Erneute Kandel-Demo: Redner mit NPD-Bezügen und die Folgen
Am 12.09.20 veranstaltete das männerdominierte sogenannte Frauenbündnis Kandel e.V. eine Kundgebung zum Thema Meinungsfreiheit. Nach Polizeiangaben vor Ort nahmen weniger als 70 Personen teil. Der Gegenprotest, maßgeblich vom Bündnis “Kandel gegen Rechts”, organisiert zählte in der Spitze bis zu 100 Personen.
Pikant für den gemeinnützigen Verein “Frauenbündnis Kandel” (FBK): Nicht nur Redner mit NPD-Bezügen wurden eingeladen, sondern auch die Türen sperrangelweit offengehalten für Vertreter der rechtsextremen Kameradschaftsszene und der IB (Identitäre Bewegung), sowie für Corona-Rebellen und weitere illustre Gestalten.
Kandel gegen Rechts (KgR) mobilisierte zum Gegenprotest unter dem Motto „Wir zeigen Gesicht“
KgR hatte alle Fraktionen im Kandler Stadtrat eingeladen, um mit Redebeiträgen eine Anfang 2020 verabschiedete Resolution “gegen Rechtsextremismus” mit Taten zu unterstützen. Sprich mit Redebeiträgen. Die CDU sagte gleich ab. Die für eine(n) RednerIn der FDP vorgesehene Sprechmöglichkeit verstrich ungenutzt. Sämtliche RednerInnen unterstrichen in ihren Wortbeiträgen die Wichtigkeit des Gegenprotest auf der einen, wie auf der anderen Seite den hohen Stellenwert des gesellschaftlichen Zusammenhaltens und der Vielfältigkeit der Stadtgemeinschaft. Harsche Kritik wurde laut, indem ein Redner davon sprach, dass „bezahlte, herangekarrte Redner des FBK Kandel bewußt Schaden zufügen wollen“.
KgR zog Bilanz:
„Lokalpolitik positioniert sich beim Gegenprotest von „Kandel gegen Rechts“
Am heutigen Samstag fanden sich rund 100 Menschen in Kandel zusammen, um gemeinsam auf der Kundgebung des Bündnisses „Kandel gegen Rechts“ Flagge zu zeigen gegen rechte Hetze.
Unter den vielen neuen Gesichtern waren auch einige Mandatsträger aus dem Kandeler Stadtrat.
Die Veranstaltung wurde durch die in Kandel und Umgebung bekannte Band „Hans Hruschka & Freunde“ unter großem Applaus musikalisch begleitet.
Fast alle Parteien zeigen Gesicht
Unter dem bereits im August erfolgreich gestarteten Kampagnen-Motto „Wir zeigen Gesicht“ luden die Veranstalter*innen der Kundgebung die Vorsitzenden aus den Stadtratsfraktionen dazu ein, im Sinne der jüngst verabschiedeten Resolution gegen Rechtsextremismus im Stadtrat ein öffentliches Statement abzugeben.
Benjamin Engelhardt, Kreisvorsitzender von Die LINKE, Markus Jäger-Hott, Fraktionsvorsitzender SPD, Stadtrat Nico de Zorzi von der Partei Die PARTEI sowie Ulrike Regner, stellvertretende Fraktionssprecherin von Bündnis 90/Die GRÜNEN und Ludwig Pfanger als Fraktionsvorsitzender der Freien Wählergruppe folgten dieser Einladung und nutzten die Gelegenheit, sich zu positionieren.
Sie fanden teilweise deutliche Worte in Richtung des rechtsextremen sogenannten „Frauenbündnis Kandel“ und sendeten ein klares Zeichen der Solidarität an alle anwesenden Demokrat*innen und Antifaschist*innen, die Monat für Monat Gesicht zeigen gegen rechte Hetze und ließen keinen Zweifel daran, dass das rechtsextreme sogenannte Frauenbündnis in Kandel nicht willkommen ist.
Auch die übrigen zwei Fraktionen im Stadtrat bezogen Position: FDP und CDU zogen es vor, sich nicht öffentlich hör- und sichtbar gegen menschenverachtende Hetze zu äußern – die CDU lehnte bereits im Vorfeld die Einladung von KgR schriftlich ab.
Die Resolution – ein Wendepunkt für Kandel?
