Öffentlicher Dienst: 4000 Streikende beim Rhein-Neckar Warnstreik [mit Bildern und Video]
„Der Tag war ein voller Erfolg“, resumierte Gewerkschaftssekretärin Marianne Bretzel am Alten Messplatz. Rund 4000 Kolleg*innen aus der ganzen Rhein-Neckar-Region waren gekommen und hatten sich kurz vor Beginn der dritten Verhandlungsrunde am großen regionalen Warnstreik beteiligt. „Die Leute sind heiß und wollen auf die Straße“ erklärte Francisco Vela, ver.di Vertrauensmann vom städtischen Eigentbetrieb Stadtraumservice, denn es gehe um viel. 10,5 Prozent mehr Lohn, mindestens aber 500 Euro fordert ver.di für die 2,5 Millionen Beschäftigten bei Bund und Kommunen. Der Sockelbetrag ist die soziale Komponente und wird von den Arbeitgebern bisher strikt abgelehnt.
Dritte Verhandlungsrunde ab Montag
Am Montag beginnt die dritte Rund der Verhandlungen zwischen ver.di und DBB auf der einen und der Vereinigung der Arbeitgeberverbände auf der anderen Seite. Die Vorstellungen liegen weit auseinander. Die Arbeitgeber haben 5 Prozent Lohnerhöhung in zwei Schritten bei einer Laufzeit von 27 Monaten angeboten. Ver.di hat das bisher abgelehnt, vor allem wegen dem fehlenden Mindestbetrag, der die Menschen in den unteren und mittleren Einkommen stärken soll – denn sie sind es, die besonders stark von der hohen Inflation betroffen sind.
Großdemonstration durch die Quadrate
Am Morgen hatten sich die Streikenden an zwei Treffpunkten versammelt. Die größte Gruppe traf sich am Hans-Böckler-Platz vor dem Gewerkschaftshaus, eine weitere am Betriebshof der RNV. Von dort zogen zwei Demonstrationszüge durch die Stadt, die sich am Wasserturm vereinigten und mit einem beeindruckenden Bild durch die Fußgängerzone liefen.
Voran die ver.di Jugend, gefolgt von den Kolleg*innen aus dem gewerblichen Bereich (Stadtraumservice, Abfallwirtschaft etc), danach schlossen sich Erzieher*innen und Sozialarbeiter*innen aus dem Sozial- und Erziehungsdienst an. Neben den Verwaltungsmitarbeiter*innen der Stadt Mannheim kamen Streikende auch aus den Umlandgemeinden Ilvesheim, Schwetzingen, Neckargemünd, Eppelheim und Hemsbach. Es Beteiligten sich Mitarbeiter*innen der Sparkassen, des Theater Heidelberg, des Universitätsklinikum Mannheim, der Altenpflegeheime Mannheim, der Heidelberger Werkstätten, der Bundesagentur für Arbeit und der Deutsche Rentenversicherung.
Die Bus- und Bahnfahrer*innen standen an diesem Tag besonders in der öffentlichen Kritik, da sie für einen Totalausfall des ÖPNV in der Rhein-Neckar-Region sorgten. Sie wurden am Wasserturm lautstark begrüßt und reihten sich am Ende der Demo ein.
Kundgebung auf dem Alten Messplatz
Am Ende zählte ver.di rund 4000 Teilnehmer*innen beim großen Rhein-Neckar-Warnstreik und damit fast doppelt so viele, wie erwartet. Martin Gross, Landesleiter von ver.di Baden-Württemberg, begrüßte die Menschen auf dem Alten Messplatz und sagte, er wolle sich vor allem dafür stark machen, dass der Mindestbetrag durchgesetzt werde, das sei er den Kolleg*innen in den unteren und mittleren Lohngruppen schuldig. Um die Folgen der Inflation zu verdeutlichen, brachte der Schwabe eine nur halb volle Spätzetüte mit. Mehr bekomme man für das Geld nicht mehr.
Am Montag gehen die Streikaktionen weiter. Die Gewerkschaften ver.di und EVG haben sich abgesprochen und werden in einer bundesweiten Aktion den Nah- und Fernverkehr lahmlegen. Auch bei den Eisenbahner*innen beginnen die Tarifverhandlungen. Die Solidarität untereinander macht stark.
Derweil machen Arbeitgeberverbände und Wirtschaftsvertreter*innen Stimmung. Der Streik sei unverhältnismäßig, Absprachen zwischen den verschiedenen Gewerkschaften wären nicht legitim. Selbst Gesetze, wie das Sonntagsfahrverbot werden kurzerhand von der Politik missachtet, um die Einschränkungen für die Unternehmen klein zu halten. Auch auf juristischen Gebiet wird gekämpft. Gegen den Streik der Mitarbeiter*innen der Autobahngesellschaft wird mit einer einsweiligen Verfügung vorgegangen, um die Schließung von Streckenabschnitten mit Autobahntunneln zu verhindern.
Doch der Streik ist nicht nur legitim. Ein gutes Tarifergebnis käme letztlich allen zu Gute. Franzi Lamprecht von ver.di Rhein-Neckar erklärt es so: Man habe in den letzten Monaten wegen drastischen Personalmangel immer wieder Ausfälle von Bussen und Bahnen im ÖPNV erlebt. Die Jobs seien einfach viel zu schlecht bezahlt. Mit einer anständigen Bezahlung würden die Jobs attraktiver werden, es käme wieder mehr Personal. „Ansonsten fahren irgendwann gar keine Bahnen mehr.“
Die dritte ist die vorerst letzte Verhandlungsrunde für den öffentlichen Dienst. Sollte sie scheitern, wird mit einer Schlichtung gerechnet. In dieser Zeit herrscht Friedenspflicht. Bringt auch das kein Ergebnis, werden die ver.di Mitglieder zur Urabstimmung über den unbefristeten Erzwingungsstreik aufgerufen. Das Tarifergebnis der Post hat gezeigt, dass Druck den Erfolg bringen kann. Nach dem Mitgliederentscheid für den unbefristeten Streik wollten die Arbeitgeber neu verhandeln und ver.di konnte im Kern seine Forderungen durchsetzen.
Text: cki | Bilder & Video: ver.di Rhein-Neckar
Weitere Bilder des Warnstreiks