Befangenheitsanträge gegen die vorsitzende Richterin
Am 19.02.20 begann der Berufungsprozess am Landgericht Mannheim mit der Verlesung der Anklageschrift und des schriftlichen Urteils des Amtsgericht Mannheim aus dem Jahr 2019. Es waren am ersten Verhandlungstag drei Zeugen geladen.
Der Strafverteidiger stellte Befangenheitsanträge gegen die Richterin, da er diese als voreingenommen einstufte; dieser unterstellte, dass sie die Berufung verwerfen würde. Laut Verteidiger soll sich die Richterin am Rande einer anderen Verhandlung ihm gegenüber so geäußert haben: “Da wollen Sie auf dem Weg zum Bundesverfassungsgericht noch einmal bei mir Station machen.” Die Anträge wurden seitens Gerichts als unbegründet zurückgewiesen.
Die Verhandlung wurde auf den 02.03.20 vertagt.
In der Sache selbst gab es während der Beweisaufnahme weder durch die Einlassungen der Zeugen am ersten Verhandlungstag noch bei der Erörterung von Beweismitteln neue Erkenntnisse.
Außer: Dass der Beklagte jetzt Auskünfte über seine wirtschaftliche Situation machte, was bei der späteren Strafzumessung eine wesentliche Rolle spielte.
Und, dass der Strafverteidiger mit einem neuen Antrag eine weitere Zeugin vor Gericht laden wollte, die seinen Mandanten entlasten könne. Auch dieser Antrag wurde von der Staatsanwaltschaft und dem Gericht abgewiesen. Begründet wurde dies sinngemäß damit, „dass die subjektive Meinung einer Einzelperson (redaktionelle Ergänzung; die mit dem Angeklagten privat verkehrt) irrelevant für die Beweisführung gemäß Anklagevorwürfen ist.“
Die Plädoyers
Die Staatsanwältin plädierte auf schuldig nach § 126 StGB („Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten und Vortäuschung von Straftaten wider besseres Wissen“) und forderte eine Bestrafung von 130 Tagessätzen à 40 Euro. Argumentativ begründet wurde dies analog des Plädoyers im Januar 2019 am Amtsgericht. Ergänzt wurde der schwerwiegende Umstand, dass der Angeklagte beim wissentlichen Verbreiten von Falschnachrichten das Vertrauen in Medien erschüttert habe und der Glaubwürdigkeit der Presse Schaden zugefügt hätte. Das Blog wirbt mit „Nachrichten und Informationen“ und nicht mit „Fakenews und Gonzo“. Verschärfend sei zu werten, dass der Blogger in seinem Bericht im März 2018 auf ein Video mit dem darin enthaltenen Zitat „Allah ist groß“ verwies, was Rechtsextremisten dazu verleiten könnte Anschläge auf muslimische Mitbürger zu verüben. Sie bezog sich exemplarisch auf das mutmaßlich rassistische Attentat in Hanau im Februar diesen Jahres. Bei der geforderten Geldstrafe habe man die nun bekannten Einkommensverhältnisse des Angeklagten berücksichtigt.
In seinem Plädoyer sprach der Strafverteidiger seinen Mandanten frei von jeder Schuld und forderte Freispruch. Der Anklagevorwurf nach § 126 StGB sei keinesfalls erwiesen. Das Internet-Blogangebot sei zu unbedeutend, als das von einer Störung des öffentlichen Friedens ausgegangen werden könne. Der Anwalt kritisierte Staatsanwaltschaft und Gericht, indem er infrage stellte ob ein rechtsstaatliches Verfahren geführt worden sei. Er mutmaßte, dass die Staatsanwaltschaft Mannheim seinem Mandanten „eine mitgeben wolle“, weil dieser in der Vergangenheit kritisch über die Staatsanwaltschaft Mannheim berichtet hätte und in der Stadtgesellschaft aufgrund seiner Berichterstattung schon öfter angeeckt sei. Der Angeklagte greift bei „seinen letzten Worten“ die Staatsanwältin massiv an. Er frage sich, wie diese ihr Jurastudium erfolgreich abschließen konnte, da sie offenbar keine Ahnung von Grammatik hat. Er finde den Verweis auf das Hanau-Attentat für widerlich. Dies solle sich die Staatsanwältin bei jedem Blick in den Spiegel vor Augen halten.
Das Urteil: Das Verbreiten von Fakenews ist nicht durch die Meinungs-, Presse- und Kunstfreiheit gedeckt
Bei der Verkündung des Urteils teilte die Richterin mit, dass die Berufung verworfen ist und der Angeklagte zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen à 40 Euro verurteilt wird. Zusätzlich hat dieser seine eigenen Kosten und die Kosten durch das Einlegen der Berufungen zu tragen. Die Verfahrenskosten beim Landgericht gehen Lasten der Staatskasse.
Die mündliche Urteilsbegründung war ähnlich derer am Amtsgericht formuliert:
Die Beweisführung hat belegt, dass der Tatvorwurf nach § 126 StGB bewiesen ist. Mit dem wissentlichen Verbreiten von falschen Informationen und Nachrichten hat der Angeklagte rassistische Ressentiments bedient und habe mit der Berichterstattung Effekthascherei betrieben. In Zeiten in denen seriöse Medien in rechtsradikalen Kreisen als „Lügenpresse“ tituliert werden, hat der Journalist mit seinem vorsätzlichen, fahrlässigen Tun die gesetzlich verbriefte Pressefreiheit missbraucht. „Gonzo“ ist kein journalistisches Stilmittel, sondern zählt zur Literatur. Von daher ist das Handeln des Angeklagten nicht durch die Kunstfreiheit gedeckt. Die Meinungsfreiheit endet, wenn strafbares Handeln und Tun vorliegen, wie in diesem Fall. Die Richterin sagte, dass der Angeklagte durch sein Auftreten vor Gericht gezeigt hat, dass er an einer sachlichen Auseinandersetzung mit den Vorwürfen kein Interesse hatte.
Gegen das Urteil ist Revision zulässig. Sollte das Urteil rechtskräftig werden, so gilt der Blogger als vorbestraft. Die Rhein-Neckar-Zeitung berichtet, dass der Strafverteidiger Revision angekündigt habe.
(Bericht/Fotos: Christian Ratz)