„Die jetzt verabschiedete fraktionsübergreifende Resolution der örtlichen Mandatsträger ließ lange auf sich warten – viel zu lange!“ so eine Sprecherin von KgR. Erst knapp drei Jahre nach Beginn der rechten Umtriebe in der Stadt wurde diese nun auf den Weg gebracht und verabschiedet. KgR dazu: „Wir begrüßen grundsätzlich jede Form des Widerstandes gegen Rechts!“ Es stünde aber auch die Frage im Raum, was diese Resolution letzten Endes wert sei. „Das wird sich zeigen“ so KgR. Den Start bewerte man als holprig und begründet dies damit, dass bis heute nicht alle Mitglieder der Stadtratsfraktionen die Resolution unterschrieben haben. „Gewählte Mandatsträger sollten vorangehen“, so ein Sprecher des Bündnisses. Es gehe auch darum, Einigkeit in dieser Sache zu demonstrieren. Kopfschüttelnd geht man mit der örtlichen CDU und der FDP hart ins Gericht. Die Verwässerung einer möglichen Signalwirkung des Papiers durch das Verhalten der Vertreter der sogenannten „bürgerlichen Mitte“ passe allerdings zu deren seit Beginn der Kandel-Demos an den Tag gelegten Blockadehaltung.
„Wir sind doch die, die seit fast 1000 Tagen regelmäßig gegen die da drüben auf der Straße stehen“ so KgR. „Eine Haltung, wie sie in der Resolution formuliert wird, wirkt auf uns nicht gerade glaubwürdig, wenn sich nach öffentlichkeitswirksamem Tamtam nebst Fototermin mit dem CDU-Bürgermeister Niedermeier keinen Millimeter inhaltlich bewegt wird. Und das, obwohl man das rechtsextreme sogenannte Frauenbündnis Kandel in der Resolution explizit als ‚nicht erwünscht’ erwähnt“ betont die Sprecherin. Enttäuscht sei man darüber schon irgendwo gewesen, überrascht waren die Aktivist*innen von KgR letztlich jedoch nicht.
Widerstand gegen Rechts braucht Rückgrat
Unsere Tür steht jedem offen“ erklärt KgR. „Aber der Ball liegt nicht mehr bei uns. Wir haben unsere Einladung ausgesprochen.“ Mit Lippenbekenntnissen und schönen Urkunden komme man nicht gegen Rassist*innen an, ist sich KgR sicher. Kandel sei mittlerweile bundesweit dafür bekannt, wie es mit Demokratiefeinden umgeht – Durch Aussitzen-Wollen lädt man sich die rechten Brandstifter Monat für Monat ein. 2021 gehe es bereits ins vierte Jahr. „Die Rechten werden dann auch wieder durch die Straßen von Kandel laufen, denn die Baustelle in der Rheinstraße hat sich bald erledigt. So weit hätte es nie kommen müssen.“ Dazu brauche es jedoch Rückgrat und einen aufrichtigen Schulterschluss aller demokratischen Kräfte vor Ort. Es käme darauf an, aktiv und sichtbar zu sein. Blanker Aktivismus helfe dagegen nicht. „Resolutionen ohne aktives Handeln gehören in die Kategorie „Wahlkampfgeplänkel“. Aber wir alle haben nächstes Jahr auch wieder die Möglichkeit, unsere Wahl zu treffen!“
Spendenaktion stößt auf breiten Zuspruch
Mit dem Verlauf der Demo zeigte man sich bei KgR grundsätzlich zufrieden. Sicherlich habe die Teilnehmerzahl noch Luft nach oben, man werde jedoch konsequent den eingeschlagenen Weg weiterverfolgen und gibt sich optimistisch. Ein weiterer großer Erfolg war wie bei der letzten Kundgebung die Spendenaktion. Dieses Mal konnten während der Demo € 240,- für Moria (Flüchtlingshilfe, Anm. d. Red.) eingesammelt werden.”
Frauenbündnis-Redner mit NPD-Bezügen kritisieren Corona-Schutzmaßnahmen / Corona-Auflagen wurden zunächst ignoriert
Als Zeichen der anhaltenden Rechtsradikalisierung des FBK kann gewertet werden, dass erneut Redner eingeladen wurden und Teilnehmer gerne gesehen waren, die eindeutige Bezüge zum rechtsextremen Spektrum aufwiesen.
Mit dem ehemaligen NPD-Mitglied und derzeitigen YouTuber Carsten Jahn und dem Ex-AfD-Mitglied und pfälzischen Landtagsabgeordneten Jens Ahnemüller seien an dieser Stelle zwei Protagonisten genannt. Das AfD-nahe Portal „Digitale Patrioten“ zum Beispiel lässt kein gutes Haar an Carsten Jahn und wirft diesem im Juni 2020 vor ein Millionenerbe zu verschweigen und gleichzeitig bei seinen Anhängern weiter um Spenden zu betteln. Als führender, wenn nicht alleiniger, Wirrkopf, führt Jahn die Initiative „Team Heimat“ an. Jens Ahnemüller wurde Ende 2019 nach einem Parteienausschlußverfahren aus der AfD geworfen. Selbst dem Bundesschiedsgericht der rechtsextremen AfD schien die Personalie Ahnemüller zur Belastung geworden zu sein, nachdem investigative Journalisten dessen Kontakte u.a. zur NPD offengelegt hatten. Auch Vertreter der Kameradschaftsszene und Anhänger der Identitären Bewegung, vom Verfassungsschutz beobachtet, sah man gerne. Alles kein Problem für den gemeinnützigen Verein FBK. Kein Problem mit dem rechten Rand hatte auch der der AfD nahestehende und rechte Polit-Aktivist Gerold Keefer aus Bad Bergzabern. Dieser wurde von der Polizei mit erhobenen Händen aus der Versammlung geführt. Vermutlich weil auch er gegen Versammlungsauflagen verstossen hatte. Denn zu Beginn der Versammlung rechts verstießen die Teilnehmer mehrheitlich gegen die Corona-Auflagen. Eine Lautsprecherdurchsage der Polizei, bei der Teile der Versammlungsauflagen verlesen wurden (z.B. Abstandsregelung, Tragen eines Nasen-/Mundschutz), quittierten die Teilnehmer mit Pfiffen, Buhrufen und beleidigenden Äußerungen gegen die Polizei. Die Polizei kündigte Kontrollen gemeinsam mit der Ordnungsbehörde an. Bei weiteren Verstössen, könnten Bußgelder verhängt werden, so die Durchsage weiter. Die Kontrollen fanden dann auch statt, nachdem Teilnehmer trotz Appell des Versammlungsleiters weiterhin gegen die Corona-Auflagen verstiessen. Einige Personen zeigten Atteste vor. Bei der Versammlung links sah die Polizei keinen Anlass an die Versammlungsauflagen erinnern zu müssen.
Zweck des Vereins FBK ist laut Satzung die Förderung der öffentlichen Bildung, der öffentlichen Gesundheitspflege, Tierschutz, regionale Lebensmittelproduktion und schonende Ressourcen, ökologischer Land- und Gartenbau, Pflege von Brauchtum und Volkstanz, Jugendpflege durch sinnvolle Freizeitgestaltung etc.. Der Öffentlichkeit sind keine Betätigungen des Vereins gemäß Satzung bekannt. Durch die Gemeinnützigkeit gilt der Verein als steuerbegünstigt.
Einer Firmenauskunft zufolge, die KIM vorliegt, ist der Verein „wirtschaftsaktiv“ und wird von Creditreform der Branche „Interessenvertretungen und Vereinigungen“ zugeordnet, analog der Zuordnung durch das statistische Bundesamt (hier dem Wirtschaftszweig WZ2008).
Kinderschutzthema deplaziert und zweckmissbraucht
Aktivisten, die sich dem Kindeswohl verschrieben haben traten in faschingsähnlichem Outfit auf. In der Annahme, dass ihr Anliegen zur Kundgebung des FBK an diesem Tag passen würde. Man scheint sich zu kennen. Mit Neli Heiliger, ehemals bei Tour 41 e.V. in Karlsruhe aktiv, und Jürgen N. aus Pforzheim traten zwei illustre Personen auf den Plan. Günter N. ist in seiner Heimatstadt kein Unbekannter. Ganz im Gegenteil: Aufgrund seines Aktionismus ist er dort mehr als umstritten. Neli Heiliger, die Sympathien für den vom FBK aus Kandel weggelobten Marco Kurz hegt, knüpfte bereits 2018 Kontakte zu Myriam Kern (ex-AfD-Stadträtin in Landau). Myriam Kern gehört zur Führungsriege der AfD-Initiative „Kandel ist überall“. Dieser AfD-gesteuerten Initiative, zu der auch Nicole Hoechst, Christiane Christen und Christina Baum zählen, ist es auch zu „verdanken“, daß Kandel zum bundesweiten Aufzugsort von Rechtsextremisten wurde.
Die Folgen: Aufruf nach Landau
Die FBK-Rednerin Christa G. lud die Teilnehmer der rechten Versammlung dazu ein noch am selben Abend nach Landau zu kommen. Grund schien wohl das Protestcamp „Moria Mahnwache“ dort zu sein. Junge Menschen hatten dort schon seit einiger Zeit ein Protestcamp in der Innenstadt errichtet, um auf die menschenunwürdigen Bedingungen Geflüchteter an europäischen Außengrenzen hinzuweisen und um der Tatsache Rechnung zu tragen, dass auch Landau sich zur „sicheren Hafenstadt“ erklärt hatte. Nach Informationen des KIM sind etwa 20 Vertreter des FBK mit Fahnen ab 19 Uhr auf dem Marktplatz erschienen um die Leute der Moria-Mahnwache zu provozieren. Bei der herbeigeeilten Polizei soll seitens FBK eine Spontanversammlung angemeldet worden sein. Diese wurde um 20:30 Uhr beendet und FBK sei unverrichteter Dinge „abgezogen“.
Weitere Bilder des Tages
(Bericht: Rick de la Fuerte mit Material von Kandel gegen Rechts und des Pfalz Express (Artikel vom 21.01.19) / Fotos: Rick de la Fuerte)